Gegen Geldwäsche und Betrug in der Immobilien-, Vermögensverwaltungs- und Glücksspielbranche

Interview: „Finanzkriminalität birgt nicht nur regulatorische Risiken, sondern gefährdet auch den Ruf eines Unternehmens“

  • Interview
  • 6 Minuten Lesezeit
  • 26 Mrz 2024

Ein Interview mit Magdalena Hologa und Cornelia Steensgaard-Hansen. Nicht nur Banken und Kreditinstitute sind gefordert, ihre Maßnahmen im Kampf gegen Finanzkriminalität zu schärfen. Durch regulatorische Änderungen rückt die Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Betrugsprävention auch im Immobiliensektor, der Vermögensverwaltung und in der Glücksspielbranche in den Fokus der Aufmerksamkeit. Magdalena Hologa und Cornelia Steensgaard-Hansen, Expertinnen für das Thema Anti-Financial Crime bei PwC Deutschland, kennen die Hintergründe.

Magdalena Hologa ist Direktorin bei PwC Deutschland und treibende Kraft hinter den Anti-Financial Crime (AFC)-Initiativen von PwC. Cornelia Steensgaard-Hansen, Senior Managerin bei PwC Deutschland, trägt mit ihrer umfassenden Expertise im Intelligence-Bereich maßgeblich zur Stärkung der Know Your Customer (KYC)-Initiativen von PwC bei.

Cornelia Steensgaard-Hansen und Magdalena Hologa sind Expertinnen für das Thema Anti-Financial Crime bei PwC Deutschland.

Finanzkriminalität ist ein Thema, mit dem sich bislang vor allem Banken auseinandersetzen mussten. Mittlerweile stehen weitere Branchen vor der Aufgabe, effiziente Anti-Financial Crime (AFC)-Maßnahmen einzuführen. Was sind die Treiber dieser Entwicklung?

Magdalena Hologa: Es stimmt, dass sich bislang vor allem Banken und klassische Kreditinstitute mit Maßnahmen gegen Finanzkriminalität wappnen mussten. Das regulatorische Umfeld hat sich jedoch stark verändert: Sowohl die Europäische Union als auch die lokalen Regulierungsbehörden haben strengere Richtlinien zur Bekämpfung von Finanzkriminalität verabschiedet. Dadurch sind weitere Branchen wie der Immobiliensektor, Vermögensverwalter und die Glücksspielbranche ins Visier der Behörden gerückt. Diese Sektoren sind nun auch verpflichtet, sogenannte Know your Customer („KYC“)-Prüfungen durchzuführen. Das heißt, sie müssen beispielsweise sowohl die Identität neuer Kunden überprüfen, als auch regelmäßig Bestandskunden validieren. 

Nehmen Fälle von Finanzkriminalität denn zu? 

Hologa: Darauf weisen die Zahlen der Financial Intelligence Unit (FIU) hin. Diese Zentralstelle nimmt Verdachtsmeldungen über auffällige Finanztransaktionen entgegen und wertet diese regelmäßig aus. Dabei zeigt sich, dass die Verdachtsmeldungen in den vergangenen Jahren stark gestiegen sind. Die Meldungen im Finanzsektor haben sich zwischen 2020 und 2022 mehr als verdoppelt: von rund 140.000 auf mehr als 326.000 Meldungen. Im Nichtfinanzsektor sind die Verdachtsfälle in diesem Zeitraum sogar noch steiler angestiegen: von rund 2.800 auf gut 10.000 Fälle. 

Wieso ist Finanzkriminalität eine so große Gefahr für Unternehmen?

Finanzkriminalität birgt nicht nur regulatorische Risiken, sondern gefährdet auch den Ruf eines Unternehmens.

