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Daniel Wildhirt
Partner und Banking Leader Advisory bei PwC Deutschland
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Die Niedrig- und zweitweise sogar „Negativzinsen“ in den Jahren nach der Finanzkrise 2007/08 haben Banken viele Milliarden Euro an Erträgen gekostet. Mittlerweile steigen die Zinsen wieder. Ein Beispiel dafür: Das Zinstief für SWAPs mit fünf Jahren Laufzeit datiert auf den 16. August 2019: mit minus 0,33 Prozent. Bis Sommer 2021 pendelte der Zinssatz mal über, mal unter der Null-Prozent-Marke, um dann bis Mitte Juni 2022 auf 2,61 Prozent zu steigen. Danach fiel der Zins wieder – ein wenig.
Für Banken kommt die Zinswende einer lange ersehnten Erlösung gleich, hat die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC analysiert.
„Mit der Zinswende geht für die Banken eine Ertragswende einher, die im Jahr 2023 in den Büchern deutlich wird."
Die Tagesgeldeinlagen von Kund:innen bei deutschen Banken sind seit 2009 von rund 0,9 Billionen Euro um mehr als 1,5 Billionen auf mehr als 2,4 Billionen Euro gestiegen. Die Steigerung ging mit negativen Bankenmargen einher. Diese sind seit 2009 jedes Jahr mit bis zu 0,6 Prozent im Minusbereich gewesen.
Das führte in den 13 Jahren von 2009 bis 2021 zu rechnerischen Verlusten aus Tagesgeldeinlagen in Höhe von insgesamt mehr als 96 Milliarden Euro. Allein 2021 haben sich die Verluste auf rund 13 Milliarden Euro summiert. Dies war der bisherige Tiefpunkt. Im Jahr 2022 kommen nochmal mehr als sieben Milliarden Verlust hinzu.
„Die gute Nachricht: Die Zinsschritte der Europäischen Zentralbank werden deutliche Verbesserungen bringen. Für 2023 und 2024 rechnen wir mit einer positiven Marge von jeweils rund 0,5 Prozent.“
Konkret bedeutet die positive Marge: Im Jahr 2023 wird sich das Tagesgeldgeschäft für die deutschen Banken erstmals seit 2008 (fast acht Milliarden Euro Gesamtertrag) wieder lohnen: mit 13,6 Milliarden Euro Gesamtertrag. Dieser könnte 2024 sogar noch steigen: auf rund 14,5 Milliarden Euro. Das heißt, die Erträge für deutsche Banken aus den Tagesgeldeinlagen ihrer Kunden summieren sich in den kommenden zwei Jahren auf rund 28 Milliarden Euro.
Seit 2004 wurden auch Spareinlagen immer weniger verzinst: Brachten sie (inklusive der Fristentransformation) im Jahr zuvor, also 2003, noch summa summarum 14 Milliarden Euro Gesamtertrag für deutsche Banken, waren es 2004 immerhin noch 13 Milliarden Euro. Seither schrumpften die Erträge fast kontinuierlich. 2022 werden sie aller Voraussicht nach auf ihren vorläufigen Tiefpunkt auf unter eine Milliarde fallen. Auch beim Spareinlagengeschäft sollten die Banken die Talsohle infolge der Zinswende durchschritten haben.
„Wir rechnen hier ebenfalls mit einer Ertragsverbesserung – allerdings eher mit einer leichten. Aber natürlich tragen auch diese Erträge zur Stabilisierung der deutschen Banken in den Jahren 2023 und 2024 bei.“
Die Zinswende stabilisiert zudem die Erträge aus sogenannten gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäften mit der EZB (engl. targeted longer-term refinancing operations/“TLTROs“), obwohl die Special Interest Rate-Perioden der EZB auslaufen.
Die Erträge hieraus sind im Vergleich zu den Tagesgeld- und Spareinlagenerträgen der kommenden zwei Jahre mit bis zu 1,9 Milliarden Euro (2021) relativ gering. Allerdings waren sie vor 2020 ebenfalls im negativen Bereich.
Ein Stabilisierungseffekt lässt sich auch für die Eigenkapitalerträge der Banken vorhersagen. Ein Beispiel dafür, inklusive Rückblick: Im Jahr 2003 hatten sich die Erträge deutscher Banken aus Bond-Portfolien mit einer durchschnittlichen Restlaufzeit von fünf Jahren auf 16,8 Milliarden Euro summiert. Danach waren diese Erträge bis 2005 leicht rückläufig, um bis 2009 wieder auf 16,3 Milliarden zu steigen. Danach allerdings ging es steil bergab – bis zum bisherigen Tief bei voraussichtlich 4,7 Milliarden Euro im Jahr 2022. Bis 2024 erwarten die PwC-Bankenspezialisten eine Stabilisierung auf diesem Niveau. Damit wäre auch bei den Eigenkapitalerträgen der Abwärtstrend vorerst beendet.
Infolge der Zinswende steigen die Erträge 2022 wieder – und 2023 noch deutlich mehr. Nicht zu vernachlässigen: Die Zinswende könnte auch zu Wertpapierabwertungen, Kreditausfällen und anderen Belastungen führen, die bereits 2022 wirken. Die deutschen Banken haben allerdings ihre Wertpapierbestände seit der Finanzkrise 2007/08 deutlich reduziert. Im Mai 2022 machten sie im Schnitt nur noch 200 Prozent ihres Eigenkapitals aus. Im Jahr 2007 waren es 450 Prozent.
„Mit der Zinswende geht für die Banken eine lange Durststrecke in Bezug auf die Erträge vorbei. Sie brauchen die steigenden Erträge dringend – unter anderem für ihre digitale Transformation.“
In der vorliegenden Studie hat PwC die Ertragseffekte aus der Anlage der wichtigsten Passivpositionen der Bankbilanz vor dem Hintergrund der Zinswende prognostiziert. Hierzu gehören Kundeneinlagen (Sichtguthaben auf Girokonten, Tagesgeld, Festgeld und Spareinlagen), Eigenkapital aber auch die gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte (sogenannten TLTROs oder GLRGs) durch die Zentralbanken.
Die Anlage der Passivmittel wurde dabei jeweils anteilig fristenkongruent aber auch fristentransformativ modelliert. Für letzteres wurden Zinserträge von Anleiheportfolien mit einer durchschnittlichen Laufzeit von 3 bzw. 5 Jahren simuliert. Bei der fristenkongruenten Anlage wurden vom Markt erwartete Zinssätze der EZB bzw. des Interbankenmarktes verwendet.
Zentrale Annahmen des Prognosemodells sind weiterhin die Zinsschritte der EZB und andererseits das Zinsweitergabeverhalten der Banken. Bei ersteren orientiert sich das Modell an den Markterwartungen, bei letzteren am Verhalten deutscher Banken in vergangenen Zinssteigerungszyklen.
Als Basis des Prognosemodells dient das Barkow Consulting Credit Benchmark Model®, Deutschlands führende und meistgenutzte Datenquelle für Analysen des Kredit- und Einlagengeschäfts.