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Thomas Steinberger
Partner, Leader Automobilindustrie bei PwC Deutschland
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Unterbrechungen in der Lieferkette, Nachfrageschwankungen und das Herunterfahren der Produktion während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 stellten die Automobilbranche im vergangenen Jahr auf eine harte Probe. In der Folge ging die Pkw-Produktion zwischen 2019 und 2020 um 16 Prozent zurück.
Die Pandemie hat sich aber auch auf das Working Capital Management (WCM) von OEMs und Zulieferern ausgewirkt: So stieg die Kapitalbindungsdauer im zweiten Quartal 2020 zwischenzeitlich auf 60 Tage, pendelte sich zum Ende des Jahres aber wieder bei 33 Tagen ein – und liegt damit vier Tage höher als noch 2016. Dabei hat sich insbesondere die Working Capital Performance der Hersteller verschlechtert, während die Zulieferer ihr WCM verbessern konnten.
Zu diesen Ergebnissen kommt eine PwC-Analyse von mehr als 800 Unternehmen aus der Automobilindustrie.
„Die Automobilbranche hat in der Krise hohe Widerstandsfähigkeit an den Tag gelegt. Nach dem Stillstand im Frühling 2020 hat sie sich relativ schnell erholt. An die Stärke aus der Zeit vor der Pandemie konnte sie bislang jedoch noch nicht wieder anknüpfen.“
Die Kapitalbindungsdauer der Original Equipment Manufacturer (OEM) hat sich in den vergangenen fünf Jahren um 10 Tage erhöht und lag Ende 2020 bei durchschnittlich 27 Tagen.
Großen Anteil an dieser Verschlechterung hat das Krisenjahr 2020: Bedingt durch branchenweite Werksschließungen und Schwierigkeiten in den Lieferketten stieg die Kapitalbindungsdauer im 2. Quartal 2020 zwischenzeitlich sogar auf 53 Tage.
In der zweiten Jahreshälfte konnte sich die Branche jedoch langsam erholen und die Performance im Bereich Working Capital Management wieder verbessern. Nichtsdestotrotz hatten die 57 analysierten OEMs Ende 2020 rund 100 Milliarden Euro an Kapital gebunden – Geld, das an anderer Stelle, etwa für Innovationen, fehlt.
Die Bestandsreichweite (Days Inventory On-Hand, DIO) bei den OEMs, also der Zeitraum zwischen Wareneingang und Entnahme, ist in den vergangenen fünf Jahren (2016 bis 2020) um einen Tag gesunken und liegt bei 37 Tagen.
Die Forderungsreichweite (Days Sales Outstanding, DSO), das heißt die Spanne zwischen Bestelldatum und Zahlungseingang, hat sich merklich verschlechtert und ist auf 36 Tage gestiegen (plus 8 Tage). Diese Entwicklung ist maßgeblich auf die Pandemie und die schwächere Zahlungsfähigkeit der Kunden zurückzuführen.
Die Reichweite der kurzfristigen Verbindlichkeiten (Days Payables Outstanding, DPO), also die Periode zwischen Rechnungsdatum und Bezahlung, ist in den vergangenen fünf Jahren um 4 Tage gesunken – und liegt nun bei 45 Tagen.
Im Gegensatz zu den Herstellern ist es den Zulieferern gelungen, ihr Cash Management in den vergangenen fünf Jahren zu verbessern. Die Kapitalbindungsdauer bei den analysierten Automobilzulieferern ist diesem Zeitraum um fünf Tage gesunken und lag Ende 2020 bei 44 Tagen (2016: 49 Tage).
Die Corona-Pandemie hat sich zwar auch auf die Working Capital Performance der Lieferanten ausgewirkt. So lag die Kapitalbindungsdauer im zweiten Quartal 2020 kurzzeitig bei 73 Tagen. Die Unternehmen waren jedoch in der Lage, die Auswirkungen umzukehren und schnitten Ende 2020 mit einer positiven WCM-Bilanz ab.
Unternehmen müssen ihre Governance-Rahmenwerke anpassen, um sicherzustellen, dass sie mögliche Zielkonflikte adressieren und die Organisation über geeignete Leitplanken für das operative Geschäft verfügt.
Die operativen Funktionen müssen die Mitarbeitenden dabei unterstützen, die richtigen Entscheidungen zu treffen und ein „Business-as-usual“-Verhalten zu verhindern.
Historische Modelle, auf die sich die meisten Prozesse stützen, sind nur bedingt nützlich. Um informierte Entscheidungen zu treffen, braucht es Transparenz in Echtzeit.
Die operativen Prozesse im Bereich Working Capital Management müssen an die neue Normalität angepasst werden. Im Bereich Forderungen geht es zum Beispiel darum, die Zahlungsbedingungen neu auszuhandeln; beim Bestandsmanagement müssen Modelle zur Nachfrageprognose auf den Prüfstand und bei den Verbindlichkeiten sollten Unternehmen sich unter anderem mit den Möglichkeiten von Supply Chain Finance auseinandersetzen.
Unternehmen müssen sich über die finanzielle Situation und Lieferfähigkeit ihrer Zulieferer Klarheit verschaffen und einen Notfallplan erarbeiten.
„Die COVID-19-Pandemie hat die Bedeutung von Working Capital Management in den Fokus gerückt. In der aktuellen Situation kommt es mehr denn je darauf an, den Anteil des gebundenen Kapitals zu minimieren, die Liquidität zu sichern und die Flexibilität zu erhöhen.“
Zu diesen Ergebnissen kommt eine PwC-Analyse von mehr als 840 Unternehmen aus der Automobilindustrie weltweit, darunter 37 OEMs und 807 Zulieferer.