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Enrico Reiche
Partner, Venture Deals Lead, PwC Deutschland
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Der deutsche Markt für Wagniskapital wird zunehmend anfällig. Dies zeigen einige der wichtigsten Marktkennzahlen: Sowohl die Anzahl als auch das Volumen der Transaktionen auf dem Venture-Capital-Markt sind im Jahr 2023 gegenüber 2022 deutlich zurückgegangen. Zahlreiche Indikatoren deuten auf eine nachlassende Widerstandsfähigkeit des Marktes hin: ein deutlicher Anstieg der Insolvenzen, ein kräftiger Rückgang der bei den Exits erzielten Preise sowie insgesamt weniger Unternehmensverkäufe und IPOs.
In der Folge senken die meisten Investoren ihre Ertragserwartungen für ihre Portfoliounternehmen und verhandeln die Beteiligungskonditionen intensiver: Bei wichtigen Parametern wie Investitionshöhe und Bewertung gibt es mehr Spielraum. Die Trends hin zu B2B-Geschäftsmodellen und Impact Investing setzten sich auch 2023 fort.
„Die geringeren Renditeerwartungen haben zugleich einen positiven Effekt: Investoren fokussieren zunehmend auf kapitaleffiziente, nachhaltige und langfristige Geschäftsmodelle.“
Angesichts der weiter gestiegenen geopolitischen Unsicherheiten und der nachlassenden Marktdynamik haben sich die wichtigsten Trends im deutschen Markt für Wagniskapital 2023 fortgesetzt.
Sowohl die Zahl der Transaktionen (ca. -40 %) als auch das Medianvolumen (ca. -54 %) sind im Jahr 2023 gegenüber 2022 deutlich zurückgegangen. Zugleich verzeichnet der VC-Markt einen deutlichen Anstieg bei den Insolvenzen, einen kräftigen Rückgang der erzielten Preise sowie deutlich weniger Unternehmensverkäufe und IPOs. Die befragten Investoren rechnen frühestens für die zweite Jahreshälfte 2024 damit, dass die IPO-Zahlen wieder steigen und sich der Markt insgesamt erholt.
Zwei der Folgen der derzeitigen Schwächephase sind längere Halteperioden sowie eine Zunahme von Brückenfinanzierungen seit Anfang 2022. 97,4 Prozent der Befragten nennen Convertibles als Instrument für Brückenfinanzierungen und damit deutlich mehr als Eigenkapital (63,2 %).
Aufgrund des schwächeren Umfelds für IPOs und Exits legen Investoren größeren Wert auf kapitaleffiziente (76 %), nachhaltige und dauerhafte Geschäftsmodelle. Die Bereiche Software Development/SaaS sind weiterhin wichtig für etwa drei Viertel der befragten Investoren. Die zunehmenden geopolitischen Unsicherheiten sowie die Anstrengungen im Kampf gegen die Klimakrise machen zudem Startups attraktiver, die in der Klimatechnologie, der Mobilität und Logistik oder der Bio- und Medizintechnologie aktiv sind. Einen deutlichen Zuwachs verzeichnen auch Impact Investments – vor allem mit Schwerpunkt auf Dekarbonisierung.
Die Nutzung von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen (Employee Stock Option Plans, „ESOPs“) hat zum zweiten Mal in Folge zugenommen, was die Bedeutung dieser Anreizsysteme für das Ökosystem unterstreicht.
„Im zunehmenden Wettbewerb um Spezialisten sind solche Programme entscheidend, um hochqualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen, zu binden und zu motivieren.“
Investoren nutzen die Internal Rate of Return („Interner Zinsfuß“, IRR), um die Renditen ihrer Portfolios und Firmen zu vergleichen. Dabei zeigt sich: Die erwartete IRR der Portfoliounternehmen ist gegenüber 2022 deutlich gesunken. Für Early-Stage-Investments beträgt sie durchschnittlich 31 Prozent (2022: 36 %), für Wachstums-Investments 25 Prozent (2022: 32 %). Lediglich der IRR für Late-Stage-Investments stieg von 24 auf 28 Prozent.
