Die EU-Taxonomieverordnung bildet den Klassifizierungsrahmen für nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten mit begleitenden Offenlegungspflichten. Sie soll Investitionen in Richtung Nachhaltigkeit lenken, indem sie Transparenz und Vergleichbarkeit über Sektoren hinweg fördert. Die Verordnung unterscheidet nach „taxonomiefähigen“ und „taxonomiekonformen“ Wirtschaftstätigkeiten: Taxonomiefähig sind Wirtschaftstätigkeiten, die im Kriterienkatalog der EU-Taxonomie für die sechs EU-Umweltziele enthalten sind. Taxonomiekonform sind solche, die aufgrund festgelegter Kriterien einen wesentlichen Beitrag zu mindestens einem der Umweltziele leisten, ohne den anderen Zielen zuwiderzulaufen („Do No Significant Harm – DNSH“).
Die sechs Umweltziele der Taxonomie sind: (1) Klimaschutz, (2) Anpassung an den Klimawandel, (3) nachhaltige Nutzung von Wasserressourcen, (4) Wandel zu einer Kreislaufwirtschaft, (5) Vermeidung von Verschmutzung und (6) Schutz von Ökosystemen und Biodiversität. Die von der Taxonomie betroffenen Industrieunternehmen müssen jeweils zu den drei Kennzahlen Umsatz, Investitionsausgaben („CapEx“) und Betriebsausgaben („OpEx“) berichten, Finanzunternehmen zu ihren Investitions- und Finanzierungsaktivitäten.
Seit 2022 untersucht PwC, welche Fortschritte die Unternehmen bei der Taxonomieberichterstattung machen. Die aktuelle Studie basiert auf öffentlich verfügbaren Informationen von 530 Industrie- und 97 Finanzunternehmen aus zwölf europäischen Ländern. Eines der Kernergebnisse: Die Industrie- und Finanzunternehmen berichten inzwischen deutlich einheitlicher, und der Anteil taxonomiefähiger und -konformer Aktivitäten steigt weiter leicht an.
„Die EU-Taxonomie bringt für die Unternehmen eine stärkere Konzentration auf Nachhaltigkeit sowie verstärkte Berichtspflichten. Die Transparenz zu Nachhaltigkeit wird sich durch die CSRD kurzfristig noch deutlich erhöhen. Für Unternehmen ist es wichtig, auf eine Verbesserung der Datenqualität hinzuwirken und die Taxonomiedaten auch für strategische Steuerungszwecke außerhalb der Regulierung zu nutzen. So können sie die sich aus der nachhaltigen Transformation ergebenden Chancen optimal nutzen.“
Im Jahr 2023 veröffentlichten 93 % der Unternehmen Angaben zur EU-Taxonomie, was einen Anstieg im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet (86 %). Knapp 87 % der Unternehmen nutzten die verpflichtenden Templates in ihrer Berichterstattung, davon 20 % nahmen Anpassungen an den Templates vor. Neuerungen bezogen sich auf die Veröffentlichung von Wirtschaftsaktivitäten unter den Umweltzielen 3–6. Fast 43 % der analysierten Berichte bezogen sich auf eine oder mehrere Wirtschaftsaktivitäten unter den neuen Umweltzielen.
Insgesamt stiegen die Anteile taxonomiefähiger als auch -konformer Umsätze und Betriebsausgaben im Vergleich zum Vorjahr leicht an. Nur bei den Investitionsausgaben stagnierte der taxonomiefähige Anteil. Wie im Vorjahr zeigte sich eine deutliche Diskrepanz zwischen der Taxonomiefähigkeit und -konformität, und zwar bei allen drei KPIs: Beim Umsatz lag der Anteil der Taxonomiefähigkeit bei 30 Prozent, der Anteil der -konformität nur bei neun Prozent. Ähnlich ist das Bild bei den Investitionsausgaben (taxonomiefähig: 37 %, taxonomiekonform: 12 %) und den Betriebsausgaben (taxonomiefähig: 30 %, taxonomiekonform: 9 %).
Die Unterschiede zwischen den Branchen sind noch immer groß: Die Immobilien sowie Automotivebranche meldet wie auch schon im Vorjahr den höchsten Prozentsatz an Taxonomiefähigkeit für alle drei KPIs. Die Energie-, Versorgungs- und Rohstoffbranche kam bei der berichteten Taxonomiekonformität auf den Spitzenwert (Umsatz: 25 %, Investitionsausgaben: 33 %, Betriebsausgaben: 30 %). Fast drei Viertel aller Unternehmen legten zudem Vergleichszahlen aus dem Vorjahr vor – im Jahr 2022 taten das nur zehn Prozent.
Finanzunternehmen mussten für das Geschäftsjahr 2023 erstmals über die Konformität für die Umweltziele 1 und 2 (Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel) berichten und konnten dazu die im Vergleich zum Vorjahr deutlich verbesserte Datenqualität und -verfügbarkeit ihrer Portfoliounternehmen für das Geschäftsjahr 2022 verwenden. Die obligatorische Verwendung der EU-Templates hat zudem zu einer einheitlicheren Berichterstattung beigetragen.
