11 August, 2017
Ab dem 1. Oktober 2017 gilt bundesweit für alle Krankenhäuser die Rahmenvereinbarung zum Entlassmanagement. Da die Vorgaben einen Großteil der Krankenhausstrukturen und –prozesse betreffen und die vorwiegend neu zu schaffenden Strukturen mit vorhandenem Personal und ohne zusätzliche finanzielle Ressourcen zu leisten sind, ist es für die meisten Krankenhäuser eine große Herausforderung, die Vorgaben zu erfüllen.
Anspruch auf ein Versorgungsmanagement im Krankenhaus besitzt jeder Patient nach § 11 Abs. 4 SGB V bereits seit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz aus dem Jahr 2007. Ausgeweitet wurde dieser Anspruch nun im Rahmen des bereits bestehenden GKV - Versorgungsstrukturgesetzes mit der Rahmenvereinbarung zum Entlassmanagement nach § 39 Abs. 1a Satz 9 SGB V. Im Rahmen des GKV-Versorgungsstärkungsgesetz sollte ursprünglich bis zum 31. Dezember 2015 eine Rahmenvereinbarung zum Entlassmanagement gemäß § 39 Abs. 1a Satz 9 SGB V geschlossen werden. Beauftragt dazu wurden die Deutsche Krankenhausgesellschaft, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der GKV-Spitzenverband. Im November 2015 wurden die Verhandlung zwischen den drei Parteien für gescheitert erklärt, sodass das erweiterte Bundesschiedsamt am 13. Oktober 2016 einen Rahmenvertrag zum Entlassmanagement festlegte. Gegen den Rahmenvertrag klagte die Deutsche Krankenhausgesellschaft und erwirkte nach mehreren Gesprächsterminen unter der Moderation des Bundesministeriums für Gesundheit eine Verschiebung des Umsetzungstermins auf den 1. Oktober 2017 sowie weitere inhaltliche Anpassungen.
Da trotz intensiver Verhandlungen nicht zu allen regelungsbedürftigen Tatbeständen Einigkeit zwischen den Vertragsparteien erzielt werden konnte, hat das Bundesschiedsamt am 13. Oktober 2016 über den Rahmenvertrag Entlassmanagement entschieden. Im Ergebnis wurden Vertragsinhalte festgesetzt, die den Anspruch der Versicherten auf ein Entlassmanagement gegenüber dem Krankenhaus sowie auf Unterstützung des Entlassmanagements durch die Kranken- bzw. Pflegekasse umsetzen.
Ab dem 1. Oktober 2017 gilt bundesweit in allen Krankenhäusern die Rahmenvereinbarung zum Entlassmanagement gemäß § 39 Abs. 1a Satz 9 SGB V.
Dies ist zum 1. Oktober 2017 bundesweit in allen deutschen Krankenhäusern umzusetzen. Da das Entlassmanagement künftig eine originäre Aufgabe des Krankenhauses darstellt, besitzen Patienten nun einen gesetzlichen Anspruch auf eine geregelte Versorgung im Anschluss an den Krankenhausaufenthalt, welcher durch das Krankenhaus nachzukommen ist. Dies ist nun ein Bestandteil der stationären Behandlung.
Inhalt der Rahmenvereinbarung sind Vorgaben, welche die bedarfsgerechte und lückenlose Versorgung im Anschluss an den Krankenhausaufenthalt sicherstellen sollen. Dadurch soll die sektorübergreifende Versorgung - zwischen dem stationären und ambulanten Bereich - verbessert werden. Da die Vorgaben einen Großteil der Krankenhausstrukturen und –prozesse betreffen und die vorwiegend neu zu schaffenden Strukturen mit vorhandenem Personal und ohne zusätzliche finanzielle Ressourcen zu leisten sind, ist es für die meisten Krankenhäuser eine große Herausforderung, die Vorgaben zu erfüllen.
