NIS-2: Anforderungen an die Entsorgung von Siedlungsabfall

Ihr Experte für Fragen

Johann Hartl

Johann Hartl
Senior Manager bei PwC Deutschland
Tel.: +49 151 25913516
E-Mail

Was NIS-2 für die Cybersicherheit der Abfallwirtschaft bedeutet

Eine funktionierende Abfallentsorgung ist ein essenzieller Bestandteil des öffentlichen Lebens und eines funktionierenden Gemeinwesens. Daher fällt die Entsorgung von Siedlungsabfall wie Restmüll, Biomüll, Papier, Glas oder Sperrmüll ab dem 1. Januar 2024 offiziell unter den KRITIS-Schirm und gilt als Kritische Infrastruktur. Damit ist die Abfallwirtschaft auch von den Anforderungen des BSIG betroffen. Erschwerend kommt hinzu, dass auch kleinere Unternehmen ab 50 Mitarbeitenden des Sektors Siedlungsabfallentsorgung von der NIS-2 betroffen sind. Genauer: vom Gesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinie 2016/1148 über Maßnahmen zur Gewährleistung eines hohen gemeinsamen Cybersicherheitsniveaus in der Europäischen Union, kurz NIS-2UmsuCG.

Neben Personalausfällen drohen bei Cyber-Vorfällen in der Abfallverwertung und -beseitigung negative Auswirkungen. Hier gilt es, die Funktion des kritischen Sektors Abfallwirtschaft aufrechtzuerhalten und dafür digitale Dienste und Komponenten richtig zu sichern – darauf zielt die Ausweitung des KRITIS-V- und des NIS-2-Anwendungsbereichs ab.

„NIS-2 nimmt nun auch Abfallwirtschaftsbetriebe in die Pflicht, die eigene Cyberresilienz zu stärken und Maßnahmen zu ergreifen, um bei Angriffen den Betrieb aufrechtzuerhalten und Vorfälle zu dokumentieren. In Anbetracht der gesellschaftlichen Funktion des Sektors ist das ein wichtiger Schritt.“

Johann Hartl,Senior Manager bei PwC Deutschland

Wir geben Ihnen einen Überblick, welche Anforderungen der Gesetzgeber zukünftig an Ihr Unternehmen stellt und welche Schritte notwendig sind, um die NIS-2-Richtlinie erfolgreich umzusetzen.

Anlagekategorien und Schwellenwerte

Kontaktieren Sie uns

Die Anforderungen auf einen Blick

Unternehmen der Abfallwirtschaft wurden in den letzten Jahren zunehmend von Cyberangriffen überrascht. Insbesondere Müllheizkraftwerke sind häufig dabei betroffen, da ein Ausfall der Stromerzeugung weitreichende Auswirkungen auf die Gesellschaft haben kann und die Nutzung von veralteten Systemen in den Anlagen einen Angriff erleichtert. Dabei können Anlagensteuerungen übernommen und somit Mitarbeitende in Gefahr gebracht werden. Es entstehen längere Ausfallzeiten. Folglich steigen die Unternehmenskosten durch die fehlende Auslastung, Aufwände für Reparaturen und den Wiederanlauf.

Mit der Erweiterung der NIS-2-Richtlinie und dem IT-Sicherheitsgesetz zählt nun auch die Siedlungsabfallentsorgung zum KRITIS-Bereich. Bis zum 17. Oktober 2024 müssen die EU-Mitgliedstaaten die NIS-2-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt haben. NIS-2 fordert nicht nur den Aufbau eines Risikomanagements im gesamten Unternehmen, sondern berücksichtigt dabei zusätzlich auch die gesamten Anlagen zur Müllverarbeitung. So sollen Störungen, Ausfälle und damit verbundene hohe Kosten somit und die Stromversorgung für die Gesellschaft besser abgesichert werden. Diese konkreten Pflichten kommen auf betroffene Unternehmen zu:

Betreiber kritischer Anlagen müssen diese sofort beim BSI registrieren. Für wichtige Einrichtungen, zu denen Abfallwirtschaftsbetriebe gehören, gilt eine Registrierungspflicht innerhalb der ersten drei Monate nach Betroffenheitsbeginn. Andernfalls drohen Bußgelder.

