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Marco Galioto
Partner Risk Assurance Solutions, Government & Public Services, PwC Germany
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Interne und externe Anforderungen, nationale und internationale Vorschriften und Gesetze: Sie betreffen nicht nur privatwirtschaftliche Unternehmen, sondern immer stärker auch Institutionen und Organisationen des öffentlichen Sektors. Entscheidungsträger und Aufsichtsorgane müssen diese Vorgaben mit angemessener Sorgfalt einhalten. Dabei besteht jedoch die Gefahr, dass sie – unwissentlich – gegen Regelungen verstoßen. Mögliche Konsequenzen sind Geldbußen, Reputationsverlust der Institutionen, unentdeckte betrügerische Handlungen, mitunter drohen sogar strafrechtliche Folgen. Sogenannte Governance-Systeme tragen dazu bei, dass alle internen und externen Anforderungen jederzeit eingehalten werden. Zu den Systemen gehören:
PwC hat in Kooperation mit der Universität Paderborn 64 Institutionen und Organisationen des öffentlichen Sektors dazu befragt, wie sie Governance-Systeme einsetzen, worin sie den größten Nutzen sehen und welchen Handlungsbedarf sie identifizieren. Unter den befragten Einrichtungen sind:
Wie steht es um den Einsatz von Governance-Systemen im öffentlichen Sektor? Eines der wichtigsten Ergebnisse unserer Studie lautet: Ein Fünftel aller befragten Einrichtungen setzt keines der Systeme ein, und lediglich 15 Prozent haben alle vier Systeme in Gebrauch. Und dies, obwohl die überwiegende Mehrheit von mehr als 90 Prozent bestätigt, dass die Systeme wichtig sind, um Geschäftsrisiken zu identifizieren und Sorgfaltspflichten einzuhalten.
Bei den Kernverwaltungen gab mit 44 Prozent beinahe die Hälfte der Befragten an, kein Governance-System einzusetzen; bei den Hochschulen und öffentlichen Einrichtungen waren es sogar 56 Prozent. Demgegenüber sind sie in Krankenhäusern, bei Ver- und Entsorgern und dem ÖPNV am weitesten verbreitet – diese Gruppen des öffentlichen Sektors verfügen über mindestens eines der Systeme.
Die PwC-Untersuchung zeigt darüber hinaus, dass die Befragten generell um die Relevanz der Governance-Systeme wissen. Deren Hauptnutzen sehen sie in der Erfüllung ihrer Sorgfaltspflicht sowie in der Risikoidentifikation und -steuerung. Außerdem schafften die Systeme größere Transparenz.
Aber: Sie sehen die Systeme nicht als Hilfsmittel, um Organisationsziele zu erreichen, Prozesse zu optimieren und Chancen im Zusammenhang mit Marktveränderungen zu identifizieren. Die Folge: Ineffizienzen bleiben häufig unerkannt und das Potenzial zur Prozessoptimierung schöpfen viele Organisationen nicht aus.
Wir wollten auch wissen, wie es um die Wirksamkeit der Governance-Systeme bestellt ist – ob dank ihnen also zum Beispiel Unternehmens- oder Compliancerisiken frühzeitig erkannt, Konsequenzen aus Regelverstößen gezogen oder Inkonsistenzen bei bestehenden Regelungen festgestellt worden sind.
Eines der wichtigsten Ergebnisse hierzu: Zwei Drittel der befragten Institutionen gaben an, dass 2017 und 2018 nicht zwingend Konsequenzen aus Regelverstößen gezogen worden seien. Und mehr als 25 Prozent sagten, dass Kontrollergebnisse nicht genutzt worden seien, um Regelungen oder Prozesse zu verbessern.
Die Studie zeigt darüber hinaus, dass die Wirksamkeit der Governance-Systeme umso höher ist, je ausgereifter und besser vernetzt die Systeme sind. Methodische Vorgaben, standardisierte Prozesse und strukturierte Abläufe sorgen für eine größere Effektivität der Systeme.