Auffällig: Corporate-VC-Investoren (CVCs) kalkulieren bei identischen Unternehmen mit einem um fünf Prozentpunkte geringeren IRR als VC-Investoren. Das könnte daran liegen, dass der strategische Wert der Investments die CVCs für den geringeren Finanzertrag kompensiert.
„Mit dem Rückgang von B2C- und der Zunahme von B2B-Geschäftsmodellen, die auch von Deep-Tech-Startups getrieben werden, gewinnt die Selektion der Startups für den Erfolg der Investoren an Bedeutung. Darüber hinaus steigt die Relevanz des Exit-Management bei den Investoren, aber in über 70 % der Fälle in allen Phasen ist ein Verkauf an den CVC oder dessen Mutter-Unternehmen nie oder nur selten vorgesehen.“
„Die geringeren Bewertungen bei Startups eröffnen neue Möglichkeiten, denn die Nachfrage und der Finanzierungsbedarf auf dem Markt sind nach wie vor hoch. Während sich andere Investoren zunehmend zurückhalten, entstehen so vor allem für CVCs mögliche Geschäfte und Investitionen, die vor zwei Jahren wegen des Überangebots an Kapital nicht realisierbar waren.“
Enrico Reiche,Partner, Venture Deals Lead, PwC DeutschlandVenture Capital Marktstudie 2023
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Für diese Marktstudie haben Prof. Dr. Dirk Honold (Technische Hochschule Nürnberg) und PwC deutsche und ausländische Investoren in Startups befragt, deren Investitionsstrategien auf den deutschen Markt ausgerichtet sind oder die Deals in Deutschland abgeschlossen haben. Abhängig von den Fragen haben bis zu 63 Befragte an der diesjährigen Studie teilgenommen. Die Marktdaten für 2023 basieren auf Daten bis Ende September und Prognosen für das vierte Quartal.
Prof. Dr. Dirk Honold, Technische Hochschule Nürnberg
Mit mehr als 25 Jahren Erfahrung in der Unterstützung von Deep-Tech-Unternehmen u.a. als Entrepreneur und CFO mit einer mittleren zweistelligen Anzahl an Finanzierungsrunden und mittleren dreistelligen Mio. Euro Volumen einschließlich Börsengängen und interkontinentalen Mergern ist Dirk Honold nun auch als Unterstützer in diversen Aufsichtsräten und Beiräten aktiv. Seine wissenschaftliche Arbeit an der TH Nürnberg konzentriert sich auf die Stärkung des Ökosystems der Innovations- und Startup-Finanzierung mit VC und CVC sowie auf werteorientierte, nachhaltige Führung mit Zukunftspotenzialen. Dazu leitet Dirk Honold u.a. auch den von ihm mitgegründeten AK zur Innovationsfinanzierung und VC der Schmalenbach-Gesellschaft e.V. und den AK Finanzen und Steuern der BIO Deutschland sowie wirkt im Kuratorium des Bundesverbands Deutsche Startups und beim BDI.
Enrico Reiche, Partner, Venture Deals Lead, PwC Deutschland
Mit mehr als 15 Jahren Erfahrung in der Transaktionsberatung ist Enrico Reiche derzeit Co-Lead des Venture Deals-Teams, Leiter des Raise Programms bei PwC und Mitglied des Core Teams im CVC Center of Excellence von PwC. Mit seiner Expertise bei Venture Deals, Venture Capital und Corporate Venture Capital kann er – zusammen mit seinem beruflichen Netzwerk – gleichermaßen für Startups, Investor:innen und etablierte Unternehmen Mehrwert schaffen
Gerhard Wacker, Partner im Bereich Corporate/M&A bei PwC Legal Deutschland
Gerhard Wacker ist Partner bei PwC Legal und im Bereich Corporate/M&A mit Schwerpunkt auf der rechtlichen Beratung von Venture Capital-Transaktionen tätig. Er besitzt mehr als 20 Jahre Erfahrung im Bereich VC/PE sowie M&A. Er leitet verantwortlich die Corporate/M&A-Teams in Berlin und Nürnberg und ist Co-Leader der Corporate/M&A-Praxisgruppe von PwC Legal Deutschland. Das JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2020/2021 listet ihn als „Führenden Berater für Venture Capital“.