Das Onlinezugangsgesetz – eine gewaltige Aufgabe für die GKV

19 Oktober, 2021

Ein Interview mit Nils Breuer. Der Zeitplan steht: Bis zum 31. Dezember 2022 müssen die gesetzlichen Krankenversicherungen ihren Mitgliedern die wichtigsten Serviceleistungen digital über ein gemeinsames Bundesportal anbieten.

So sieht es das Onlinezugangsgesetz (OZG) vor. Wie gut kommen die Kassen bei diesem ambitionierten Vorhaben voran? Was ist zu beachten, damit alle Seiten von den neuen Strukturen profitieren – Versicherte wie auch Beschäftigte in der Verwaltung? Das erläutert Nils Breuer, Leiter Beratung GKV bei PwC, im Interview.

Viele gesetzliche Krankenkassen bieten über ihre Homepages bereits gewisse Leistungen digital an. Erfüllen sie damit die Anforderungen des OZG?

Nils Breuer: Die Idee des OZG ist es, Bürger:innen alle Leistungen der öffentlichen Verwaltung über ein einheitliches Portal digital zugänglich zu machen. Dazu zählt der Service eines Einwohnermeldeamtes genauso wie der einer gesetzlichen Krankenkasse. Dabei ist es allerdings nicht damit getan, Formulare als pdf zum Download zur Verfügung zu stellen, die dann mit der Hand ausgefüllt und per Post zurückgeschickt werden. Ziel ist, möglichst viele Leistungen komplett online beantragen und auch die nötigen Nachweise digital einreichen zu können – also eine Abwicklung ohne Papier und Postzusteller. Selbst gesetzliche Krankenkassen, die Online-Services bieten, stehen im Zuge des OZG vor der Aufgabe, ihr Angebot auf das Bundesportal abzustimmen und auszuweiten. 

Wie weit sind die gesetzlichen Krankenversicherungen damit schon gediehen?

Um ehrlich zu sein: Ich weiß es nicht genau. Denn aktuelle Zahlen liegen derzeit nicht vor. Die letzte Erhebung fand zum 31. März 2020 statt. Damals entsprachen nur knapp zwölf Prozent der gesetzlichen Krankenversicherungen den Vorgaben des OZG. Ich bin mir aber sicher, dass inzwischen viel passiert ist. Die Quote liegt heute bestimmt deutlich höher.

Was bringt Sie zu dieser Einschätzung?

Breuer: Bei der Einstufung in die sogenannten OZG-Reifegrade spielt es eine entscheidende Rolle, ob eine GKV bereits an das Bundesportal angeschlossen ist. Im März 2020 war das aber noch gar nicht möglich, das Bundesportal ist erst seit Dezember in einer Basisversion online verfügbar. Schon allein deswegen werden viele Kassen heute deutlich besser abschneiden. Ansonsten packen die Versicherungen die Umsetzung des OZG unterschiedlich an: Die einen richten intern digitale Stabsstellen ein, die anderen ziehen externe Unternehmen hinzu.

Was ist das Rezept für eine erfolgreiche Umsetzung?

Breuer: Personell sollte eine zentrale Ansprechperson benannt werden, die die Verantwortung für die Umsetzung übernimmt und den Zeitplan im Blick behält. Zusätzlich halte ich Digitallots:innen für sinnvoll, die den nötigen Informationsfluss zwischen einzelnen Ressorts, aber auch zu anderen Versicherungen und dem GKV-Spitzenverband sicherstellen. Schließlich sollen in diesem Prozess ja Verwaltungsportale entstehen, die unter einem Dach angesiedelt sind und deswegen miteinander kompatibel sein sollten. Insofern ist eine enge Abstimmung wichtig. Für das Bundesportal selbst wurden bisher noch keine IT-Standards festgelegt. Gerade deswegen ist ein enger Austausch wichtig.

Gibt es Vorlagen und Muster?

Breuer: Die gibt es. Es muss also nicht jede Kasse das Rad neu erfinden. Das Bundesministerium des Innern (BMI) hat sogenannte Digitalisierungslabore eingerichtet. Dort erarbeiten Expertenteams Konzepte und Implementierungsprozesse für nutzerfreundliche Leistungsangebote. Auch der GKV-Spitzenverband hat Leitlinien erarbeitet, um die Umsetzung des OZG zu erleichtern. Ein Ergebnis davon ist beispielsweise der GKV-60-Leistungskatalog. Er dient als Leitfaden, welche Services zuallererst digitalisiert werden sollten. 

Eine weitere wichtige Komponente bildet das Föderale Informationsmanagement, kurz: FIM. Es stellt standardisierte Datenfelder für Formulare und Informationsaustausch bereit, die Krankenkassen nutzen können in der Gewissheit, dass sie damit durchdachte, rechtssichere Lösungen implementieren.

Was ist mit „nutzerfreundlich“ gemeint?

Breuer: Beim OZG geht es nicht einfach darum, den bestehenden Papierantrag ins Internet zu stellen. Ziel ist vielmehr, die Abläufe an den Bedürfnissen der Bürger:innen und Unternehmen auszurichten. Im Kern meint das, umständliche Prozesse zu vereinfachen. Unterm Strich geht es  um eine konsequente Kundenorientierung in der Verwaltung der Krankenkassen.

Ist es bis Ende 2022 zu schaffen, die Vorgaben es OZG zu erfüllen?

Breuer: Keine Frage: Es ist Zeit, die Ärmel hochzukrempeln. Denn es ist eine gewaltige Aufgabe. Aber ich bin zuversichtlich, dass das zu schaffen ist. Wir haben ja schon im Zuge der Covid-19-Pandemie erlebt, wie Verwaltungsleistungen im Eilverfahren digitalisiert wurden. Und man sollte nicht vergessen: Kundenfreundliche Strukturen gehen immer mit schlanken Verwaltungsprozessen einher. Vom OZG profitieren deswegen nicht nur die Versicherten, sondern langfristig auch die Beschäftigten in den Verwaltungen der Kassen selbst.

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Thorsten Weber

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Director, PwC Germany

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