Und wo besteht beim Einsatz von Governance-Systemen der größte Handlungsbedarf? Der Großteil der befragten Organisationen (81 Prozent) beklagt fehlende zeitliche Kapazitäten sowie eine unzureichende personelle Ausstattung (68 Prozent). Dementsprechend sehen rund drei Viertel der Befragten (76 Prozent) mehr Personal als den wichtigsten Schritt für eine größere Wirksamkeit der Governance-Systeme.
Angesichts dieses Befunds ist es denkbar, zumindest einzelne Funktionen an externe Dienstleister auszulagern. Die Akzeptanz dafür ist bei den Institutionen insgesamt jedoch eher gering. Aber immerhin mehr als ein Viertel (27 Prozent) von ihnen kann sich vorstellen, die Funktionen des Internen Revisionssystems auszulagern; bei den Compliance-Managementsystemen bejahten das Outsourcing immerhin noch 9 Prozent.
Die größte Herausforderung sehen die untersuchten Institutionen und Organisationen darin, die Governance-Systeme aufrechtzuerhalten; 64 Prozent der Befragten äußerten sich so. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Widerstand bzw. die fehlende Akzeptanz der Mitarbeiter beim Einsatz der Systeme.
Eine mögliche Lösung besteht darin, die organisationsinterne „Governance-Kultur“ zu schärfen und für mehr Risikobewusstsein bei Regelverstößen zu sorgen. Speziell dafür konzipierte Schulungen und Workshops können helfen, die Governance-Systeme als Bestandteil der Organisationskultur zu verankern.
„Eine Auslagerung von Governance-Systemen stellt eine durchaus realistische Alternative zum Aufbau eigener Ressourcen dar.“
„Die Studienergebnisse haben uns einmal mehr gezeigt, dass Nachholbedarf hinsichtlich der eingerichteten Governance-Systeme besteht. Neben der eher formalen Erfüllung von Sorgfaltspflichten unterstützen wirksame Governance-Systeme ganz konkret Schwachstellen aufzudecken, die betrügerische Handlungen und Gesetzesverstöße begünstigen. Häufig werden die Mechanismen leider erst dann überdacht, wenn bereits Vorfälle in der Presse zu lesen sind.“
Welche Governance-Systeme sind notwendig, um gesetzliche und regulatorische Anforderungen sicher zu erfüllen? Diese Frage sollten insbesondere solche Institutionen des öffentlichen Sektors beantworten, die bislang noch keines der Systeme eingeführt haben.
Um Potenziale über die Erfüllung der Sorgfaltspflicht hinaus zu nutzen, sollten Organisationen ermitteln, welche der bestehenden Systeme weiterentwickelt bzw. besser integriert werden können.
Für welche Berichtsarten, Risikopotenziale und Rechtsgebiete sollen die Governance-Systeme genutzt werden? Hier sollten Organisationen interne und externe Richtlinien überprüfen und präzise definieren. Zudem sollte die Aufklärung über mögliche Konsequenzen bei Verstößen innerhalb der Organisation verbessert werden.
Viele Organisationen verfügen nicht über die personelle Ausstattung, die nötig wäre, um die Governance-Systeme mit maximaler Wirksamkeit zu betreiben. Das Outsourcing zumindest einzelner Governance-Funktionen an geeignete Dritte kann hier eine sinnvolle Alternative darstellen – zumal der finanzielle Aufwand dafür in aller Regel überschaubar ist.
Marco Galioto beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren mit Governance, Risk & Compliance Themen. Er verantwortete als Partner und Wirtschaftsprüfer bereits eine Vielzahl von Beratungs- und Prüfungsprojekten im öffentlichen Sektor und ist Branchenverantwortlicher für Government & Public Services im Bereich Risk Assurance Solutions. Seine Expertise reicht von einzelnen Workshops bis zu umfassenden Großprojekten zur Einführung von Governance-Systemen. Für eine Vielzahl von Organisationen, die sich für Co- oder Outsourcing der Governance-Funktionen entscheiden, stellt er außerdem mit seinem Team die entscheidende Expertise bereit – von Einzelaufklärungen bei adhoc Vorfällen bis hin zum kompletten, langfristigen Outsourcing der Internen Revision an PwC. Hierbei macht er auch digitale Technologien wie Data & Analytics und Process Mining für die Organisationen nutzbar.