Die Fusions- und Übernahmeaktivitäten (M&A) sowie die Unternehmensbewertungen in der Gesundheitsbranche bleiben auf einem hohen Niveau. Auf eine Abschwächung im Jahr 2022 deutet derzeit nichts hin.
Pharma & Life Sciences (Pharmaceuticals and Life Sciences, PLS) sowie Gesundheitsdienstleistungen (Health Care Services, HCS) waren im Jahr 2021 einer der Interessensschwerpunkte von Investor:innen. Im Fokus standen Innovationen in der Biotechnologie und bei Patientendienstleistungen – insbesondere solche, die einen Zugang zu neuen Technologien wie mRNA und Gentherapie eröffnen. Deshalb gehen wir davon aus, dass die M&A-Aktivitäten und Bewertungen im laufenden Jahr 2022 weiter zunehmen werden – zumal die Menge an verfügbarem Kapital nach wie vor groß ist.
Nach wie vor rege ist der Wettbewerb zwischen großen Pharmazieunternehmen und institutionellen Anlegern – etwa Risikokapitalinvestor:innen (VC), Börsengänge (IPOs) –, insbesondere bei mittelgroßen Biotech-Plattformen. Wie wir in unserem Halbjahres-Update vorausgesagt haben, optimieren traditionelle Pharmaunternehmen ihre Portfolios, indem sie sich von Vermögenswerten trennen, die nicht zum Kerngeschäft gehören. Damit wollen sie Kapital generieren, um es in Innovationen zu investieren und um und Lücken in ihren Portfolios zu schließen.
Die Bewertungen möglicher Übernahmeziele steigen weiter. Deshalb müssen Käufer:innen besonders genau analysieren, wie sie nach Abschluss einer Transaktion deren Wert steigern möchten.
Klar ist: Unternehmen, die diesen Aspekt vernachlässigen, werden die gewünschten Renditen nur schwerlich erzielen können; dies ist nur mit einer durchdachten, vorausschauenden Planung möglich.
Die folgenden Bereiche werden in den kommenden sechs bis zwölf Monaten zu den Hotspots für M&A-Aktivitäten gehören:
Pharma & Life Sciences (PLS)
Gesundheitsdienstleistungen (HCS)
Die Transaktionsvolumina und -werte im Gesundheitssektor sind von 2020 bis 2021 um 32 Prozent bzw. 65 Prozent gestiegen. Der Zuwachs bei den Transaktionswerten lag insbesondere daran, dass im Jahr 2021 18 Megadeals mit einem Wert von fünf Milliarden US-Dollar oder mehr stattfanden, gegenüber sechs im Jahr 2020. In der Gesundheitsbranche fanden außerdem vermehrt Fusionen und Übernahmen von PE-Fonds statt. Auf sie entfielen 2021 49 Prozent des Transaktionsvolumens und 54 Prozent des Transaktionswerts – ein deutlicher Anstieg gegenüber dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre (33 Prozent bzw. 28 Prozent).
Das Kapital der Investor:innen fließt vornehmlich in innovative Therapien. Sie wollen vor allem Unternehmen übernehmen, die sich auf Zell- und Gentherapien, mRNA und digitale Analysemöglichkeiten spezialisiert haben.
Größere strategische Akteur:innen, insbesondere Pharmakonzerne, trennen sich weiterhin von Geschäftseinheiten, die nicht zum Kerngeschäft gehören. Stattdessen konzentrieren sie sich darauf, spezifische Plattformen aufzubauen. Wir werden voraussichtlich mehr Veräußerungen von verbraucherorientierten Geschäftssparten (etwa rezeptfreie Produkte) und mehr Übernahmen von Spezialpharma-Entwickler:innen, Auftragsentwicklungs- und -herstellungsunternehmen sowie von Auftragsforschungsinstituten beobachten.
Die fortschreitende Digitalisierung von Geschäftsmodellen in den Pharma & Life Sciences (PLS) und Gesundheitsdienstleistungen (HCS) trifft auf digitale Analysetechnologien, intelligente Gesundheitsgeräte, Software für die Praxisverwaltung und verbraucherorientierte Bereitstellungsmodelle. Dies sind die wesentlichen Treiber für branchenübergreifende Transaktionen, zumal etablierte Akteur:innen ihre Geschäftsmodelle laufend modernisieren.