Hologa: Durch Lieferanten oder Kunden können einem Unternehmen erhebliche Risiken entstehen. Umso wichtiger ist es, in Maßnahmen zu investieren, um solche Gefahren frühzeitig zu identifizieren und zu verhindern. Unternehmen sollten sich also nicht nur aus Compliance-Gründen auf Anti-Financial-Crime-Maßnahmen konzentrieren, sondern auch, um ihre Integrität, Transparenz und Vertrauenswürdigkeit zu stärken. Durch diesen Ansatz mindern sie nicht nur regulatorische Strafen, sondern stärken auch ihre Resilienz, indem sie eine Kultur der Rechenschaftspflicht fördern.

Ins Visier rückt aktuell insbesondere die Immobilienbranche. Wieso?

Schon seit längerem nutzen Kriminelle weltweit Immobilien, um illegal erworbene Gewinne anonym zu verschleiern.

Cornelia Steensgaard-Hansen: Dabei profitieren sie von der fehlenden Transparenz bei der Eigentümerschaft von Immobilien. In den USA wurden nach Angaben der US-Finanzministerin Janet Yellen zwischen 2015 und 2020 bis zu 2,3 Milliarden US-Dollar über Immobilien gewaschen. Auch in Deutschland war der Kauf von Immobilien bis April 2023 ein verbreitetes Mittel zur Geldwäsche, das einen erheblichen Teil der kriminellen Vermögenswerte ausmachte.

Was hat sich hier von regulatorischer Seite verändert?

Steensgaard-Hansen: Die Einführung des Sanctions Enforcement Act II (SDG II) Ende 2022 und die anschließende Durchsetzung ab April 2023 markierten einen Wendepunkt. Bargeldtransaktionen, die bis zu den jüngsten regulatorischen Änderungen legal waren, stellten einen Kanal für erhebliche Geldwäscherisiken dar und sind jetzt nicht mehr zulässig. Damit soll Geldwäsche im Immobiliensektor eingedämmt werden. 

Die Sechste Geldwäscherichtlinie der Europäischen Union verlangt von Immobilienunternehmen zudem, sich mit Maßnahmen zur Bekämpfung von Finanzkriminalität in Form von „KYC“-Prüfungen zu befassen. Das Ziel dieser Maßnahmen besteht darin, den wahren wirtschaftlichen Eigentümer zu kennen. 

Auch Vermögensverwalter sind gefordert, im Kampf gegen Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Betrug aktiver zu werden. Wie ist in dieser Branche der aktuelle Stand?

In der Vermögensverwaltung hat die Komplexität finanzieller Strukturen zahlreiche Möglichkeiten für Finanzkriminalität geschaffen.

Steensgaard-Hansen: Verschachtelte Vermögenswerte verschleiern beispielsweise die wahre Herkunft und Eigentümerschaft von Geldern. Grenzüberschreitende Transaktionen verschärfen diese Herausforderungen zusätzlich. Umso wichtiger ist es für Vermögensverwalter, internationale Compliance-Fragen sorgfältig zu beantworten. Durch das weltweite PwC-Netzwerk können wir Unternehmen über verschiedene Rechtsgebiete hinweg bei der Bekämpfung von Finanzkriminalität unterstützen.

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Eine weitere Branche, die hohe Risiken für Finanzkriminalität birgt, ist das Glücksspiel. Wie ist in diesem Bereich die Lage? 

Steensgaard-Hansen: Die Glücksspielindustrie steht ebenfalls vor der schwierigen Herausforderung, verdächtige Aktivitäten konsequent zu überwachen und zu identifizieren. Erschwert wird diese Aufgabe durch die hohen Transaktionsvolumina und die Verschiebung der Aktivitäten auf Online-Plattformen. 

Denn die digitale Landschaft eröffnet neue Möglichkeiten für potenziellen Betrug.

Umso wichtiger sind anpassungsfähige Maßnahmen zur Bekämpfung von Finanzkriminalität. Sportwettenanbieter müssen beispielsweise nachweisen, dass sie bereit sind, sichere Dienste im Einklang mit den Maßnahmen zur Geldwäschebekämpfung anzubieten. Die Betreiber müssen alle Spieler autorisieren und sicherstellen, dass Minderjährige ausgeschlossen sind.

