Die elektronische Krankenakte, die Messung von Gesundheitsdaten per App, die Kommunikation zwischen Ärzten und Krankenhaus über eine Plattform, die Video-Sprechstunde – das sind nur einige Beispiele für digitale Technologien, die derzeit die deutsche Gesundheitswirtschaft umkrempeln. Basis der Digitalisierung sind die medizinischen Daten des Versicherten, die mittels moderner Informations- und Kommunikationstechnologien zwischen Ärzten und Patienten, aber auch zwischen den einzelnen Leistungserbringern ausgetauscht werden. Die Digitalisierung schafft neue Diagnostik- und Behandlungsmöglichkeiten wie die personalisierte Medizin, sie erleichtert die Kommunikation zwischen den einzelnen Akteuren des Gesundheitswesens und ermöglicht es dem einzelnen Patienten, seine Gesundheit stärker zu steuern, etwa durch Apps und Informationen im Internet.
Die Digitalisierung der Medizin macht es möglich, Krankheiten schneller zu erkennen und besser zu überwachen. Ihr Potenzial, ihr Status quo, ihr Risiko:
Zu den großen Herausforderungen des deutschen Gesundheitswesens zählen der demografische Wandel und die Kostenexplosion. Die Digitalisierung kann dazu beitragen, diesen Herausforderungen zu begegnen. War es bislang nur möglich, entweder die medizinische Versorgungsqualität für den Einzelnen zu steigern oder die Kosten für die Allgemeinheit zu senken, lässt sich dieser Zielkonflikt mithilfe digitaler Innovationen auflösen: Die Digitalisierung ermöglicht eine hochwertige, bezahlbare Versorgung für alle. Sie sorgt ebenso dafür, dass Menschen in ländlichen strukturschwachen Regionen durch telemedizinische Lösungen Zugang zu medizinischer Expertise haben.
Beim Thema Digitalisierung ist das deutsche Gesundheitswesen im internationalen Vergleich weit abgeschlagen. Viele der Chancen digitaler Technologien werden in Deutschland noch nicht genutzt, während in anderen europäischen Ländern Telemonitoring, Video-Sprechstunden und elektronische Patientenakten längst Standard sind. Es gibt zwar innovative Ideen von Unternehmen, die es aber noch nicht in die Regelversorgung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) geschafft haben. Um die Entwicklung auch in Deutschland voranzutreiben, hat das Bundesgesundheitsministerium verschiedene gesetzliche Maßnahmen beschlossen, u.a. sind die Krankenkassen mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz ab Januar 2021 verpflichtet, für ihre Versicherten eine elektronische Patientenakte bereitzuhalten. Mit der E-Health-Initiative soll die Telematikinfrastruktur weiter ausgebaut werden.
Weniger kritisch sehen die Bürger den Stand der Digitalisierung: 61 Prozent finden einer PwC-Studie zufolge, dass Deutschland in puncto digitale Technologien bereits gut aufgestellt ist.
Was leisten die verschiedenen Innovationen von Digitalunternehmen der Gesundheitswirtschaft im Einzelnen? Ein Überblick:
KI lernt von digitalen Gesundheitsdaten und ist so in der Lage, Muster zu erkennen. Das kann Ärzten in der Diagnostik und Entscheidungsfindung helfen.
Durch die Digitalisierung von Gesundheit steigt die Datenmenge sprunghaft an. Diese Daten können genutzt werden, um das Risiko für Krankheiten früher zu erkennen. Auch die personalisierte Medizin basiert auf Big Data.
Durch moderne Kommunikationslösungen ermöglicht Telemedizin Monitoring, Diagnostik und Therapie über räumliche Distanzen hinweg. Damit erleichtert sie vor allem die Versorgung in ländlichen Gebieten.
Unter diesen Begriff fallen alle Anwendungen, die für die medizinische Versorgung neue Informations- und Kommunikationstechnologien einsetzen, beispielsweise die elektronische Gesundheitskarte.
