Ein Interview mit Cosma Nouschirvan (Senior Manager bei PwC Deutschland) und Sascha Stürze (CPO der Analyx GmbH) über Marketing Mix Modeling (MMM) als Methode der Wahl, um CFOs die Effektivität des Budgets nachzuweisen und knappe Budgets über Werbekanäle, Produktgruppen, Marken und sogar Länder hinweg zu optimieren. Im Interview erläutern Cosma und Sascha, die regelmäßige, praktische Anwendung moderner MMMs und deren Integration in Planungsprozesse - vom Mittelstand bis zum Großkonzern.
Über die Gesprächspartner:
Cosma Nouschirvan ist Senior Managerin bei PwC Deutschland. Zu ihren Fachgebieten gehören Customer Relationship Management, Customer Data Platforms, 1st Party Data Strategy, Customer Scoring, Reporting und andere Elemente, die darauf abzielen, die Marketingeffizienz von Unternehmen zu verbessern. In ihrer Rolle als Projektmanagerin hat sie nachweislich umfangreiche Erfahrung in der erfolgreichen Leitung, Implementierung und Durchführung von Projekten.
Sascha Stürze arbeitet seit 20 Jahren daran, Data Science zu einem Standardwerkzeug in den Vorstandsetagen europäischer Unternehmen zu machen. Sein Schwerpunkt liegt dabei auf der nachhaltigen Optimierung von Marketing- und Vertriebsentscheidungen. Er hat insgesamt bereits acht Unternehmen für Marketing-Analytik und KI aufgebaut. Sascha Stürze ist der CPO der Analyx GmbH. In dieser Funktion hat er u.a. mit zehn der DAX40-Unternehmen zusammengearbeitet.
Chief Marketing Officers (CMOs) und Chief Financial Officers (CFOs) stehen häufig vor der Herausforderung einer Optimierung von Marketingbudgets, um den Return on Investment (ROI) zu maximieren. Eine effiziente Ressourcenallokation und eine genaue Wirkungsmessung erfordern ein tiefes Verständnis des Marketing Mix Modelings (MMM) und Advanced Analytics.
Die Optimierung von Marketingbudgets ist für die Maximierung des ROI von entscheidender Bedeutung, bringt jedoch eine Reihe von Herausforderungen mit sich. Was sind die größten Herausforderungen bei der Optimierung von Marketingbudgets?
Cosma Nouschirvan: Eine der größten Herausforderungen ist die Fragmentierung der Daten über mehrere Plattformen hinweg und das Fehlen einer konsistenten Medientaxonomie, wodurch eine einheitliche Sicht auf die Marketingleistung problematisch wird. Verschiedene Plattformen haben oft ihre eigenen Kennzahlen und Reporting-Standards, was eine effektive Konsolidierung und Analyse der Daten erschwert. Hinzu kommt, dass das sich schnell ändernde Verbraucherverhalten und die Verbreitung digitaler Kanäle eine Analyse in Echtzeit und eine kontinuierliche Anpassung erfordern. Unternehmen müssen flexibel sein, um mit diesen Veränderungen Schritt zu halten und ihre Marketingstrategien rechtzeitig anpassen zu können.
Sascha Stürze: Ich stimme dem zu. Eine weitere große Herausforderung ist die Isolierung der Auswirkungen des Marketings auf den Umsatz. Rein digitale Attributions- und traditionelle "MMM 1.0"-Modelle haben oft Schwierigkeiten, die komplexen Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Marketingkanälen und externen Einflussfaktoren zu erfassen - was zu einer suboptimalen Budgetallokation führt. So ist beispielsweise die Auswirkung einer TV-Anzeige auf SEA-Klicks, die letztendlich zu Online-Verkäufen führen, nicht immer sofort erkennbar.
Wie kann Marketing Mix Modeling angesichts dieser Herausforderungen helfen, sie zu bewältigen?
Cosma Nouschirvan: MMM hilft bei der Optimierung des Marketingbudgets, indem es die Auswirkungen der verschiedenen Marketingaktivitäten durch eine statistische Analyse bewertet. Es quantifiziert den Beitrag jedes Kanals und ermöglicht es Unternehmen, fundiertere Entscheidungen über die Budgetverteilung zu treffen. Indem Unternehmen verstehen, welche Kanäle den größten Wert schaffen, können sie ihre Budgets entsprechend umverteilen, um sich auf die leistungsstarken Bereiche zu konzentrieren. Darüber hinaus kann MMM abnehmende Investitionsrenditen identifizieren und Unternehmen helfen, überhöhte Ausgaben für weniger effektive Kanäle zu vermeiden. Dadurch wird die gesamte Marketingstrategie effizienter und auf die Unternehmensziele abgestimmt.
