„Der Mensch wird in der digitalen Fabrik nicht überflüssig“

20 April, 2017

Die digitale Fabrik steht ganz oben auf der Management-Agenda der deutschen Industrie: Neun von zehn Fertigungsunternehmen investieren in die Vernetzung ihrer Produktion. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Digital Factories 2020 – Shaping the future of manufacturing“. Auf dem Weg zur Smart Factory müssen die Unternehmen jedoch noch einige Hürden nehmen. Dr. Reinhard Geissbauer, Leiter Industry 4.0 EMEA und Geschäftsführer bei Strategy&, PwCs Strategieberatung, über Chancen und Stolpersteine der digitalen Fabrik.

Die Studie „Digital Factories 2020“ untersucht, wo deutsche Industrieunternehmen bei der Vernetzung ihrer Fertigung stehen. Zu welchen Ergebnissen kommt die Analyse?

Dr. Reinhard Geissbauer: Die Digitalisierung hat hohe Priorität für die deutsche Industrie. 91 Prozent der Unternehmen investieren in den Ausbau ihrer digitalen Fabriken. Entsprechend ist die Digitalisierung in den Fertigungsunternehmen hierzulande auf einem guten Weg. Die Beweggründe dafür sind vielfältig: Die Digitalisierung macht die Fertigung wettbewerbsfähiger, kundenorientierter und effizienter. Davon profitiert der Standort Deutschland.

Inwiefern?

Geissbauer: Bei der Smart Factory geht es nicht nur um Automatisierung, sondern auch um die Vernetzung komplexer Systeme, die ein hohes Maß an Kreativität fordert und ein ausgezeichnetes Technikverständnis voraussetzt. Das können die gut ausgebildeten Fachkräfte hierzulande besser und schneller umsetzen als in vielen anderen Ländern. Das stärkt den Standort Deutschland und schafft hier Arbeitsplätze.

Wo sehen Sie noch Hürden auf dem Weg zur komplett vernetzten Fabrik?

Geissbauer: Aktuell beobachten wir drei Problemfelder: Zum einen fällt es vielen Unternehmen schwer, Mitarbeiter mit digitalen Fähigkeiten zu rekrutieren. Zweitens scheuen viele Firmen noch vor den hohen Kosten zurück. In solchen Fällen hat es sich bewährt, mit Pilotprojekten zu starten, bei denen die Investitionen überschaubar sind und erste Erfolge schnell sichtbar werden. Und drittens fehlen in vielen Firmen noch das Verständnis und die Führung des Themas von der Spitze aus. Die Firmenchefs müssen voll dahinter stehen und die Verantwortung für die Digitalisierung übernehmen.

Dafür braucht es vor allem hochqualifizierte Mitarbeiter. Wo sollen diese in Zeiten des Fachkräftemangels herkommen?

Geissbauer: Deutschland verfügt über ein hervorragendes Ausbildungssystem, das ein gutes Maß an qualifiziertem Nachwuchs hervorbringt. Aufgrund des demographischen Wandels muss aber gleichzeitig auch mehr in die Qualifizierung investiert und es müssen gezielt Talente ins Land geholt werden. Wie das funktionieren kann, haben die USA im Silicon Valley vorgemacht.

In der digitalen Fabrik übernehmen Maschinen auch Aufgaben, die bisher Menschen erledigt haben. Welche Rolle spielt der Faktor Mensch in der digitalen Fabrik überhaupt noch?

Geissbauer: Der Mensch wird in der digitalen Fabrik nicht überflüssig. Es geht nicht darum, dem Mitarbeiter die Arbeit wegzunehmen, sondern ihn von wiederholbaren und operativen Arbeiten zu entlasten. Mensch und Maschine werden in Zukunft Seite an Seite arbeiten und miteinander interagieren. Genau da liegen die Potenziale der Zukunft. Es entstehen neue Chancen und Berufsbilder, wie etwa der Data Scientist. Den gab es vor zehn Jahren nicht, heute ist er einer der am stärksten nachgefragten Berufe. Letztlich funktioniert die digitale Transformation aber nur durch Vorgabe und Vorleben der Unternehmensführung. Sie muss die Mitarbeiter bei diesem umfassenden Transformationsprozess mit- und ihre Ängste ernst nehmen sowie die Vorteile deutlich kommunizieren. 

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Dr. Reinhard Geissbauer

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Partner, Operations Transformation, PwC Germany

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