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Dr. Till Hannig
Partner, EMEA Insurance Tax Leader bei PwC Deutschland
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In Zeiten des steigenden Regulierungsdrucks und der notwendigen Anpassung von Unternehmensprozessen an ESG-Faktoren stehen die Steuerfunktionen der EMEA-Versicherungsunternehmen vor immensen Herausforderungen. Sie müssen dafür sorgen, dass alle Vorschriften eingehalten werden und potenzielle Risiken managen. Dabei sind sie gehalten, für maximale Transparenz zu sorgen – gegenüber den Behörden, aber auch Stakeholdern und Mitarbeitenden.
Insgesamt sind die Steuerabteilungen ein wichtiger Player im Rahmen einer strategischen Unternehmensführung. Dies hat die Mehrheit der Versicherungsunternehmen, die wir für unsere Studie „Die Steuerfunktion der Versicherungswirtschaft in der EMEA-Region“ befragt haben, erkannt.
Dennoch sind Unterschiede zwischen den Ländern zu erkennen – vor allem bei den Themen Tax-Governance und Einbindung der Steuerabteilung in die IT-Strategie. Hier geht die Schere zwischen den Ländern stark auseinander und fast alle befragten Unternehmen haben noch Aufgaben zu erledigen.
Die Versicherungsunternehmen in der EMEA-Region (Europa, Naher Osten, Afrika) halten ihre Steuerabteilungen mehrheitlich für entscheidend, schließlich haben 88,2 Prozent der Befragten eine eigene Steuerabteilung eingerichtet.
Über die Hälfte der Unternehmen (51,5 Prozent) unterstellen ihre Steuerabteilungen dem Senior Management und betonen so ihre Einbindung in strategische Entscheidungen – z. B. in der Schweiz: Hier liegt die Steuerfunktion mehrheitlich in der direkten Zuständigkeit des CFOs.
Bei 42,4 Prozent der Unternehmen sind die Steuerabteilungen an den Finance-/Accounting-Bereich angeschlossen und demnach stärker in finanzielle und Compliance-Prozesse involviert. Insbesondere im Vereinigten Königreich ist dies bei der Mehrheit der Unternehmen der Fall.
Die Aufgaben der Steuerabteilungen in den Versicherungsunternehmen sind vielfältig: An erster Stelle steht bei der großen Mehrheit der Unternehmen (94,1 Prozent) die steuerliche Berichterstattung, gefolgt von der internen steuerlichen Beratung (88,2 Prozent) und der steuerlichen Buchführung (85, Prozent). Dagegen werden Maßnahmen in Bezug auf Steuerpolitik und Steuertransparenz sowie rund um das Thema Lohnsteuer nur von einem Bruchteil der Steuerabteilungen der befragten Unternehmen übernommen.
Bei den Aufgaben, die in Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen erfolgen, zeigt sich ein klarer strategischer Fokus: So sind die Steuerabteilungen in 80,6 Prozent der Fälle an M&A-Transaktionen beteiligt, im Rahmen von konzerninternen Umstrukturierungen (77,4 Prozent) und bei Investment-Entscheidungen (77,4 Prozent). Auch bei der Einführung neuer Produkte, beim Thema Verrechnungspreise und Dokumentation, bei der Gründung von Betriebsstätten und bei der Finanzierung von Projekten werden die Steuerabteilungen in der Regel hinzugezogen, um bei Umsetzung und Planung steuerlich beratend tätig zu werden.
Der Umgang mit Steuern ist Teil eines verantwortungsbewussten unternehmerischen Handelns und ein wichtiger Punkt auf der ESG-Agenda der Unternehmen. Damit rückt zunehmend auch die Transparenz der Steuerstrategie in das Blickfeld von Investoren, Kunden und Gesellschaft.
Dabei führt die Vielfalt der organisatorischen Strukturen und regulatorischen Anforderungen innerhalb der EMEA-Region zu massiven Unterschieden in Bezug auf die Tax-Governance: Zwar geben 68 Prozent der Unternehmen an, eine genehmigte Steuerstrategie zu haben, allerdings erstellen nur 39,4 Prozent einen Steuertransparenzbericht, da dieser je nach Land nicht unbedingt eine Pflichtanforderung ist.
