16 Dezember, 2019
Vor wenigen Tagen machte das Handelsblatt publik, dass die Bundesregierung mit der Gründung eines „Zukunftsfonds Deutschland“ gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen möchte: Erstens: Gründerinnen und Gründer sollen einfacher und schneller Zugang zu notwendigem Kapital erhalten. Zweitens: Niedrigzinsgeplagte Anleger aus dem institutionellen Bereich sollen über
den Fonds eine attraktive und zukunftsgerichtete Investitionsmöglichkeit erhalten. Ist das ein Schritt in die richtige Richtung? Oder nur viel Lärm um nichts? Eine Einschätzung von Florian Nöll, Leiter der PwC-Startup-Initiative Next Level und bis Dezember langjähriger Vorsitzender des Bundesverbands deutscher Startups.
Als Verbandsvorsitzender haben Sie sich viele Jahre dafür eingesetzt, dass Startups leichter an Geld kommen. Freuen Sie sich über das, was vergangene Woche über die Pläne der Bundesregierung in Sachen „Fonds für Startups“ zu lesen war?
Der Zukunftsfonds war über Jahre unsere wichtigste Forderung an die Bundesregierung. Der Hebel für unsere Startups in Deutschland und Europa ist immens. Deshalb habe ich mich natürlich sehr gefreut. Eine solche politische Forderung umzusetzen ist mit einem Marathonlauf vergleichbar. Und allen Beteiligten drohte mehrfach die Puste auszugehen. Nun muss der Fonds natürlich noch umgesetzt werden, aber ich habe da sehr großes Vertrauen in die Bundesregierung und – so sie den Auftrag tatsächlich erhält – die KfW.
Nach dem aktuellen Deutschen Startup Monitor klafft eine erhebliche Lücke zwischen den genutzten und gewünschten Finanzierungsquellen. Danach würden rund 40 Prozent der knapp 2.000 befragten Startups auf Venture Capital zugreifen. Aber nur knapp 15 Prozent haben Zugang dazu. Ist das ein typisch deutsches Problem?
Es ist ein europäisches Problem. US-amerikanische Startups erhalten im Vergleich zu europäischen Gründerinnen und Gründern doppelt so häufig eine Wachstumsfinanzierung. Typisch deutsch ist hingegen, dass ich regelmäßig das Argument höre, dass unsere Startups schlicht nicht gut genug sind. Dem widerspreche ich. Gründer deutscher Unicorns haben längst den Beweis erbracht, dass wir Startups mit Milliardenwert schaffen können; übrigens trotz der schwierigeren Ausgangslage. Mehr Selbstbewusstsein würde uns als Gesellschaft an der Stelle guttun.
Warum hängt Deutschland in Sachen Risikokapital so sehr zurück?
Das Problem ist eine Mischung aus Marktversagen und falscher Regulierung. Das Marktversagen haben Bund und Länder mit staatlichen Beteiligungsfonds wie dem High-Tech-Gründerfonds über Jahre erfolgreich adressiert und dadurch viel erreicht. Seit 2012 hat sich das in Deutschland investierte Risikokapital etwa verzehnfacht. Aber im Vergleich zu den Investitionen in den USA und China agieren wir unverändert auf viel zu niedrigem Niveau. Die Finanzierungslücke ist mittlerweile so groß, dass der Staat sie nicht stopfen kann. Und er sollte es auch nicht mit Steuermitteln tun.
Kann der Fonds, wie er im Moment angedacht ist, echte Abhilfe schaffen?
Der Fonds ist die Antwort auf die gut gemeinte, aber schlecht gemachte Regulierung. Die primären Investoren in die Anlageklasse Venture Capital in den USA sind Versicherungsfonds und Pensionskassen. Genau diese Kapitalsammelstellen werden in Europa jedoch an der sehr kurzen Leine gehalten, zum Nachteil ihrer Sparer, Anleger und Versicherten. Weil es unrealistisch ist, in kurzer Zeit zu einer Neuregulierung auf europäischer Ebene zu kommen, ist der Zukunftsfonds die richtige Übergangslösung. Ein staatlich initiierter Dachfonds, in den die Kapitalsammelstellen einzahlen und der das Kapital dann in private Wagniskapitalfonds investiert.
Was ist die größte Gefahr, wenn Deutschland sein Startup-Ökosystem nicht besser hegt und pflegt?
Für die dauerhafte Zukunftssicherung unserer Volkswirtschaft, ist es entscheidend sein, dass wir eine Technologienation bleiben. Das wertvollste Unternehmen im DAX ist nicht ohne Grund SAP, nach meiner Überzeugung auch deshalb, weil das Unternehmen Vorreiter beim Thema Open Innovation ist. Als in den 1990er und 2000er Jahren in den USA neue globale Tech-Champions entstanden sind, haben wir in Europa geschlafen. Und während in China seit einigen Jahren eine noch schnellere Entwicklung passiert, verlieren wir uns in den kleinsten Details. Es ist essentiell, dass wir unseren Platz in diesem Wettbewerb finden.
Zu guter Letzt: Was müsste sich sonst noch ändern, um Deutschland für Startups und Scaleups auf Dauer attraktiv zu machen?
Die Liste der politischen Verbesserungsvorschläge ist lang und wenn am 1. März 2020 das Fachkräftezuwanderungsgesetz in Kraft tritt, können wir wieder einen sehr wichtigen Punkt von der Liste nehmen. Aber in der Pflicht ist nicht nur die Politik. Ich bin davon überzeugt, dass die Verbindung unserer erfolgreichen Industrie mit Startups die deutsche Antwort auf das Silicon Valley oder Hangzhou sein muss. Etablierte Unternehmen sind Märkte auf der Suche nach Innovationen, Startups sind Innovationen auf der Suche nach Märkten. Beide Seiten gilt es zusammenzubringen.
Florian Nöll ist bei PwC Experte für Startups und Scaleups sowie digitale Geschäftsmodelle und außerdem erfahrener Unternehmer. Er berät Familienunternehmen und Konzerne bei der Zusammenarbeit mit diesen jungen Unternehmen. Mit der Startup-Initiative Next Level von PwC unterstützt er Gründerinnen und Gründer auf dem Weg in ihre nächste Entwicklungsstufe.