ESG ist nicht länger eine nette Option, sondern ein absolutes Muss. Die Kunden verlangen es, die Investoren fordern es, die Regulierungsbehörden machen es zum Gesetz, die Gesellschaft macht Druck. Dennoch handeln die meisten Unternehmen trotz ehrgeiziger Ziele bisher langsam. Die Umstellung ist kostspielig und mühsam, der wirtschaftliche Druck bremst die Bemühungen. Doch wo viele Unternehmen vor allem Herausforderungen sehen, erkennen einige auch die Chancen.
„Wie bei der Digitalisierung – einer Phase massiver Veränderungen, die mit hohen Kosten und Unsicherheiten verbunden ist – bringt eine schnelle Transformation viele Vorteile. Unternehmen, die früh digitalisiert haben, haben aus Fehlern gelernt und sich weiterentwickelt. Wer gezögert hat, muss jetzt viel investieren, um den Rückstand in Zukunft aufzuholen. Wir glauben, dass es besser ist, ein ESG-Champion zu sein als ein Anfänger."
Unsere „Global ESG in Operations"-Umfrage unter überwiegend großen Unternehmen zeigt, dass viele Führungskräfte so denken. Es reicht nicht aus, grün zu sein. Um wettbewerbsfähig zu sein, müssen Prozesse so umgestaltet werden, dass sie weitreichende ESG-Standards erfüllen. Es bildet sich eine Gruppe von ESG-Champions heraus, die die Unterstützung des Top-Managements genießt, eine klare Strategie und Vision hat und einen ausgewogenen Fokus auf alle ESG-Aspekte legt. Sie überdenken die gesamte Wertschöpfungskette und machen damit ihr Unternehmen widerstandsfähiger für die zukünftigen Herausforderungen. Diejenigen, die hinterherhinken, müssen ihre ESG-Transformation beschleunigen, um nicht den Anschluss zu verlieren.
ESG ist für Unternehmen im operativen Betrieb ein wettbewerbsrelevanter Imperativ – die Mehrheit der Unternehmen hat sich klare Ziele in allen Bereichen gesetzt und fast alle Unternehmen (99 %) berücksichtigen ESG-Kriterien bei künftigen Investitionen.
Bisher denken Unternehmen ESG primär ökologisch: 80 % der Unternehmen haben klar definierte und langfristige Ziele für ihre Emissionen, während nur 60 % auch über soziale und Governance-bezogene Ziele verfügen.
Viele Ambitionen, wenig Umsetzung: Nur ein Drittel der Unternehmen hat Maßnahmen zur Emissionsreduzierung umgesetzt, wobei der Schwerpunkt auf Scope 1 und 2 liegt. Nur 21 % haben auch Scope-3-Maßnahmen ergriffen.
ESG-Champions definieren sich über die Unterstützung der obersten Führungsebene, die Integration von ESG in ihre operative Strategie und Vision, kurz- und langfristige Ziele nach Funktionen und über einen ausgewogenen Fokus auf alle ESG-Aspekte.
ESG-Champions, die die gesamte Wertschöpfungskette betrachten – einschließlich der Umgestaltung des Lieferantennetzwerks, des eigenen ökologischen Fußabdrucks, des Produktdesigns und der Anpassung der Geschäftsmodelle an die Kreislaufwirtschaft – haben bereits doppelt so viele Maßnahmen wie alle anderen umgesetzt.
Mit 26 % mehr Champions im Segment der Unternehmen, die einen Unternehmensumsatz von über 3 Milliarden Euro erzielen, müssen kleinere Unternehmen aufholen, um nicht an Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren und sich für künftige Herausforderungen zu wappnen.
Der ESG-Reifegrad variiert je nach Region und Branche – vergleicht man den relativen Anteil der ESG-Champions, so liegen Nordamerika und Asien vor Europa. Die Industrie-, Einzelhandels- und Konsumgüterbranchen sind führend, während die Prozess- und Dienstleistungsbranchen hinterherhinken.
Im Rahmen der Studie haben wir eine Gruppe von besonders erfolgreichen Unternehmen identifiziert: die ESG-Champions. Während sich die meisten Unternehmen auf naheliegende Maßnahmen für schnelle Erfolge – beispielsweise die Reduzierung von Emissionen durch Emissionszertifikate – konzentrieren, befinden sich die Champions in einem fortgeschritteneren Stadium der ESG-Transformation.
Wie fast alle befragten Führungskräfte haben auch die ESG-Champions ehrgeizige Pläne. Was sie von anderen unterscheidet, ist die Tatsache, dass sie ihre Ziele weitaus häufiger mit Maßnahmen untermauern. Die Champions setzen doppelt so viele Maßnahmen um wie die Nicht-Champions. Zudem gehen sie über die internen Prozesse hinaus, um ESG-Standards auf breiter Front in den Wertschöpfungsketten einzuführen und zu überwachen.
Unternehmen können von diesen Vorreitern lernen und deren Vorgehensweisen als Vorbild nutzen, um ihre eigene ESG-Umstellung zu beschleunigen und ihrer Corporate Social Responsibility gerecht zu werden. So schneiden die befragten Unternehmen ab:
Führungskräfte spüren den Handlungsdruck in puncto ESG, aber unternehmerische, strategische, technologische und operative Herausforderungen hindern sie an der Umsetzung. Die größten Herausforderungen bei der Umsetzung von ESG-Strategien sind hohe Kosten und unzureichende Budgets: 42 % aller Unternehmen nannten dies als wesentliche Herausforderungen. Für kleinere Unternehmen (Umsatz von weniger als 5 Mrd. EUR) sind Budgetbeschränkungen noch signifikanter: 18 % mehr von ihnen als größere Unternehmen nannten diese Herausforderung.