Das BSI kann die konkreten Nachweisverfahren festlegen, zum Beispiel in Form von Sicherheitsaudits, Zertifizierungen oder Prüfungen. Auch der Termin wird für Betreiber kritischer Anlagen festgelegt und erfolgt in regelmäßigen Abständen von drei Jahren.

Bei Sicherheitsvorfällen muss ein vierstufiges Modell über Meldezeitpunkte eingehalten werden. Die Fälle werden an das BSI und das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) gemeldet.

Abfallwirtschaftsbetriebe müssen bei einem erheblichen Sicherheitsvorfall ihre Kunden informieren.

Mit der Einführung der neuen EU-Richtlinie NIS-2 treten auch EU-weite, harmonisierte Schwellenwerte in Kraft. Diese legen fest, wann eine Abfall-Anlage als kritisch angesehen wird.

Konkret müssen Betreiber einer Siedlungsabfallanlage den Versorgungsgrad ihrer Anlage für das zurückliegende Kalenderjahr jeweils bis zum 31. März des Folgejahres ermitteln.

Ergänzung der KRITIS V mit dem neuen Sektor Siedlungsabfallentsorgung samt Anlagenkategorien und Schwellenwerten

Nr. Anlagekategorie Bemessungskriterium Schwellenwert
1. Sammlung und Beförderung    
1.1 Anlage zur Disposition der Siedlungsabfall-sammlung oder -beförderung Anzahl versorgter Einwohner 500.000
    gesammelter oder beförderter Rest- oder gemischter Gewerbeabfall in t/Jahr 79.500
    gesammelter oder beförderter Bioabfall in t/Jahr 33.500
    gesammelter oder beförderter LVP- und Kunst-stoffabfall in t/Jahr 18.500
    gesammelter PPK-Abfall in t/Jahr oder  32.500
    gesammelter Glasabfall in t/Jahr 12.000
1.2 Anlage zur Lagerung, Zwischenlagerung und Umladung von Siedlungsabfällen Zugang an Rest- oder gemischtem Gewerbeabfall in t/Jahr 79.500
    Zugang an Bioabfall in t/Jahr oder 33.500
    Zugang an LVP- und Kunststoffabfall in t/Jahr 18.500
2. Verwertung und Beseitigung    
2.1 Anlage zur thermischen Behandlung von Siedlungsabfällen Genehmigte Behandlungskapazität von Rest- oder gemischtem Gewerbeabfall in t/Jahr 79.500
2.2 Anlage zur mechanisch-biologischen oder mechanisch-physikalischen Behandlung von Siedlungsabfällen Genehmigte Behandlungskapazität von Rest- oder gemischtem Gewerbeabfall in t/Jahr 79.500
2.3 Anlage zur biologischen Behandlung von Siedlungsabfällen Genehmigte Behandlungskapazität von Bioabfall in t/Jahr 33.500
2.4 Anlage zur mechanischen Behandlung von Siedlungsabfällen Genehmigte Behandlungskapazität von Rest- oder gemischtem Gewerbeabfall in t/Jahr 79.500
2.5 Anlage zur Sortierung von Siedlungsabfällen Genehmigte Behandlungskapazität von Rest- oder gemischtem Gewerbeabfall in t/Jahr oder 79.500
    Genehmigte Behandlungskapazität von LVP- und Kunststoffabfall in t/Jahr 18.500
NIS – Bundesvereinigung Deutscher Stahlrecycling- und Entsorgungsunternehmen e.V. (BDSV)
PwC
Quelle: BMI Referentenentwurf

Cyber Security prüfen

Mehrstufiges Meldeverfahren bei Sicherheitsvorfällen

Stufe 1: Frühe Erstmeldung

Bei Verdacht auf einen erheblichen Sicherheitsvorfall, rechtswidrige oder böswillige Handlungen oder grenzüberschreitende Auswirkungen muss der Abfallbetrieb unverzüglich und spätestens innerhalb von 24 Stunden tätig werden.