Robotergestützte Verfahren können sowohl im Operationssaal als auch in der Pflege eingesetzt werden, sie werden derzeit vor allem als Assistenzsysteme genutzt.
Der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen spitzt sich zu: Wie eine PwC-Studie belegt, werden bis zum Jahr 2030 mindestens 400.000 Vollzeitkräfte in Deutschland fehlen. Den Fachkräftemangel spüren die Versicherten schon jetzt – sie kritisieren, dass niedergelassene Ärzte sich zu wenig Zeit nehmen, und Patienten zu lange auf einen Facharzttermin warten müssen. Auch im Krankenhaus fällt den Versicherten bereits der Personalmangel auf. Die Digitalisierung kann dazu beitragen, dem Fachkräftemangel zu begegnen: Digitale Technologien wie Künstliche Intelligenz oder robotergestützte Assistenzsysteme tragen dazu bei, dass Ärzte und Pflegekräfte deutlich entlastet werden, etwa bei administrativen Tätigkeiten und der Dokumentation, aber auch in der Diagnostik und bei alltagspraktischen Tätigkeiten.
Künstliche Intelligenz (KI) ist die Schlüsseltechnologie der Zukunft. Sie trägt dazu bei, die aktuellen Herausforderungen des Gesundheitswesens zu meistern: die Qualität der medizinischen Versorgung zu steigern und das Gesundheitswesen gleichzeitig bezahlbar zu halten. Gerade in der Diagnostik verspricht Künstliche Intelligenz große Erfolge – sie sorgt dafür, dass Krankheiten präziser und früher erkannt werden können. Ein Potenzial, das auch die Führungskräfte im deutschen Gesundheitswesen sehen, wie eine PwC-Studie belegt: 64 Prozent sind überzeugt davon, dass KI die Medizin in den kommenden zehn Jahren revolutionieren wird. Allein beim Krankheitsbild Fettleibigkeit von Kindern, einer großen Herausforderung für die Gesundheitssysteme weltweit, könnten durch Präventionsmaßnahmen in den kommenden zehn Jahren 90 Milliarden Euro eingespart werden.
der Menschen weltweit sind bereit, sich auf Künstliche Intelligenz (KI) in der Medizin einzulassen.
der deutschen Führungskräfte sind überzeugt davon, dass Künstliche Intelligenz das Gesundheitswesen von Grund auf verändern wird.
US-Dollar ließen sich in den kommenden zehn Jahren durch KI allein beim Krankheitsbild Adipositas bei Kindern weltweit einsparen.
der Versicherten halten Deutschland für gut aufgestellt bei digitalen Technologien.
Die Versicherten in Deutschland stehen einer Digitalisierung des Gesundheitswesens aufgeschlossen gegenüber: Sie können sich den Einsatz von telemedizinischen Lösungen wie einer Sprechstunde per Video oder Online-Chat gut vorstellen, wie eine PwC-Studie belegt. Allerdings sehen sie digitale Technologien nur als Ergänzung der medizinischen Versorgung – der persönliche Austausch mit Ärzten bleibt weiterhin wichtig, gerade bei schweren Erkrankungen, wie 72 Prozent der Befragten bestätigen. Auch neuen Technologien wie Künstlicher Intelligenz und Robotik steht die Mehrheit positiv gegenüber.
Mit einer stärkeren Digitalisierung des Gesundheitswesens gehen aber auch Bedenken einher, wie eine Studie zum Thema Datensicherheit zeigt: Die Versicherten befürchten, dass ihr Krankenhaus einer Cyberattacke ausgesetzt sein könnte oder persönliche Daten bei niedergelassenen Ärzten nur unzureichend geschützt werden. Dennoch sind 52 Prozent der Deutschen bereit, persönliche Informationen über die elektronische Gesundheitskarte mit Ärzten und ihrer Krankenkasse zu teilen.
Roland M. Werner
Partner, Leiter Gesundheitswirtschaft & Pharma, PwC Germany
Tel.: +49 170 7628-557