So gibt in Italien keines der befragten Unternehmen an, über einen Steuertransparenzbericht zu verfügen, in Deutschland sind es nur 13 Prozent der befragten Unternehmen. Im Vereinigten Königreich dagegen erstellen sämtliche Unternehmen (100 Prozent) regelmäßig Steuertransparenzberichte, da sie aufgrund des UK Finance Act 2016 verpflichtet sind, ihre Steuerstrategie offenzulegen.
In engem Zusammenhang mit dem Thema Governance und Regulierung steht die Implementierung von Tax-Compliance-Managementsystemen (Tax-CMS), mit denen grundlegende Prozesse und die Steuerstrategie festgelegt werden können. Die Umsetzung solcher Tax-CMS verläuft im Ländervergleich sehr unterschiedlich: In Deutschland haben 68,8 Prozent der Unternehmen entsprechend des IDW PS 980 ein Tax-CMS implementiert, während andere Länder – Südafrika oder Frankreich – Zero Implementierungen melden können. Insgesamt haben in der EMEA-Region 40,6 Prozent der befragten Versicherungsunternehmen kein Tax-CMS umgesetzt.
In Sachen digitaler Transformation zeigt die Studie Rückstände bei den Befragten auf: Nur 15,6 Prozent der Unternehmen geben an, über eine digitale Roadmap zu verfügen, weitere 21,9 Prozent sind in der Planungsphase.
Allerdings ziehen 67,7 Prozent der Unternehmen IT-Expert:innen hinzu, um die Digitalisierung von Steuerprozessen voranzutreiben. Diese Zusammenarbeit zwischen IT und Steuerfunktion dürfte in Zukunft an Bedeutung gewinnen. Aktuell bestehen allerdings große Unterschiede zwischen den Ländern: So scheint in Italien und Südafrika noch gar kein Austausch zwischen IT und Steuerabteilung stattzufinden.
„Die Relevanz der Steuerfunktion wird von den Versicherern gesehen. Doch sie müssen sie stärker in den Prozess der digitalen Transformation einbinden, um die steigenden Transparenzanforderungen zuverlässig zu bedienen.“
Die Personalstruktur der befragten Unternehmen ist heterogen: So beschäftigt die Hälfte der Unternehmen fünf oder weniger Mitarbeitende, wobei die personelle Größe der Steuerabteilung stark von der Größe des jeweiligen Unternehmens abhängt. Das Vereinigte Königreich sticht heraus: Hier arbeiten durchschnittlich 24 Fachleute in den Steuerabteilungen der Versicherer, während es in Österreich durchschnittlich nur vier sind.
Die Frage nach dem Umgang mit latenten Steuern ergibt, dass die Mehrheit (65,6 Prozent) der Unternehmen latente Steuern gemäß der lokalen Rechnungslegungsstandards ausweist. In diesem Zusammenhang bleiben die Auswirkungen von Pillar II abzuwarten und erfordern gegebenenfalls eine sorgfältige Analyse der spezifischen Risiken, Anforderungen und Geschäftspraktiken der Versicherungen.
Das Auslagern bestimmter Unternehmensprozesse in Shared-Service-Centern (SSC) und der Trend zum Sourcing sind auf dem Vormarsch: 24 Prozent der Befragten geben an, über ein internes SCC zu verfügen. Durch die Auslagerung bestimmter steuerlicher Prozesse wollen sich die Versicherungsunternehmen stärker auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren und die effiziente Bewältigung steuerlicher Verpflichtungen sicherstellen.
Die Steuerfunktion der Versicherungswirtschaft in der EMEA-Region
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Für unsere Studie haben wir 40 Versicherungskonzerne in Österreich, Belgien, Frankreich, Deutschland, Irland, Italien, Südafrika, Spanien, Schweden, der Schweiz, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich befragt. Unter den Befragten waren Schaden-/Unfallversicherer, Lebensversicherer, Kranken- und Rückversicherer.