Ihr Experte für Fragen
Borries Hauke-Thiemian
Partner, Public & Energy Consulting bei PwC Deutschland
E-Mail
Als Bundeskanzler Olaf Scholz den Ländern, Kommunen und Oppositionsparteien im Jahr 2023 einen „Deutschland-Pakt“ vorschlug, sagte er: „Ziel des Deutschland-Pakts ist eine moderne, digitale und bürgernahe Verwaltung.“
Eine solche wünscht sich auch das Gros der Bürger:innen in Deutschland. Und sie haben konkrete Vorstellungen davon, was eine digitale Verwaltung leisten soll. Die Studie „Die vernetzte Verwaltung" zeigt unter anderem, dass die Bürger:innen sich ein digitales Bürgerkonto (BundID) wünschen, in dem sie Daten und Dokumente speichern, diese bestimmten Verwaltungsinstitutionen zugänglich machen und Verwaltungsprozesse am privaten Computer erledigen können.
Die repräsentative Befragung zeigt auch weitere Bedürfnisse auf; die Autoren leiten daraus Handlungsempfehlungen für einen beschleunigten Wandel ab. So sollte die Verwaltung mehr digitale Dienste bereitstellen und ihre Transformation besser erklären, damit die Menschen verfügbare digitale Verwaltungsdienste auch nutzen.
„Das Potenzial für digitale Verwaltungsdienste ist riesig. Die öffentlichen Verwaltungen sollten es nutzen, indem sie in allen Bundesländern und mit höherer Geschwindigkeit als bisher mehr Dienste implementieren.“
Die große Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland befürwortet eine vernetzte Verwaltung: 92 % der Befragten sind bereit, Verwaltungsvorgänge digital zu erledigen. Schon bei der Vorgängerstudie, die PwC Deutschland im Jahr 2017 veröffentlicht hat, lag die Zustimmungsquote bei 91 %. Die Bürger:innen wissen die Vorteile einer vernetzten Verwaltung klar zu schätzen. Zu den Vorteilen gehören beispielsweise Zeitersparnis, Ressourcenschonung und bessere Zugänglichkeit zu Verwaltungsdiensten.
Die hohe Akzeptanz zeigt sich auch in der konkreten Anwendung: Bundesweit nutzen bereits 78 % der Bevölkerung die Online-Angebote der öffentlichen Verwaltung (2017: 67 %). In Nordrhein-Westfalen (NRW), Berlin und Bremen nutzen sogar mindestens 82 % der Menschen digitale Verwaltungsdienste. Sachsen, Sachsen-Anhalt und das Saarland liegen mit 72 bzw. 71 % unter dem Schnitt. Die Diskrepanz liegt unter anderem daran, dass in Sachsen, Sachsen-Anhalt und dem Saarland das Angebot an Online-Verwaltungsdiensten im Vergleich geringer ausfällt.
Doch nicht nur das Angebot entscheidet darüber, wie häufig Bürger:innen den digitalen Verwaltungsweg wählen. Auch individuelle Faktoren wie Alter und Bildungsgrad spielen eine wichtige Rolle. Die Nutzungsrate ist bei den 20- bis 29-Jährigen am höchsten (88 %) und nimmt mit zunehmendem Alter ab. Besonders affin sind Befragte mit (Fach-) Hochschulreife (83 %) oder abgeschlossenem Studium (84 %). Auffallend ist auch der Unterschied zwischen Berufstätigen (83 %) und Nichtberufstätigen (69 %). Diese Zahlen könnten ein Hinweis dafür sein, dass Verwaltungen ihren digitalen Angeboten so weit wie möglich vereinfachen, stärker bewerben und in der Breite besser erklären sollten.
Der beliebteste Onlineservice ist aktuell die Terminbuchung für Verwaltungsdienstleistungen. Mit 56 % nutzt mehr als jede:r Zweite dieses Angebot. Es folgen „Abstimmungen und Befragungen“ (42 %) sowie „Formulare für Behördengänge“ (38 %). Bürger:innen, die digitalen Verwaltungsdienste grundsätzlich ablehnen, nennen vielfältige Gründe dafür. 48 % von ihnen gaben eine Präferenz für persönlichen Kontakte an; aber auch Sicherheitsbedenken (32 %) und Unsicherheit beim Umgang mit der Technik (27 %) sind relevante Verweigerungsgründe.
