Das Geschlecht macht den Unterschied, gerade in der Medizin. Das verdeutlicht die Gendermedizin, die geschlechterspezifische oder -sensible Medizin, die eine optimale Versorgung aller Geschlechter gewährleisten will. Inzwischen weiß man, dass Frauen und Männer unterschiedliche Krankheitssymptome zeigen oder anders auf Medikamente reagieren. Doch wie ist der Stand in der Praxis? Werden die biologischen Unterschiede und Aspekte von Gender auch im Versorgungsalltag berücksichtigt? Welche Erwartungen haben Patient:innen? Antworten gibt eine repräsentative Studie zur Gendermedizin, für die PwC rund 1.000 Bürger:innen befragt hat. Die Befragung zeigt, dass es beim Thema Gendermedizin noch viel Aufholbedarf gibt und sie im Versorgungsalltag noch nicht angekommen ist.
„Um das geschlechterbezogene Ungleichgewicht in der Gesundheitsversorgung (Gender Health Gap) zu beseitigen und einer geschlechtergerechten Präzisionsmedizin den Weg zu ebnen, entwickeln wir bei PwC bereits KI-basierte Anwendungen, welche die Daten der Geschlechter gleichermaßen mit einbeziehen. Dadurch könnten Menschen bald differenzierter behandelt und das Gesundheitssystem entlastet werden.“
Das Geschlecht kann – auch im Sinne einer individualisierten Medizin – wesentlich zu einer guten Gesundheitsversorgung beitragen. Doch in Arztpraxen und Krankenhäusern ist diese Botschaft nur zum Teil angekommen: Lediglich in zehn Prozent der Gespräche gehen Ärzt:innen immer auf geschlechterspezifische Gesundheitsfaktoren ein. In 36 Prozent der Fälle geschieht dies manchmal und bei 45 Prozent kommen geschlechterspezifische Aspekte gar nicht zur Sprache.
Frauen und Männer haben unterschiedliche Gesundheitsbedürfnisse und werden anders krank. Im Versorgungsalltag wird das nicht immer berücksichtigt – nur 21 Prozent der Befragten finden, dass Diagnostik und Therapie sehr gut auf ihr Geschlecht abgestimmt sind. Jede:r Zweite bestätigt das zumindest teilweise. Hingegen sagen 30 Prozent, dass die Behandlung nicht oder überhaupt nicht an das eigene Geschlecht angepasst ist.
Das Thema Gendermedizin ist in der Öffentlichkeit noch vergleichsweise wenig bekannt. Lediglich 38 Prozent wissen, dass sich hinter dem Begriff die geschlechterspezifische Erforschung und Behandlung von Krankheiten verbirgt. Hingegen können 20 Prozent mit dem Begriff gar nichts anfangen und 34 Prozent vermuten dahinter fälschlicherweise den Unterschied zwischen dem biologischen Geschlecht und der Geschlechtsidentität.
„Es ist dringend notwendig, die geschlechtersensible Medizin zu stärken und Gender-Aspekte konsequent in Forschung und Lehre zu verankern. Nur so erreichen wir eine individualisierte und hochwertige Gesundheitsversorgung für alle Geschlechter.“
Trotz dieser Unsicherheit besteht in der Bevölkerung großes Interesse an einer geschlechtersensiblen Medizin. Insgesamt 68 Prozent der Befragten wünschen sich mehr Aufklärung zum Thema – entweder, weil sie die geschlechtsspezifische Forschung und Behandlung für wichtig halten (41 Prozent) oder weil aus ihrer Sicht Informationen dazu schwer auffindbar sind (27 Prozent). Fast ein drittel fühlt sich bereits ausreichend aufgeklärt.
Das Interesse von Seiten der Patient:innen nach mehr Aufklärung besteht – ebenso wie der Wunsch nach Stärkung der Gendermedizin: So fordern 54 Prozent, dass der Gesetzgeber klare Vorgaben zu einer geschlechterspezifischen Gesundheitsversorgung machen soll. Ein wesentlicher Faktor für die Stärkung der Gendermedizin ist, das Thema zum Teil der medizinischen Ausbildung zu machen. Dafür sprechen sich 51 Prozent aus. 31 Prozent verhalten sich dazu neutral, und nur zehn Prozent sind dagegen.
„Noch immer orientiert sich die medizinische Forschung vorwiegend am männlichen Geschlecht, noch immer werden Krankheitssymptome nicht erkannt, die spezifisch für Frauen sind, zum Beispiel im Falle eines Herzinfarktes. Damit sind Gesundheitsgefahren verbunden, die vermeidbar wären.“
Michael Ey,Co-Lead Gesundheitswirtschaft bei PwC DeutschlandFür die Studie wurden 1.006 Teilnehmer:innen (Mindestalter: 18 Jahre) im Erhebungszeitraum November 2023 befragt. Die Studie ist bevölkerungsrepräsentativ. Ergebnisse sind auf eine Nachkommastelle gerundet (in den Grafiken).
Roland M. Werner
Partner, Leiter Gesundheitswirtschaft & Pharma, PwC Germany
Tel.: +49 170 7628-557