Durch die Rahmenvereinbarung wird u.a. ermöglicht, dass künftig Leistungen wie z.B. Heilmittel, Hilfsmittel, Soziotherapie, häusliche Krankenpflege und Arzneimittel von einem Facharzt verordnet werden können oder eine Arbeitsunfähigkeit bescheinigt werden kann. Mit diesen neu geschaffenen Möglichkeiten geht auch einher, dass die IT-Strukturen in den Krankenhäusern anzupassen sind, um die Daten den Vorgaben entsprechend und fristgerecht sowie datenschutzkonform an die Kranken- und Pflegekassen weiterleiten zu können. Um die Neuerungen, die durch die Rahmenvereinbarung ermöglicht werden, auch zielführend einsetzen zu können, ist der tatsächliche Bedarf der Patienten nach dem Krankenhausaufenthalt zu ermitteln. Gemäß der Rahmenvereinbarung erfolgt dies bereits parallel zum Krankenhausaufenthalt und beginnt mit der Aufnahme des Patienten im Krankenhaus. Da das Entlassmanagement nur für komplexe Fälle durchzuführen ist, sind diese Fälle möglichst frühzeitig zu identifizieren, bspw. bei der Aufnahme, damit die Krankenhausbehandlung und die weiterführende Versorgung im Anschluss an den Krankenhausaufenthalt sichergestellt werden kann.
Ein funktionierendes Entlassmanagement unter Berücksichtigung der Rahmenvereinbarung geht mit einer umfassenden Prozessanalyse aller am Entlassprozess beteiligten Bereiche einher.
Aufgrund dessen, dass im Entlassmanagement viele Bereiche im Krankenhaus zu berücksichtigen sind, müssen zunächst die vorhandenen Strukturen einer übergreifenden Prozessanalyse unterzogen und anschließend angepasst werden. Erst wenn die bestehenden Prozesse und Schnittstellen bekannt sind und mit allen am Entlassprozess beteiligten Bereichen die bereits vorhandenen Prozesse und Strukturen aufgenommen wurden, kann ein Konzept für die erfolgreiche Implementierung des zukünftigen Entlassmanagements erstellt werden.
Da ein Großteil der Prozesse durch die Vereinbarungen zum Entlassmanagement im Krankenhaus zu betrachten und zu optimieren ist, besteht auch für jedes Krankenhaus die Chance, ökonomische Potenziale zu heben. Dies ergibt sich zum einen durch die Optimierung der Prozesse im gesamten Haus und zum anderen durch die Steuerung komplexer Behandlungsfälle, die häufig mit einer überdurchschnittlich langen Verweildauer und einer zeitintensiven Behandlung einhergehen. Durch die nähere Betrachtung der durch das Entlassmanagement identifizierten Patienten können personelle, strukturelle und finanzielle Ressourcen geschont werden, sofern die Prozesskette zielorientiert optimiert und erfolgreich implementiert wurde.
Durch die Kombination des Entlassmanagements mit einem Case Management können die gesetzlichen Anforderungen zielführend erbracht und koordiniert werden.
Jedoch wird bei näherer, umfassender Betrachtung des Entlassmanagements deutlich, dass in diesem Prozess eine zentrale Koordinierungsstelle fehlt, an die alle beteiligten Mitarbeiter berichten. Allein aufgrund der Tatsache, dass viele koordinatorische und organisatorische Tätigkeiten an unterschiedlichsten Stellen im Krankenhaus angesiedelt sind, ist eine zentrale Koordinationsstelle unumgänglich. Da eine solche zentrale Koordinierungsstelle nicht vorgesehen ist, besteht das Risiko, dass die eigentlich gute Idee eines Entlassmanagements nicht ausreichend weit ausgebaut wird, es vermehrt zu Doppelarbeiten kommt und ökonomische Potenziale nicht gehoben werden. Der Gesetzgeber hat ein Entlassmanagement mit Elementen aus dem Case Management vorgegeben, jedoch ohne Vorgaben, die notwendigen Strukturen zu schaffen und deren Refinanzierung sicher zu stellen. Die Bedürfnisse des Patienten und dessen Anspruch auf eine geregelte Versorgung nach dem Krankenhausaufenthalt wurden als Ziel formuliert. Des Weiteren erhalten die ausführenden Beteiligten im Krankenhaus mehr Möglichkeiten, bspw. das Verordnen von Heil- und Hilfsmitteln, um das Ziel einer lückenlosen Versorgungskette zu erreichen. Dies war zuvor aufgrund der strikten Trennung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung in dieser Form nicht möglich. Dennoch lässt der Gesetzgeber die konkrete und effiziente Umsetzung des Entlassmanagements in den einzelnen Häusern offen. Aufgrund dessen sollten Krankenhäuser bei der Konzeptentwicklung und Implementierung eines Entlassmanagements in Betracht ziehen, gleich ein umfassendes und zielführendes Case Management mit zu installieren.
