Innerhalb weniger Jahre wird Künstliche Intelligenz die Finanzbranche massiv verändern: Neuronale Netze übernehmen die Beurteilung und Abwicklung von Kreditanfragen, riesige Datenbestände werten Unternehmen mit Hilfe von Deep Learning aus. Das hilft, Betrug vorzubeugen und ressourcenintensive, repetitive Prozesse und Kundenservices ohne Qualitätseinbußen automatisiert zu bearbeiten: Banken und Versicherer aus der DACH-Region haben das Potenzial von KI in Zeiten der Digitalisierung zwar erkannt, schöpfen dieses aber noch nicht flächendeckend aus. Die Mehrheit der Befragten (62 Prozent) hält KI zwar für eine eher wichtige oder sehr wichtige Innovation, die in den nächsten fünf Jahren in der Finanzbranche an Gewicht gewinnen wird – zwischen Vision und Ist-Zustand kann jedoch noch eine deutliche Differenz ausgemacht werden. Aktuell sehen nur neun Prozent der Entscheider ihr Unternehmen digital sehr gut vorbereitet für den Einsatz von KI-Technologien. Banken und Versicherer fangen gerade erst an, sich mit konkreten Einsatzfeldern der rasant fortschreitenden Technologie auseinanderzusetzen. Das heißt: Die Schere zwischen Erwartung und Umsetzung klafft weit auseinander. KI-Pilotprojekte gibt es bei den Finanzunternehmen viele – ein Transfer dieser Ideen in das tägliche, operative Geschäft gelingt jedoch nur den wenigsten. Auch Unternehmen, die bereits inhouse KI-Kompetenz besitzen, wissen häufig nicht, wie sie das Thema sinnvoll angehen sollen.
„KI wird einer der entscheidenden Wettbewerbsfaktoren für Finanzinstitute sein. Sie bietet aber auch Anwendungsmöglichkeiten weit über die Automatisierung von Prozessen hinaus.“
Aktuell blicken Versicherer und Banken in der DACH-Region vor allem mit einer konventionellen Geschäftsperspektive auf den möglichen Einsatz von KI-Lösungen: 79 Prozent der Befragten wollen Geschäftsprozesse digital effizienter machen, fast drei Viertel generell Kosten einsparen (73 Prozent) und jedes zweite Unternehmen erwartet, mithilfe von KI Compliance-Vorgaben besser umsetzen zu können (50 Prozent). Aber auch für neue Felder, etwa Chatbots, Automatisierung und vorausschauendes Marketing setzt bereits etwas mehr als die Hälfte der Befragten (55 Prozent) die neue Technologie ein. Viele weitere Chancen bleiben jedoch ungenutzt: So lässt sich die Komplexität von Risikobewertungen und Entscheidungsunterstützungen im Controlling durch Automatisierung stark verringern, wenn die zugrundeliegenden Daten wirklich intelligent analysiert werden.
Um zum europäischen Durchschnitt aufzuschließen, prüfen viele Finanzunternehmen derzeit, welche neuen Projekte besonders für den Einsatz von KI geeignet sind. Doch auch wenn diese identifiziert und definiert sind, ist der Weg zur Umsetzung oft noch weit: 69 Prozent der befragten Unternehmen machen den Mangel an verfügbaren Daten als Hindernis für eine Adaption aus. Gut zwei Drittel der befragten Unternehmen kämpfen außerdem mit Budgetrestriktionen und unzureichender Finanzierung für entsprechende Projekte (67 Prozent), 64 Prozent der Unternehmen mangelt es schlicht an Mitarbeitern mit Kompetenz, um Fragen zur Etablierung von KI zu beantworten: Welcher Geschäftsbereich bietet einen angemessenen Anknüpfungspunkt für die Etablierung von KI-Projekten im operativen Geschäft? Welche Abteilung stellt die Finanzierung des Integrationsprozesses sicher? Und sind Projekte rund um Künstliche Intelligenz als Teilbereich der IT zu verorten – oder als strategisch relevantes Thema auf eigenständige Führungsstrukturen angewiesen?
Die Studie zeigt auch: KI für das Tagesgeschäft und in etablierten Prozessen zu nutzen, etwa im Hinblick auf Personalisierung oder neue Geschäftsmodelle, hat bislang eine vergleichsweise geringe Priorität für die Financial Services. Zudem ist die oft noch geringe allgemeine Verständlichkeit im Finanzsektor eine nicht zu unterschätzende Hürde. Klassische mathematische Anwendungen lassen sich noch mit einem vergleichsweise einfachen Algorithmus abbilden, geschlossene Modelle wie tiefe neuronale Netze sind aber deutlich anspruchsvoller und damit schwerer zu durchdringen. Das resultiert in einer weiteren Problematik: Der Finanzdienstleistungssektor ist stark reguliert. Die Unternehmen sind verpflichtet, Aufsichtsbehörden und internen Auditoren ihre Prozesse und Entscheidungen detailliert zu erläutern. Hier gilt KI noch als Black-Box Technologie, sodass viele Unternehmen hier noch mit Zurückhaltung agieren, nicht nur im Banking.
„Finanzunternehmen verfügen wie in kaum einer anderen Branche über eine Fülle an Daten. Die Kunst ist es zu erkennen, in welchen Bereichen Daten der richtigen Qualität gewonnen werden können und welche Use Cases besonders erfolgversprechend in der Produktion sein könnten.“
Die zunehmende Bedeutung und damit Anwendung der Künstlichen Intelligenz wird die Arbeitsweise im Finanzsektor erheblich verändern. Unstrittig ist, dass KI langfristig in der Lage sein wird viele von Menschen ausgeführte Aufgaben zu übernehmen. Das birgt große Chancen: Mit ihrer Hilfe können Arbeitnehmer künftig ihre Arbeitsbelastung reduzieren und Lebenszeit gewinnen, ohne dass Unternehmen an Produktivität einbüßen. Außerdem können neue Aufgabenbereiche, nicht nur im Bereich des Datenmanagements, zu neuen Geschäftsfeldern führen. „Um das enorme Potenzial Künstlicher Intelligenz zu nutzen und Projekte auf Dauer effizient und wertschöpfend einzusetzen, ist unternehmensinternes KI-Wissen jedoch unerlässlich“, sagt PwC-Experte Berns. „Finanzdienstleister sollten daher schnell und massiv in das Know-how ihrer Mitarbeiter investieren.“
„Die Finanzinstitute in der DACH-Region haben bereits jetzt Schwierigkeiten, den Vorsprung von Wettbewerbern aus Asien oder den USA aufzuholen. Finanzunternehmen sollten gegenwärtig prüfen, welche KI-Projekte erfolgversprechend sind und diese zügig in ihre Prozesse integrieren.“
Die PwC-Studie „How Mature is AI Adoption in Financial Services“ stützt sich auf eine Befragung von 151 Führungskräften in der Branche, also Banken, Versicherungen und Fin-Tech-Unternehmen. Mit der Zielsetzung, ein umfassendes Bild über die wichtigsten Sparten und Größenklassen im Finanzsektor zu zeichnen, stützt sich die Studie sowohl auf qualitative Experteninterviews (46 Teilnehmer) als auch auf eine Online-Umfrage mit 105 Teilnehmern und mehrheitlich quantitativen Fragen.