Interessanterweise haben die ESG-Champions Kosten nicht als größte Herausforderung benannt, sondern den unzureichenden Zugang zu Daten (32 %). Tatsächlich nannten die meisten Unternehmen unzureichende IT, digitale Lösungen oder Datenzugang als zentrale ESG-Herausforderungen. Vorhersehbar, da sich die digitalen Fähigkeiten für viele Unternehmen noch in der Entwicklung befinden.
Für alle Unternehmen – auch Champions – waren unklare geschäftliche Auswirkungen die am zweithäufigsten genannte Herausforderung. Es bleibt aufwändig, Führungskräfte, Stakeholder und Aktionäre davon zu überzeugen, dass eine ESG-Strategie wirtschaftlich lohnenswert – und sogar unverzichtbar – ist. Darüber hinaus sind die Opportunitätskosten, die entstehen, wenn keine ESG-Maßnahmen ergriffen werden, auch dann für die meisten Unternehmen erheblich, wenn sie schwer zu beziffern sind.
Schließlich geben viele Unternehmen an, dass sie sich noch nicht mit ESG und den damit verbundenen Möglichkeiten befasst haben, weil sie zu sehr damit beschäftigt sind, sich angesichts der COVID-19-Pandemie, steigender Kosten in der Lieferkette und des Kostendrucks seitens der Kunden über Wasser zu halten. Andere werden durch einen Mangel an Wissen zurückgehalten, und einige wissen einfach nicht, wo sie anfangen sollen.
42 % aller Unternehmen nannten dies als eine der größten Herausforderungen, darunter vor allem kleinere mit einem Umsatz von weniger als 5 Milliarden Euro. In Anbetracht der Inflation mit weiter steigenden Energie- und Materialkosten wird diese Herausforderung bestehen bleiben.
Führungskräften fällt es schwer, andere Entscheidungsträger:innen sowie Stakeholder und Aktionär:innen davon zu überzeugen, dass ein klares strategisches Konzept für ESG-Themen wirtschaftlich sinnvoll ist. Je wettbewerbsfähiger die Champions werden, desto leichter dürfte es sein, diese Argumente durchzusetzen.
Ein Drittel der Unternehmen beklagt einen Mangel an ESG-konformen Gütern und Waren. COVID-19-Pandemie, Krieg, Sanktionen: Wir befinden uns nach wie vor in einer schweren Krise mit Engpässen bei wichtigen Materialien wie Mikrochips und Stahl – von nachhaltigen Alternativen ganz zu schweigen.
Alle Unternehmen haben mit unzureichenden IT-Infrastrukturen sowie einem Mangel an digitalen Lösungen und Datenzugriff zu kämpfen. Die digitale Transformation ist aber genau das, was den ESG-Champions zum Erfolg verhilft. So bestätigen ESG-Vorreiter ein hohes Maß an Digitalisierung und Datentransparenz. Sie betonen, dass qualitativ hochwertige, verlässliche und leicht zugängliche Daten von grundlegender Bedeutung sind – unter anderem für die Überwachung und Steuerung von Auswirkungen und Aktivitäten, die Zusammenarbeit mit Lieferanten und Kunden und die Erfüllung steigender Berichtsanforderungen.
Fast ein Viertel der Unternehmen nennt die unzureichende Unterstützung der Führungsebene als größte Herausforderung für die Umsetzung der ESG-Strategie. Auch unter den Champions bestätigen 13 % diese Hürde. Das ist insofern problematisch, als dass bedeutende und wirksame betriebliche Veränderungen nur selten ohne die Unterstützung der wichtigsten Führungskräfte und die Akzeptanz der Mitarbeitenden gelingen.
„ESG ist nicht länger eine Option, sondern eine Notwendigkeit. Die Verbraucher erwarten es, die Investoren verlangen es zunehmend und die Regulierungsbehörden schreiben es gesetzlich vor. Unternehmen, die das hinauszögern, werden feststellen, dass die Kosten, um mitzuhalten, zu hoch geworden sind. Die Zeit zum Handeln ist jetzt.“
Für die Studie führten wir zwischen dem 2. August und dem 13. September 2022 ausführliche Interviews mit 900 leitenden Angestellten aus überwiegend großen Unternehmen. 89 % hatten einen Umsatz von über einer Milliarde Euro. Zu den Branchen gehörten die Automobilindustrie, die Elektronikindustrie, die industrielle Fertigung, die Prozessindustrie, der Einzelhandel, die Konsumgüterindustrie, die Medizintechnik, die Pharmaindustrie, der Finanzsektor und der Dienstleistungssektor. Es haben Unternehmen aus allen Kontinenten an der Umfrage teilgenommen, die Hälfte ist in Europa ansässig. Potenzielle Teilnehmer:innen, die angaben, keine Kenntnisse über die ESG-Strategie ihres Unternehmens zu haben, wurden von der Umfrage ausgeschlossen.