Sascha Stürze: MMM 2.0 geht noch einen Schritt weiter, indem es nicht nur die Auswirkungen verschiedener Marketingmaßnahmen isoliert und dabei Faktoren wie Saisonalität und externe Marktbedingungen berücksichtigt. Sondern auch, indem der mittelfristige Einfluss „via“ Marke explizit berücksichtigt wird und das Ganze nicht nur zur Mediaoptimierung, sondern zur optimierten Budgetverteilung über Marken, Produktgruppen und sogar Länder Anwendung finden kann. Diese granulare Analyse liefert verwertbare Erkenntnisse, die zur Umverteilung von Budgets auf die effektivsten Kanäle genutzt werden können. Ein MMM könnte zum Beispiel zeigen, dass Display-Anzeigen kurzfristig eine bessere Leistung erbringen, aber wenn man die mittelfristige Wirkung berücksichtigt, könnte lineares Fernsehen viel relevanter werden. So können Unternehmen ihre Ausgaben entsprechend anpassen.
Unsere Lösung nutzt solche fortschrittlichen MMM-Techniken, um CMOs zu helfen, entweder den ROI zu maximieren oder - was noch wichtiger ist - die mittelfristige Wertschöpfung zu maximieren.
Advanced Analytics ist zu einem Eckpfeiler der Marketingstrategien geworden. Welche Rolle spielt die Advanced Analytics bei der Steigerung der Marketingeffizienz?
Cosma Nouschirvan: Advanced Analytics verändert die Marketingeffizienz, indem sie über grundlegende Leistungskennzahlen hinausgeht und zu anspruchsvolleren prädiktiven und präskriptiven Analysen übergeht. Durch den Einsatz von maschinellem Lernen und Big Data können Unternehmen verborgene Muster und Trends aufdecken, die nicht sofort offensichtlich sind. Dies ermöglicht eine strategischere Entscheidungsfindung, z.B. die Vorhersage des zukünftigen Kundenverhaltens oder die Identifizierung der effektivsten Marketingkanäle. Fortgeschrittene Analysen helfen auch bei der genaueren Segmentierung des Publikums und ermöglichen so personalisierte Marketingkampagnen, die bei verschiedenen Kundensegmenten besser ankommen.
Sascha Stürze: Advanced Analytics ermöglicht auch die dynamische Überwachung und Optimierung von Marketingaktivitäten. Der Begriff „Echtzeit“ würde zu weit gehen, aber unsere Lösung zum Beispiel ist so konzipiert, dass es "agile Budgetierung" unterstützt: In der Vergangenheit wurden MMMs häufig verwendet, um die historische Effektivität zu bewerten. Heute liegt der Schwerpunkt auf der Bereitstellung von höherfrequenten Insights und Optimierungsempfehlungen beispielsweise monatlich. So können Unternehmen schnell auf veränderte Marktbedingungen und Verbraucherverhalten reagieren. Ganz gleich, ob es sich um die Optimierung der nächsten Kampagne oder die Reallokation von Budgets als Reaktion auf Performance-Daten handelt. Die fortschrittliche Analytik stellt dabei sicher, dass die Marketingbemühungen immer auf die aktuellen Marktgegebenheiten abgestimmt sind. Dieses Maß an Flexibilität und Präzision ist entscheidend, um in der heutigen schnelllebigen digitalen Landschaft einen Wettbewerbsvorteil zu behalten.
In der Tat, in der Vergangenheit waren MMMs eher starre Konstrukte. Moderne MMMs sind flexibler und können leicht angepasst werden. Wie können Unternehmen sicherstellen, dass ihre MMM-Modelle im Laufe der Zeit relevant bleiben? Wie oft ist es ratsam, Anpassungen vorzunehmen?