Stufe 2: Bestätigende Erstmeldung

Unverzüglich, aber spätestens nach 72 Stunden müssen Betreiber einen erheblichen Sicherheitsvorfall melden. Dazu gehört, die Informationen aus Stufe 1 zu bestätigen oder zu aktualisieren. Außerdem müssen sie eine erste Bewertung abgeben und dabei Schweregrad, Auswirkung und, wenn möglich, Indikatoren der Kompromittierung einschätzen.

Stufe 3: Zwischenmeldung

Falls vom BSI angefordert, muss der Betreiber eine Zwischenmeldung abgeben, in der er über relevante Statusaktualisierungen berichtet.

Stufe 3a: Fortschrittsmeldung

Dauert der Sicherheitsvorfall nach Stufe 2 noch weiter an, müssen Betreiber eine Fortschrittsmeldung anstelle einer Abschlussmeldung abgeben.

Stufe 4: Abschlussmeldung

Spätestens einen Monat nach der Meldung gemäß Stufe 2 muss die Abschlussmeldung erfolgen. Diese enthält eine ausführliche Beschreibung des Vorfalls, erklärt den Schweregrad und die Auswirkungen der Störung und definiert die Art der Bedrohung bzw. Ursache. Zusätzlich enthält die Meldung Abhilfemaßnahmen gegen entsprechende künftige Ausfälle.

Umfassendes Risikomanagement

Damit es möglichst nicht zu meldepflichtigen Ausfällen kommt, sind Abfallwirtschaftsbetriebe dazu verpflichtet, technische und organisatorische Sicherheitsmaßnahmen zu etablieren, die wirksam und verhältnismäßig sind. Sie müssen auf dem neuesten Stand der Technik sein und sollten sich am IT-Grundschutz des BSI orientieren. 

Innerhalb der Abfallwirtschaft drohen insbesondere in der Abfallverwertung und -beseitigung technische Störungen, beispielsweise in Müllverbrennungsanlagen oder auf Recyclinghöfen. Hier ist es entscheidend, dass ein konkretes Risikomanagement etabliert ist. Dieses umfasst Risikoanalysen, die Sicherheit der Lieferkette, Cyberhygiene und Schulungen ebenso wie Konzepte für die Zugriffskontrolle und eine Multi-Faktor-Authentifizierung.

Stand der Technik: Beispiel Multi-Faktor-Authentifizierung oder kontinuierliche Authentifizierung und gesicherte Kommunikation – die Anforderungen des BSI-IT Grundschutz

Baustein Anforderungstyp Anforderung
ORP4 Basis Regelung für die Einrichtung und Löschung von Benutzenden und Benutzendengruppen
  Basis Einrichtung, Änderung und Entzug von Berechtigungen
  Basis Dokumentation der Benutzendenkennungen und Rechteprofile
  Basis Aufgabenverteilung und Funktionstrennung
  Basis Vergabe von Zutrittsberechtigungen
  Basis Vergabe von Zugangsberechtigungen
  Basis Vergabe von Zugriffsrechten
  Basis Regelung des Passwortgebrauchs
  Basis Identifikation und Authentisierung
  Basis Regelung zur Passwortqualität
  Basis Regelung für passwortverarbeitende Anwendungen und IT-Systeme
  Standard Schutz von Benutzendenkennungen mit weitreichenden Berechtigungen
  Standard Entwicklung eines Authentisierungskonzeptes für IT-Systeme und Anwendungen
  Standard Geeignete Auswahl von Authentisierungsmechanismen
CON.1 Basis Auswahl geeigneter kryptografischer Verfahren
  Basis Datensicherung beim Einsatz kryptografischer Verfahren
CON.9 Basis Geeignetes Schlüsselmanagement
  Basis Festlegung zulässiger Empfangender
  Basis Regelung des Informationsaustausches
  Basis Unterweisung des Personals zum Informationsaustausch
NET.4.1 Basis Anforderungsanalyse und Planung für TK-Anlagen
  Basis Auswahl von TK-Diensteanbietenden
  Basis Protokollierung bei TK-Anlagen
  Standard Notfallvorsorge für TK-Anlagen
  Standard Notrufe bei einem Ausfall der TK-Anlage
Follow us

Contact us

Johann Hartl

Johann Hartl

Senior Manager, PwC Germany

Tel: +49 151 25913516

Mailin von Knobelsdorff

Mailin von Knobelsdorff

Manager, PwC Germany

Hide