Die Spannbreite der Taxonomiefähigkeitsquoten hat bei den Finanzinstituten deutlich abgenommen, was auf eine verbesserte Datenqualität hinweist: Sie variiert beim Umsatz zwischen 20 und 44 % (Vorjahr: 0 bis 76 %), bei den Investitionsausgaben zwischen 20 und 45 %. Ganz anders bei der Konformität: Sie liegt beim Umsatz und bei den Investitionen bei lediglich zwei %. Ausschlaggebend für die umsatzbasierte Konformitätsquote (Green Asset Ratio, „GAR“) der Banken ist das Privatkundengeschäft, also vor allem Hypotheken. Die niedrige Konformitätsquote ist neben mangelnder Datenverfügbarkeit und uneinheitlicher Erhebungsmethoden auch auf die mangelnde Abdeckung der Finanzierungsaktivitäten einer Bank durch die Taxonomiefähigkeitskriterien zurückzuführen. Außerdem weist sie auf den noch weiten Weg zur Erfüllung der anspruchsvollen Taxonomiekonformitätskriterien und damit der nachhaltigen Transformation der Wirtschaft hin.
Bemerkenswert sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern: So schwankt die länderspezifische Konformitätsquote sowohl beim Umsatz als auch bei den Investitionen zwischen 0 und 23 %). Den Spitzenplatz belegen dabei jeweils die niederländischen Institute mit durchschnittlich 13 %. Dieser vergleichsweise hohe Wert hängt möglicherweise mit einer besseren Datenverfügbarkeit bei den Energy Performance Ratings (EPC) zusammen.
Im Versicherungssektor schwankt die Taxonomiefähigkeit im Underwriting-Geschäft aufgrund unterschiedlicher Erhebungsmethoden extrem, und zwar zwischen einem und 47 %. Für die Kapitalanlagen der Versicherer liegt die Bandbreite zwischen 4 und 28 % (Umsatz) bzw. 4 und 32 % (Investitionsausgaben). Auch bei den Versicherungen liegt die Taxonomie-Konformitätsquote im Investment im Schnitt bei nur 2 %. Nach Länderperspektive liegen hier deutsche und polnische Versicherer mit je 5 % vorne.
Auch aufgrund der niedrigen Quoten nutzen insbesondere Finanzinstitute die Taxonomiedaten bislang kaum für strategische Zwecke, zum Beispiel Investitionsentscheidungen oder die Portfoliosteuerung. Dies wäre allerdings wichtig, damit die Taxonomie ihr Ziel erreicht, Finanzströme in nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten zu lenken. Entscheidend dafür ist es, dass die Daten noch besser (verfügbar) werden und die Unternehmen einheitliche Methoden nutzen.
Bislang dienen die Taxonomie-Kennzahlen nur als Wert für die Transparenz, doch könnten sie in Zukunft möglicherweise dazu verwendet werden, konkretere Anreize zur Verbesserung der Nachhaltigkeitsperformance und zur Nutzung zu strategischen Steuerungszwecken zu setzen. Daraus ergeben sich weitere Konsequenzen: Die EU-Taxonomie könnte Unternehmen dazu veranlassen, ihre Geschäftspraktiken anzupassen. Dies könnte Investitionen in umweltfreundlichere Technologien und Verfahren sowie Änderungen in der Lieferkette und im Produktangebot beinhalten.
Die Anforderungen der EU-Taxonomie können Unternehmen zudem dazu motivieren, ihre Nachhaltigkeit mit innovativen Lösungen zu verbessern, und sich so Wettbewerbsvorteile zu verschaffen und neue Marktchancen zu erschließen.
Klar ist: Die Weiterentwicklung der EU-Taxonomie bedeutet für die Unternehmen eine stärkere Konzentration auf Nachhaltigkeit sowie verstärkte Berichtspflichten. Zugleich schafft sie Chancen für Innovation und Wettbewerbsfähigkeit. Für Unternehmen ist es wichtig, auf eine Verbesserung der Datenqualität hinzuwirken und die Taxonomiedaten auch für strategische Steuerungszwecke zu nutzen, um die sich aus der nachhaltigen Transformation ergebenden Chancen optimal zu nutzen.
„Die Weiterentwicklung der EU-Taxonomie bringt für Unternehmen nicht nur weiterreichende Berichtspflichten, sondern auch die Möglichkeit zum verbesserten Benchmarking. Datenqualität und Vergleichbarkeit nehmen erkennbar zu, es besteht jedoch weiterer Spielraum nach oben. Finanzinstitute werden deshalb umso mehr auf diese Angaben vertrauen können und Finanzierungsströme in die richtigen Bahnen lenken. Unternehmen sichern sich damit langfristig Wettbewerbsvorteile.“
Björn Seidel,Partner bei PwC DeutschlandEU-Taxonomie Reporting 2024
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Für die Studie hat PwC die bis zum 30. April 2024 veröffentlichten Berichte für das Geschäftsjahr 2023 von 530 börsennotierten europäischen Industrieunternehmen und 97 börsennotierten europäischen Finanzunternehmen, die in den Anwendungsbereich der EU-Taxonomie fallen, untersucht.