Cosma Nouschirvan: Um sicherzustellen, dass MMM-Modelle im Laufe der Zeit relevant bleiben, müssen Unternehmen einen proaktiven Ansatz für das Datenmanagement und die Marktanalyse wählen. Dazu gehört die regelmäßige Aktualisierung des Modells mit frischen Daten und die Einbeziehung neuer Variablen, die aktuelle Markttrends und das Verbraucherverhalten widerspiegeln. Was die Häufigkeit betrifft, so würde ich den meisten Unternehmen eine vierteljährliche Überprüfung empfehlen. So haben Sie genug Zeit, um aussagekräftige Daten zu sammeln und Markttrends zu beobachten. Für Unternehmen, die in sehr volatilen Branchen tätig sind, könnten jedoch häufigere Anpassungen - wie bespielsweise monatliche Überprüfungen und quartalsweise Rekalibrierung der Modelle - notwendig sein, um agil und reaktionsfähig zu bleiben.
Sascha Stürze: Wenn wir uns unseren Kundenstamm ansehen, stellen wir einen immer häufigeren Aktualisierungszyklus fest. Als Best Practice Anspruch geht es dabei um wöchentliche Datenaktualisierungen, um die Wirksamkeit von Kampagnen in Echtzeit zu verfolgen. Vor allem aber geht es um vierteljährliche Modellaktualisierungen, um Veränderungen in der Kanaleffizienz zu ermitteln und die Marketingpläne entsprechend anzupassen. Im Kern ist das Ziel, MMM zu einem Teil der operativen Entscheidungsfindung zu machen und nicht zu einem "rückwärtsgewandten Werkzeug".
Die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Unternehmen kann oft zu umfassenderen Lösungen führen. Wie funktioniert Ihre gemeinsame Zusammenarbeit und welchen Mehrwert bietet sie?
Cosma Nouschirvan: Wenn ein Unternehmen mit dem Wunsch nach MMM an uns herantritt, beginnen wir mit einem umfassenden Beratungsauftrag. Dazu gehört, dass wir die aktuelle Marketingstrategie, die Geschäftsziele und die betrieblichen Gegebenheiten verstehen. Wir konzentrieren uns zunächst auf die Diagnose der Problembereiche und die Identifizierung der wichtigsten Ziele, die das Unternehmen erreichen möchte. Anschließend arbeiten wir eng mit Analyx zusammen, um die erforderlichen Daten zu sammeln und zu analysieren. Diese Partnerschaft ermöglicht es uns, das technische Fachwissen von Analyx zu nutzen, während wir die strategische Aufsicht übernehmen und sicherstellen, dass die Lösungen mit den allgemeinen Geschäftszielen des Kunden übereinstimmen.
Sascha Stürze: Die Partnerschaft mit PwC ermöglicht es uns, uns auf unsere Kernkompetenzen zu konzentrieren, nämlich: Daten, Modellierung und Self-Service-Software zur Budgetoptimierung. Sobald wir die Daten haben, setzen wir unsere Lösung ein, die darauf ausgelegt ist, MMMs in einem globalen Maßstab einzusetzen. Die meisten unserer Kunden sind multimarken-, produkt- und länderübergreifende Unternehmen, die einen weltweit einheitlichen Ansatz benötigen. Die aus unseren Tools gewonnenen Erkenntnisse bieten dann die Grundlage für PwC, dieses in Projekten aufzugreifen und einzubetten. Dies ermöglicht eine verbesserte Marketingstrategie, die in Prozessverbesserungen eingebettet ist - denken Sie nur an die verbesserten Planungsprozesse, an denen der Kunde, unsere Lösung und die Medienagentur(en) beteiligt sind. Die Zusammenarbeit mit den PwC-Berater:innen stellt sicher, dass der Kunde nicht nur weiß, wofür er seine Marketingausgaben einsetzen soll, sondern auch, wie er diese Änderungen in seinem Unternehmen in einem verbesserten Target Operating Model (TOM) effektiv umsetzen kann. Der Wert dieser gemeinsamen Zusammenarbeit liegt in der Kombination von strategischer Beratung mit Advanced Analytics, die zu umsetzbaren Insights und damit zu besseren Geschäftsergebnissen führen.
Können Sie ein Beispiel für ein erfolgreiches gemeinsames Projekt nennen?
