Berlin und München gelten als Hotspots der deutschen Startup-Szene. Doch wie steht es um die Bedingungen für Gründer:innen im wirtschaftlich starken Rhein-Main-Gebiet? Eher durchwachsen, wie der 10. Deutsche Startup Monitor in seiner Regionalauskopplung für das Rhein-Main-Gebiet zeigt.
Demnach ist nur jede:r zweite Gründer:in mit dem Startup-Ökosystem rund um Frankfurt und Darmstadt zufrieden, bundesweit sind es mehr als zwei Drittel. Die Zufriedenheit in der Region ist im Vergleich zum Vorjahr sogar leicht gesunken (minus zwei Prozentpunkte); im Bundesschnitt dagegen gestiegen (plus 3 Prozentpunkte).
Zu schaffen machen den Jungunternehmer:innen an Rhein und Main insbesondere der Fachkräftemangel und fehlende Netzwerke. Punkten kann die Region bei den Kooperationen mit etablierten Unternehmen.
„Gerade in frühen Entwicklungsphasen sind funktionierende und belastbare Netzwerke für Startups immens wichtig – hier muss das Rhein-Main-Gebiet deutlich besser werden, um mit den großen Startup-Hochburgen wie Berlin oder München mithalten zu können.“
Besonders kritisch beurteilen die Startups in Hessen das Netzwerk zu anderen Startup-Gründer:innen: Nur 43 Prozent sind damit zufrieden (bundesweit 70 Prozent). Überraschend schlecht weg kommt auch die Anziehungskraft des Rhein-Main-Gebiets für Talente von außerhalb – und das trotz der hohen Internationalität Frankfurts. Nur 27 Prozent bewerten diesen Aspekt positiv (bundesweit 43 Prozent).
Kopfschmerzen bereitet den Jungunternehmer:innen auch der Fachkräftemangel, der infolge des demografischen Wandels überall in Deutschland immer spürbarer wird. So nennen 45 Prozent der Befragten aus der Region die Personalplanung und -rekrutierung als größte Hürde, vor der sie aktuell stehen (bundesweit 34 Prozent) – ein eklatanter Anstieg im Vergleich zum Vorjahr, als nur 31 Prozent der Startups aus der Region das Thema Personal als größte Herausforderung bezeichneten.
Das ist auch deshalb problematisch, weil der Bedarf an neuen Arbeitskräften in der Startup-Szene hoch ist: So wollen neun von zehn Startups in den kommenden zwölf Monaten neue Mitarbeiter:innen einstellen. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Beschäftigtenzahl bereits kräftig gestiegen: Aktuell haben die Startups in der Region im Schnitt 14 Angestellte und damit fünf mehr als noch im Vorjahr. In Frankfurt sind es sogar knapp 20. Damit liegt die Mainmetropole über dem Bundesschnitt (18), aber weit hinter dem Startup-Hotspot Berlin zurück (44).
Neben dem Fachkräftemangel wird es für die Gründer:innen im Krisenjahr 2022 wieder schwieriger, an Geld zu kommen: 38 Prozent – und damit fünf Prozentpunkte mehr als im Vorjahr – sehen darin eine der größten Hürden. Jedes zweite Startup in der Region hat noch überhaupt keine externe Finanzierung erhalten (bundesweit 43 Prozent).
Mit Blick auf die Finanzierungsarten zeigt sich, dass einige Kapitalquellen im Rhein-Main-Gebiet noch unterentwickelt sind, andere dagegen stärker ausgeprägt als im Bundesschnitt: So nutzen nur 34 Prozent der Gründer:innen aus Rhein-Main staatliche Fördermittel; bundesweit sind es 47 Prozent. Mit Blick auf Business Angels, die besonders in der frühen Phase wichtig sind, liegt die Region über dem Bundesdurchschnitt: 35 Prozent nutzen sie, bundesweit nur 31 Prozent.
Die Startups aus der Region blicken pessimistischer in die Zukunft als vor einem Jahr: Der Geschäftsklima-Saldo liegt nur noch bei 48 Punkten, 2021 stand er bei 54 Zählern. Damit sind die Startups aus der Region aber optimistischer als Gründer:innen im Rest der Republik: Deutschlandweit fällt der Index auf 42 Punkte.
Nachhaltigkeit gewinnt auch für die Startups im Rhein-Main-Gebiet an Bedeutung. 78 Prozent geben an, dass sie auch eine positive gesellschaftliche oder ökologische Wirkung entfalten wollen (Vorjahr: 72 Prozent); 44 Prozent sehen sich als Teil der Green Economy.
Der Gründerinnenanteil steigt auch in Rhein-Main weiter an und erreicht mit 20 Prozent den Bundesschnitt. Der Anteil der Gründer:innen mit Migrationshintergrund liegt in der Region bei 28 Prozent: bei den Beschäftigten sind 34 Prozent aus dem Ausland.
Von der öffentlichen Hand wünschen sich die Befragten weniger Bürokratie und besseren Zugang zu öffentlichen Vergaben: 86 Prozent wünschen sich eine Beschleunigung und Vereinfachung von Verwaltungsprozessen. 78 Prozent sprechen sich dafür aus, dass öffentliche Vergaben für Startups geöffnet und vereinfacht werden.
Stark aufgestellt sind die Startups aus dem Rhein-Main-Gebiet bei der Zusammenarbeit mit etablierten Unternehmen: Entgegen dem deutschlandweiten Trend haben diese Kooperationen von 60 Prozent im Jahr 2021 auf 80 Prozent zugenommen.
Zurückgegangen sind allerdings Kooperationen mit anderen Startups und der Wissenschaft: Nur 50 Prozent der Rhein-Main-Startups kooperieren mit Gleichgesinnten, mit wissenschaftlichen Einrichtungen nur 43 Prozent.
„Es ist ein positives Signal, dass sich die Zahl der Neugründungen in der Region erstmals etwas stärker entwickelt hat als im Bundesgebiet. Aber diese Pflänzchen müssen wir alle – die Wirtschaft durch Kooperationen, der Finanzsektor durch Kapitalzufluss und die öffentliche Hand durch flankierende Maßnahmen – hegen und pflegen.“
PwC hat den 10. Deutschen Startup Monitor (DSM) gemeinsam mit dem Bundesverband Deutsche Startups e. V. und dem akademischen Partner netSTART erstellt. An der Studie haben sich knapp 2.000 deutsche Startups beteiligt, davon 134 mit Sitz im Rhein-Main-Gebiet.