01 Juli, 2016
Auf dem 5. „Pharmaceuticals und Chemicals Tax Day“ von PwC diskutierten Experten und Praktiker über branchenrelevante Themen in steuerlichen Betriebsprüfungen und Herausforderungen für die Steuerverantwortlichen durch neue OECD-Standards. Wir haben die wichtigsten Erkenntnisse und Lösungsansätze zusammengefasst, die unter der Leitung von Ralf Grammel, PwC Europe Pharma/Life Science & Chemicals Tax Leader, Köln, erarbeitet wurden.
Die Finanzverwaltung prüft Unternehmen aus der Pharma-, Chemie- und Biotech-Branche mit wachsender Intensität – und schießt dabei bisweilen übers Ziel hinaus. Das war eine der zentralen Botschaften des 5. „Pharmaceuticals and Chemicals Tax Day“, den PwC am 9. Mai auf Schloss Bensberg ausgerichtet hat. Vor fachkundigen Besuchern berichteten Praktiker und Experten aus erster Hand von verschiedenen aktuellen Themen, zum Beispiel bei Forschungskooperationen, Verrechnungspreisen und konzerninternen Finanzierungen – und zeigten zugleich Strategien und Lösungsansätze auf. Ein Überblick.
Zum Auftakt beleuchteten PwC-Partner Ralf Grammel und André Müller (Senior Director International Tax bei Takeda Pharmaceuticals International) ein Branchenthema mit meist weitreichenden finanziellen Auswirkungen für die Unternehmen: Die Finanzverwaltung nehme zunehmend Forschungskooperationen zwischen „Big Pharma“ und Biotech-Unternehmen unter die Lupe und lehne bei sogenannten Upfront-/Milestone-Payments oder Signing Fees immer öfter den sofortigen Abzug als Betriebsausgaben ab. Das erscheine „meist nicht haltbar“, kritisierte Grammel.
Die Diskussion mit der Finanzverwaltung ist nicht abgeschlossen. Im Plenum wurden Erfahrungen ausgetauscht, inwieweit der Zeitpunkt des steuerlichen Betriebsausgabenabzugs für solche Zahlungen beim Biotech-Partner einen Einfluss auf den Zeitpunkt der Versteuerung der korrespondierenden Einnahmen habe.
Mit konzerninternen Verrechnungspreisen gewinnt ein klassisches Betriebsprüfungsthema derzeit zusätzliche Brisanz. Das liegt an den neuen OECD-Standards gegen Gewinnverlagerungen (Base Erosion and Profit Shifting, BEPS): Viele Betriebsprüfer würden die Vorgaben der OECD auch vor der noch ausstehenden Umsetzung in deutsches Recht schon jetzt berücksichtigen, wenn es um die Auslegung geltenden Rechts gehe, berichtete die Hamburger PwC-Partnerin Kati Fiehler.
Auch vor den erwarteten Gesetzesänderungen müssten sich Unternehmen deshalb darauf einstellen, dass Finanzbeamte Vereinbarungen intensiver hinterfragen und prüfen als bisher. Es gelte daher unter anderem, wesentlich detaillierte Verträge zu verfassen.
In einem gemeinsamen Vortrag berichteten Fiehler und Swen Gräwe (Tax Counsel bei Basell Polyolefine) von zahlreichen „langwierigen Streitigkeiten“. Ihr Eindruck: Betriebsprüfer würden bisweilen von vornherein eine aus fiskalischer Sicht attraktive Einigung anstreben. Die fachliche Diskussion werde teils zu langwierig und weniger sachgerecht empfunden, auch weil nicht alle Betriebsprüfer Branchenkenntnisse haben.
Fiehler schilderte in diesem Zusammenhang aktuelle Entwicklungen zu sog. Parallelimporten: Die Finanzverwaltung rechne der deutschen Vertriebstochter eines ausländischen Pharmakonzerns einen fiktiven Gewinnanteil zu – mit der Begründung, die ausländische Mutter profitiere von den Parallelimporten zu Lasten ihrer inländischen Vertriebsgesellschaft, der Gewinne entgingen.
Eine fragwürdige Argumentation, meint Fiehler. Schließlich sei es im Pharmabereich keine unternehmerische Entscheidung, Parallelimporte zuzulassen. Die Unternehmen seien vielmehr gesetzlich dazu verpflichtet. Das letzte Wort sei deshalb noch nicht gesprochen.