Deshalb erwerben PLS- und HCS-Unternehmen zunehmend Technologieunternehmen oder gehen Partnerschaften mit ihnen ein, um digitale Lösungen zu nutzen. Diese verwenden sie, um große Mengen von Patientendaten auszuwerten und zu monetarisieren, um bessere (Kunden-)Interaktionen zu ermöglichen und um Kostenträgern, Leistungserbringern und Verbrauchern einen persönlicheren Ansatz zu bieten.
Der Gesundheitssektor erfüllt zunehmend die Anforderungen, die Investor:innen, staatliche Institutionen und weitere Stakeholder in puncto Umwelt, Soziales und Unternehmensführung an ihn stellen. Insofern bietet das Gesundheitswesen zunehmend attraktive Chancen für Investitionen, die einen positiven Beitrag zu globalen gesellschaftlichen Herausforderungen leisten. Gemäß unserer Analyse nehmen Investor:innen eine Reihe von ESG-Themen in ihre Due-Diligence-Prozesse und Geschäftsmodelle auf, darunter die folgenden:
Die deutschen M&A-Trends und -Schwerpunktthemen ähneln stark der globalen M&A-Landschaft. So war 2021 ein starkes Jahr für M&A-Aktivitäten im Gesundheitswesen: Gegenüber 2020 stiegen die Transaktionsvolumina von PLS und HCS um 25 bzw. 24 Prozent. Allerdings fanden auf dem deutschen Markt 2021 keine Megadeals statt.
Wie auf dem globalen M&A-Markt konkurrieren auch im deutschen Gesundheitssektor verschiedene Arten von Investor:innen um Anlageziele. Auch grenzüberschreitende Transaktionen sind weiterhin wichtig, weil 55 Prozent der Käufer:innen außerhalb Deutschlands und etwa 30 Prozent außerhalb der Europäischen Union (EU) ansässig sind.
Nach wie vor stark waren die M&A-Aktivitäten im Bereich Biotechnologie: 48 Transaktionen fanden dort 2021 statt, gegenüber ebenfalls starken 37 Transaktionen im Jahr 2020. Unternehmen in den Bereichen mRNA sowie Zell- und Gentherapien erzielen weiterhin hohe Bewertungen. Eine bemerkenswerte Transaktion im Jahr 2021 war die Übernahme des deutschen Blutprodukteherstellers Biotest durch dessen spanischen Wettbewerber Grifols.
Nach einem relativ ruhigen Jahr für Medizingeräte und -instrumente 2020 zogen die Dealaktivitäten 2021 deutlich an. Das Transaktionsvolumen war sogar größer als im sehr starken Jahr 2019. In dieser Sparte fanden hauptsächlich Übernahmen im Bereich chirurgischer und medizinischer Instrumente, Geräte und Zubehör (20 Deals) statt; hervorzuheben ist der Verkauf der Vision Ophthalmology Group von Stirling Square Capital Partners an das schwedische Medizintechnologieunternehmen Addlife im April 2021. Ein starkes Interesse bestand auch an Vermögenswerten im Bereich der analytischen Laborinstrumente, zum Beispiel wurde einer Investorengruppe eine Option auf den Erwerb einer 28-prozentigen Minderheitsbeteiligung an der Sartorius AG eingeräumt.
Die Anzahl der Transaktionen im Bereich Pharma blieb 2021 stabil (25 Transaktionen ggü. 24 Transaktionen 2020). Manche der vielen Transaktionen betrafen den Vertrieb, etwa der Verkauf von GEHE Pharma Handel von McKesson an Walgreens Boots sowie die geplante Abspaltung von Sandoz durch Novartis. Dies entspricht dem erwähnten globalen Trend, dass große Unternehmen sich von (verbraucherorientierten) Vermögenswerten trennen, die nicht zum Kerngeschäft gehören.
Interessanterweise fanden auch mehrere Transaktionen im Bereich Cannabinoide statt, zum Beispiel der Verkauf von C3 Cannabinoid Compound von Canopy Growth Corp. an Dermapharm oder die Übernahme der THCinol/CBDinol CanPharma GmbH durch Health House International. Diese Deals könnten auf einen sich abzeichnenden Trend hindeuten. Ob dies so eintrifft, hängt vor allem von gesetzgeberischen Entscheidungen der Bundesregierung ab.