Wie unterstützen Sie und Ihr Team Kunden aus diesen Branchen im Kampf gegen Finanzkriminalität?

Mit unserem Managed-Services-Angebot unterstützen wir Unternehmen umfassend im Kampf gegen Finanzkriminalität – von der Kundenakquise über regelmäßige Überprüfungen bis hin zur Transaktionsüberwachung.

Hologa: Unsere Screening Services und das Risikomanagement von Dritten erhöhen die Sicherheit, während Qualitätskontrollen und Fachwissen die Wirksamkeit und Compliance von Maßnahmen zur Bekämpfung von Finanzkriminalität gewährleisten. Dadurch ermöglichen wir Organisationen, ihre Fähigkeiten zur Risikobewältigung zu verbessern, aufkommende Bedrohungen effizient zu bekämpfen und regulatorische Änderungen effizient umzusetzen. Wir bieten diese Dienstleistungen als umfassendes Paket an und helfen damit Organisationen dabei, ihre Fähigkeiten zur Bewältigung von Risiken rund um Finanzkriminalität zu verbessern. Wir unterstützen insbesondere Immobilienunternehmen, Vermögensverwalter und Glücksspielanbieter dabei, die Bedrohungen zu bekämpfen und sich proaktiv an die regulatorischen Änderungen anzupassen.

Inwiefern profitieren Unternehmen von Ihrer Unterstützung?

Hologa: Mit unserem Angebot unterstützen wir Immobilienunternehmen insbesondere dabei, die Quelle der Vermögenswerte bei Immobilientransaktionen zu identifizieren. Durch unsere Analysen bringen wir Klarheit in komplexe Eigentümerstrukturen und minimieren somit die Risiken, die durch eine verschleierte Eigentümerschaft entstehen können. 

Glücksspielunternehmen schätzen an unseren Services insbesondere, dass sie dadurch nicht nur ihre Compliance-Risiken reduzieren, sondern die KYC-Prozesse optimieren und dadurch schnell und sicher Neukunden gewinnen können. 

Vermögensverwalter profitieren von unseren Dienstleistungen, weil sie so Compliance sicherstellen und Risiken minimieren, gleichzeitig aber sicher in neue Märkte vordringen können.

Welche Trends und Entwicklungen erwarten Sie im Bereich Anti-Financial Crime in den Branchen Immobilien, Vermögensverwaltung und Glücksspiel?

Zum einen werden Technologien wie künstliche Intelligenz, maschinelles Lernen und Blockchain die Prozesse zur Bekämpfung von Finanzkriminalität optimieren.

Hologa: Auch PwC investiert in modernste Technologien und fördert Innovationen, um fortschrittliche Lösungen zu entwickeln und zu implementieren, die den immer raffinierteren Taktiken der Kriminellen einen Schritt voraus sind. 

Aber auch die regulatorischen Rahmenwerke werden sich weiterentwickeln: Der Schwerpunkt wird darauf liegen, die Transparenz zu erhöhen, die Due Diligence zu verbessern und auf strengere Durchsetzungsmaßnahmen zu drängen. Wir beobachten diese Trends an vorderster Front, um nicht nur Banken, sondern auch Organisationen in den Branchen Immobilien, Vermögensverwaltung und Glücksspiel dabei zu unterstützen, ihre Maßnahmen gegen Finanzkriminalität so widerstandsfähig wie möglich zu gestalten. Um Kunden umfassende Lösungen für die weltweite Compliance rund um Finanzkriminalität zu bieten, bauen wir unser globales Netzwerk kontinuierlich aus: So unterhält PwC weltweit neun Financial Crime Operations Center und 11 Centers for Accelerated Delivery. In diesen Zentren sind 5.200 Expert:innen tätig, die innovative Technologien geschickt einsetzen, um die Prozesse möglichst effizient zu gestalten. 

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Magdalena Hologa

Director, Forensic Services, Anti-Financial Crime, PwC Germany

Tel.: +49 151 53548197

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Cornelia Steensgaard-Hansen

Senior Managerin, Forensic Services, PwC Germany

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