Grenzüberschreitende Finanztransaktionen werden im Zuge der BEPS-Vorgaben ebenfalls mit wachsender Skepsis beobachtet. Immer wieder unterstellen Finanzbeamte beispielsweise, dass deutsche Konzernunternehmen zu hohe Zinssätze für gruppeninterne Darlehen aus dem Ausland zahlen und auf diese Weise ihre Steuerlast mindern.
Jürgen Topoll, Leiter Group Function Tax & Trade Compliance bei Lanxess, berichtete aus erster Hand, welche vielseitigen Aufgaben für Steuerverantwortliche bei grenzüberschreitenden Finanzierungen in einer international agierenden Unternehmensgruppe bestehen.
Die anhaltende Niedrigzinsphase bedeute steuerlich eine besondere Herausforderung, so Topoll. Altverträge bedürften gestiegener Aufmerksamkeit, ebenso Cash-Pool Strukturen.
Auch vor dem Hintergrund der BEPS-Diskussionen spielen Steuern eine wesentliche Rolle für Finanzierungsentscheidungen in den Unternehmen. „Eine besondere Aufgabe der Steuerabteilung liegt in der verzahnten Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen und der Unternehmensleitung“, fasst Topoll zusammen.
Ein weiteres Konfliktfeld ist die Umsatzsteuer, wie ein Erfahrungsbericht von Andreas Schulz (Vice President Corporate Taxes bei Grünenthal Pharma) über „Aktuelle Highlights bei der Betriebsprüfung“ eindrucksvoll belegte. Er berichtete unter anderen, dass Sonderprüfer bei grenzüberschreitenden Leistungsbeziehungen das Umsatzsteuerrecht so anwende, dass in Deutschland teilweise kein Vorsteueranspruch mehr bestehe.
Auch bei Herstellerrabatten und nach dem Jahreswechsel gebuchten Dezember-Rechnungen schauen Umsatzsteuer-Sonderprüfer nach seiner Erfahrung besonders genau hin.
Daran anknüpfend widmeten sich Ute Thiwissen (Leiterin Finanzbuchhaltung bei der Arkema GmbH) und PwC-Partnerin Sounia Kombert weiteren Problemfeldern im Bereich der Umsatzsteuer – allen voran sogenannten „Reihengeschäften“, bei denen eine Ware über mehrere Zwischenhändler zum Endkunden gelangt. Nach einem EuGH-Urteil bestehe hier erhebliche Rechtsunsicherheit, welche der Teillieferungen umsatzsteuerfrei sei.
Die zahlreichen Steuerthemen der Branche zeigen, dass effektive interne Kontrollsysteme von großer Bedeutung sind, um Fehler und Dokumentationsschwächen zu vermeiden. Markus Pöllen (Senior Manager bei PwC in Köln) und Thomas Lühr (Head of Tax bei Novartis Deutschland), skizzierten, was beim Aufbau eines „Tax Compliance Management Systems“ (Tax-CMS) in den Unternehmen zu beachten ist und welche bestehenden Strukturen und Prozesse genutzt werden können.
Ein zusätzliches Argument für ein Tax-CMS dürfte in Kürze das Bundesfinanzministerium (BMF) liefern: Laut Pöllen und Lühr ist bereits in den nächsten Wochen mit dem endgültigen BMF-Schreiben zur Abgrenzung zwischen der Berichtigung einer Steuererklärung und einer strafbefreienden Selbstanzeige zu rechnen (der Entwurf liegt bereits seit Juli 2015 vor).
Darin werden die Ministerialbeamten aller Voraussicht nach klarstellen, dass bei Fehlern in einer Steuererklärung ein funktionierendes Tax-CMS ein Indiz gegen Vorsatz bzw. Leichtfertigkeit sein kann. Es würde somit die Gefahr verringern, dass die Behörden eine Berichtigung nicht als Selbstanzeige mit strafbefreiender Wirkung werten, sondern Steuer-Strafverfahren gegen Organmitglieder und andere Verantwortliche führen.
Die Hamburger PwC-Partnerin Eva Rehberg wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das Thema Zölle beim Aufbau eines Tax-CMS keinesfalls außen vor gelassen werden dürfe. Denn Auseinandersetzungen mit Zöllnern haben bisweilen ebenfalls unangenehme steuerstrafrechtliche Folgen. Außerdem sei das Fehler-Risiko deutlich gestiegen, seit am 1. Mai der neue EU-Zollkodex in Kraft getreten sei, der zahlreiche Änderungen enthält.