Transaktionsvolumen im Gesundheitswesen (92 Transaktionen) waren hauptsächlich getrieben durch Transaktionen in den Bereichen Krankenhäuser (21) und Ärztegruppen (20). In Kombination mit mehreren Transaktionen bei der häuslichen Krankenpflege (9) und Pflegeeinrichtungen (8) schreitet die Konsolidierung, die bereits in den Vorjahren zu verzeichnen war, weiter voran.
Auch in den übrigen Bereichen des Gesundheitswesens (Laboratorien, Dialyse, Tierärzte und andere Gesundheitsdienstleistungen) fanden mehr Deals statt als 2020. Dies unterstreicht das starke Investoreninteresse am Gesundheitssektor.
Die Pharmaunternehmen Novartis, GlaxoSmithKline, Johnson & Johnson und Sanofi wollen ihre Consumer-Healthcare-Geschäfte in eigenständige börsennotierte Unternehmen ausgliedern. Dort erwarten wir 2022 entsprechend mehr Deals. Diese Spin-offs verfügen über Direct-to-Consumer-Fachwissen und können deshalb mit neuen Marketingkonzepten das Wachstum der Consumer-Healthcare-Marken ankurbeln. Als eigenständige Unternehmen haben sie das Potenzial, selbst zu bedeutenden M&A-Akteur:innen zu werden.
Um Wertsteigerungen zu erzielen, müssen Unternehmen die Digitalisierung nutzen und zum Beispiel digitale Lösungen für das Praxismanagement schneller einführen, um die Patient:innen in den Mittelpunkt der Patientenversorgung zu stellen. Die Coronavirus-Pandemie hat den Personalmangel noch einmal verschärft. Dies zwingt Gesundheitsdienstleister abermals zu mehr Effizienz durch digitale Lösungen, um die durch den Fachkräftemangel entstandene Lücke wenigstens etwas zu schließen.
Betrachtet man die gesamte M&A-Landschaft im Gesundheitssektor schreitet die Konsolidierung von Privatkliniken und spezialisierten Pflegedienstleistern voran, dazu zählen etwa spezialisierte Pflege- oder Altenpflege-Betreuungseinrichtungen, die nach wie vor auf verschiedene Märkte verstreut sind. Außerdem kann man die verstärkte Konzentration auf Produktivitätssteigerungen im gesamten Gesundheitswesen beobachten. Die grenzüberschreitende Expansion durch Fusionen und Übernahmen wird sich fortsetzen, sodass mehr transnationale Gesundheitsplattformen entstehen. Außerdem kommen die in den vergangenen Jahren durchgeführten Roll-up-Mergers auf den Markt, da einige Investor:innen ihre längerfristig gehaltenen Anteile jetzt veräußern.
Große Pharmaunternehmen werden weiterhin versuchen, außerbörslich gehandelte Plattformen und andere nicht zum Kerngeschäft gehörende Vermögenswerte zu veräußern, während sie mittelfristig ihre Portfolios mit mittelgroßen Biotech-Unternehmen anreichern. Wir rechnen auch mit weiteren M&A-Aktivitäten im Bereich von pharmazeutischen Wirkstoffen (Active Pharmaceutical Ingredients, API), um Schwachstellen bei der Beschaffung dieser Wirkstoffe zu beseitigen. Dazu werden einige Investor:innen API-Plattformen einrichten, die es Pharmaunternehmen ermöglichen sollen Produktionsstätten zu veräußern und dabei ihr unbewegliches Anlagevermögen zu reduzieren.
Der Erfolg der mRNA-COVID-Impfstoffe hat die breite Einführung dieser Technologie beschleunigt. Die Impfstoffanbieter, darunter das deutsche Unternehmen BioNTech, versuchen nun, in andere Bereiche zu expandieren. Sie entwickeln bereits mRNA-Impfstoffe für Krankheiten wie Grippe, Gürtelrose und HIV, aber auch für Krebs. Das Nachfragepotenzial ist gewaltig, Unternehmen, die hier mit Innovationen Produktionsengpässe beseitigen, werden zu besonders attraktiven Übernahmezielen.
„Wir gehen davon aus, dass die Dealaktivität auch 2022 hoch bleiben wird, weil viele Unternehmen versuchen werden, ihre Portfolios zu optimieren. Innovative Biotech- und Medizingeräteunternehmen werden weiterhin attraktive M&A-Ziele sein.“