Das Bürgerkonto bzw. die BundID steht hoch im Kurs, hat aber gegenüber der 2017-er Befragung an Zuspruch eingebüßt. 84 % der in Deutschland lebenden Menschen befürworten die E-Governance-Lösung, bei der in einem individuellen Profil alle Verwaltungsvorgänge zentral, transparent und kostenfrei „zusammenlaufen“ (2017: 90 %). Auf die Frage, was gegen ein Bürgerkonto spricht, nannten 78 % der Befragten technische Probleme, 65 % befürchten, das Konto könnte missbraucht werden, ebenso viele denken an schwer zu korrigierende Fehler und 60 % meinen, die im Konto gespeicherten Daten könnten nicht ausreichend vor Fremdzugriff geschützt sein. Sicherheitsvorbehalte spielen eine wichtige – allerdings nicht die entscheidende – Rolle.
Beim Leistungsspektrum des Bürgerkontos wünschen sich die meisten Befragten eine Interaktionsplattform (38 %), auf der sie sich informieren sowie auf gespeicherte Daten zurückgreifen können und die eigenständig Verwaltungsvorgänge abwickelt. Eine reine Informationsplattform wünschen sich nur 31 %, darunter ein größerer Anteil der älteren Bevölkerung. Weitere 31 % würden eine Speicherplattform bevorzugen, die Informationen bereitstellt und Anträge auf Basis der Nutzerdaten vorbereitet. Zwei Drittel der Befragten möchten mehr als eine Informationsplattform. Die öffentliche Verwaltung sollte nach und nach Interaktionen planen und umsetzen.
Die Studie schließt mit fünf Handlungsempfehlungen der Autoren ab. Darin geht es unter anderem um die Quantität der verfügbaren digitalen Services, um die Geschwindigkeit der Bereitstellung, um Interaktionslevel, die Dokumentenspeicherung und die Zugänglichkeit zu Online-Services der öffentlichen Verwaltung.
Öffentliche Verwaltungen sollten den Bürger:innen und den eigenen Institutionen Zeitersparnis, Ressourcenschonung und bessere Zugänglichkeit über mehr digitale Dienste bieten.
Öffentliche Verwaltungen sollten in allen Bundesländern mehr Dienste mit höherer Geschwindigkeit als bisher implementieren und regionale Unterschiede ausgleichen.
Öffentliche Verwaltungen sollten dem Wunsch der Bürger:innen nachgehen und Services mit mehr Interaktionsmöglichkeiten planen und umsetzen.
Eine schnellstmögliche Registermodernisierung sollte für die öffentlichen Verwaltungen unabdingbar sein – Stammdaten der Bürger:innen und Verwaltungsbescheide sollten dauerhaft online verfügbar und verarbeitbar sein.
Um alle Bürger:innen für digitale Verwaltungsdienste zu interessieren, sollten die Verwaltungen die Zugänglichkeit zu ihren Online-Services möglichst einfach gestalten.
„Die Verwaltungsdigitalisierung bleibt ein Mammutprojekt, zu dessen Umsetzung es keine erfolgversprechende Alternative gibt. Unsere Untersuchung zeigt, dass der Wunsch nach mehr digitalen Angeboten in der deutschen Bevölkerung sehr ausgeprägt ist.“
Borries Hauke-Thiemian,Partner Public & Energy Consulting PwC DeutschlandDie vernetzte Verwaltung
Kontaktieren Sie unsere Expert:innen
Für die Studie „Vernetzte Verwaltung“ hat PwC im August 2023 mehr als 4000 bevölkerungsrepräsentativ ausgewählte Personen im Alter ab 16 Jahren auf Bundesebene befragen lassen. Das sind drei Mal mehr als für die Vorgängerstudie im Jahr 2017. Die Umfrage erfasst verschiedene Aspekte der digital vernetzten Verwaltung: Wie sehen die Bürger:innen eine vernetzte Verwaltung? Unter welchen Bedingungen möchten sie diese nutzen? Und wie steht es um die Akzeptanz des neuen, zentralen Bürgerkontos (BundID), dass erst relativ wenige Menschen in Deutschland nutzen? Die Studie setzt die aktuellen Umfrageergebnisse zudem in Relation zu den Resultaten der ersten Befragung aus dem Jahr 2017.