Cosma Nouschirvan: Auf jeden Fall. Bei einem unserer gemeinsamen Projekte mit Analyx ging es um den Einsatz von MMM zur Optimierung der Medienbudgetallokation eines Kunden auf dem Schweizer Markt. Hierfür kombinierten wir die Marketing Cloud Intelligence (MCI) von Salesforce mit der MMM-Lösung von Analyx. Wir begannen damit, MCI zu nutzen, um Marketingdaten über mehrere Kanäle hinweg zu sammeln und zu harmonisieren, und erstellten eine globale Klassifizierungsstrategie, um die Konsistenz und Vergleichbarkeit der Daten zu gewährleisten. Dies verbesserte die Automatisierung und Effizienz und führte zu einer Steigerung der Effizienz des Marketingbudgets um 20 %.
In der zweiten Phase luden wir den harmonisierten Datensatz zur Analyse in das MMM von Analyx hoch, um die Lead-Generierung zu optimieren. Mit Analyx MMM konnten wir Was-wäre-wenn-Analysen durchführen und den optimalen Budgetmix bestimmen. Die Analyse ergab, dass LinkedIn Ads der effektivste Kanal ist. Analyx MMM empfahl, das Budget für LinkedIn Ads um 29 % zu erhöhen, SEA um 11 % und die programmatische Werbung um 50 % zu reduzieren, was zu einem Anstieg neuer Leads führte, ohne das Gesamtbudget zu erhöhen. Dabei handelte es sich nicht einmal um ein "klassisches" B2C-Beispiel, sondern um ein komplexeres B2B-Marketingprojekt. Die Zusammenarbeit verschaffte uns verwertbare Erkenntnisse und einen soliden Rahmen für datengesteuerte Entscheidungen. Die Kombination von MCI und Analyx MMM ermöglichte einen umfassenden Echtzeit-Überblick über die Marketingleistung des Kunden, wodurch die Strategien effektiv optimiert werden konnten.
Sascha Stürze: Zu betonen ist bei solchen gemeinsamen Projekten eben auch, dass es mit der Hilfe von PwC gelingt, die Sprache der „CMO-Berichtslinie“ und der „CFO-Berichtslinie“ gleichermaßen fließend zu sprechen und damit möglicherweise auch ein paar Brücken zu bauen, wo vorher erhebliche Barrieren existierten.
Die Verbesserung der Marketingeffizienz ist ein wichtiges Ziel für viele Unternehmen. Welchen Rat würden Sie abschließend Unternehmen geben, die ihre Marketingeffizienz verbessern möchten?
Sascha Stürze: Mein wichtigster Ratschlag wäre, eine datengestützte Entscheidungsfindung auf strategischer Ebene einzuführen - ohne dabei die menschliche Intuition aus den Augen zu verlieren. Denken Sie darüber nach: Wenn Sie 6 Produktmarken, 20 Medienkanäle, 5 Länder und 4 Quartale pro Jahr haben, dann trifft Ihr Unternehmen jährlich 2.400 Budgetentscheidungen, bewusst oder unbewusst! Sich allein auf seine Intuition zu verlassen, reicht in einer so komplexen und schnelllebigen Marketinglandschaft nicht mehr aus. MMMs können wertvolle Erkenntnisse liefern, die mit Benchmarks und anderen Heuristiken nicht möglich sind. Durch die Nutzung solcher Erkenntnisse können Unternehmen fundierte Entscheidungen darüber treffen, wo sie ihre Marketingbudgets am effektivsten einsetzen - und so mittelfristig zur Wertschöpfung beitragen!
Cosma Nouschirvan: Ich stimme der Relevanz datengesteuerter Entscheidungsfindung vollkommen zu. Ich möchte jedoch hinzufügen, dass ein integrierter Ansatz entscheidend ist. Es reicht nicht aus, nur die richtigen Erkenntnisse zu haben - Sie müssen sicherstellen, dass diese Erkenntnisse mit Ihrer Gesamtstrategie im Einklang sind und in Ihrem Unternehmen effektiv umgesetzt werden. Dazu müssen Sie die Silos zwischen den Abteilungen aufbrechen und sicherstellen, dass alle auf derselben Seite stehen. Die Erkenntnisse sollten in die übergeordnete Unternehmensstrategie integriert und so umgesetzt werden, dass sie echte Veränderungen bewirken. Hier kann die Zusammenarbeit mit einem Beratungsunternehmen wie PwC einen entscheidenden Unterschied machen.
Wir helfen Unternehmen nicht nur beim Sammeln und Analysieren von Daten, sondern auch bei der Übersetzung dieser Erkenntnisse in umsetzbare Strategien, die mit ihren Geschäftszielen übereinstimmen und eine effektive Implementierung gewährleisten.