Die Deutsche Gesellschaft für Care und Case Management definiert Case Management: u.a. als eine Verfahrensweise in Organisationen, in diesem Kontext Krankenhäuser, welche „bedarfsentsprechend im Einzelfall eine nötige Unterstützung, Behandlung, Begleitung, Förderung und Versorgung von Menschen angemessen“ bewerkstelligt.
In nachfolgender Grafik sind die einzelnen Phasen des Case Managements aufgeführt, die bereits zu einem gewissen Anteil im Entlassmanagement enthalten sind. So ist im Entlassmanagement bspw. die Phase des Assessments mit der des Case Managements nahezu identisch. Nachdem der tatsächliche Bedarf der Patienten im Assessment identifiziert wurde, ist die Versorgung der Patienten im Anschluss an den Krankenhausaufenthalt zu planen. Die Planung kann nur erfolgreich verlaufen, sofern auf Leistungserbringer im und außerhalb des Krankenhauses zurückgegriffen werden kann. Die Abstimmung der notwendigen Versorgung mit den Leistungserbringern erfolgt im Linking. Auch dieses Element des Case Managements findet sich in der Rahmenvereinbarung zum Entlassmanagement wieder. Zwar wird der Begriff des Linking nicht wörtlich aufgegriffen, jedoch wird in der Rahmenvereinbarung darauf verwiesen, dass „das Krankenhaus frühzeitig den Kontakt zum weiterbehandelnden und ggf. weiterversorgenden Leistungserbringer aufnimmt, um die Überleitung des Patienten anzubahnen“. In nachfolgender Grafik ist abgebildet, dass das Case Management in das Entlassmanagement eingebettet werden kann.
Da aufgrund des hohen Umfangs des Entlassmanagements fraglich bleibt, inwiefern die ersten Versorgungsschritte nach dem Krankenhausaufenthalt ausreichend sind, um dem sog. Drehtüreffekt entgegenzuwirken und eine langfristige Versorgung der Patienten zu sichern, kann durch ein Case Management die Versorgung durch ein langfristiges und nachhaltiges Monitoring der komplexen Fälle gewährleistet werden. Des Weiteren wird durch das Case Management die Qualität des Entlassmanagements bzw. die Versorgung der Fälle überprüft. Um dies zu ermitteln ist in regelmäßigen Abständen eine Evaluation vorgesehen, sodass die Qualität der Entlassung überprüft und gegebenenfalls angepasst werden kann. Im Gegensatz zum Case Management ist das Entlassmanagement, so wie es vorgesehen ist, ab dem Zeitpunkt der Entlassung der Patienten abgeschlossen. Es erfolgt keine Evaluation der entlassenen Patienten und ggf. auch keine Überprüfung der durchgeführten Versorgungsleistung. Dabei können gerade in der Phase der Evaluation wichtige Anhaltspunkte ermittelt werden, warum es bspw. bei einer Diagnose gehäuft zu Wiederaufnahmen kommt, die durch eine Optimierung des Entlassmanagements behoben werden können. Dies schafft sowohl auf Seiten der Patienten als auch auf der des Krankenhauses einen Mehrwert.
Schlussendlich enthält die Rahmenvereinbarung zum Entlassmanagement eine Fülle an Vorschriften, die die Krankenhäuser künftig erfüllen müssen. Mit einem ausgereiften Konzept zur Implementierung des Entlassmanagements und eines Case Managements schaffen die Krankenhäuser die Möglichkeit, komplexe Behandlungsfälle zu identifizieren, deren Behandlung sowie Versorgung im Anschluss an den Krankenhausaufenthalt im Sinne der Rahmenvereinbarung des Entlassmanagements zu sichern, wirtschaftliche Potenziale durch effiziente Fallsteuerung zu heben und effiziente Prozesse im gesamten Haus zu schaffen, welche die personellen und finanziellen Ressourcen schonen.