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Michael Ey
Partner, Co-Lead Gesundheitswirtschaft bei PwC Deutschland
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Der Umbau der Krankenhauslandschaft, die Neuregelung der Finanzierung, die Reform der gesetzlichen Pflegeversicherung, die digitale Transformation: Das deutsche Gesundheitswesen steht vor einem tiefgreifenden Wandel. Wird es all diese Baustellen bewältigen können? Kann es die „Revolution“ geben, die Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach angekündigt hat?
Die Bürger:innen haben eher Zweifel daran: Lediglich acht Prozent der Deutschen sind sehr zuversichtlich, dass die angekündigten Reformen das deutsche Gesundheitssystem voranbringen werden. Immerhin 25 Prozent bezeichnen sich als eher zuversichtlich.
Insgesamt ist die Zufriedenheit mit dem Gesundheitswesen gegenüber den Vorjahren spürbar gesunken. Das sind zentrale Ergebnisse des „Healthcare-Barometers 2024“, für das PwC – bereits zum zehnten Mal in Folge – 1.000 Bürger:innen zu ihrer Einschätzung des deutschen Gesundheitswesens befragt hat.
„Die Bereitschaft der Bürger:innen, Gesundheitsdaten zu teilen und sich auf neue Technologien wie Video-Sprechstunden oder künstliche Intelligenz einzulassen, ist da. Umso wichtiger ist es jetzt, dass die digitale Transformation im Gesundheitswesen voranschreitet und die Gesundheitspolitik Mut zu echten Reformen hat.“
Das gute Image des deutschen Gesundheitswesens hat erneut einige Kratzer bekommen: Lediglich 52 Prozent der Deutschen zählen es noch zu den drei besten Systemen der Welt. Damit ist die Zufriedenheit auf den niedrigsten Wert seit Beginn der Befragungen gesunken (gleichauf mit 2019). Gegenüber dem Vorjahr hat sich dieser Wert um fünf Prozentpunkte verringert. Im Jahr 2020 – zur Hochphase der Pandemie – lag die Zustimmung noch bei 72 Prozent. Dabei fällt auf, dass die Bewertung stark vom Alter abhängt: Jüngere Generationen (18 bis 34 Jahre) urteilen weniger kritisch als ältere Patient:innen (ab 55 Jahre), die mehr Berührungspunkte mit dem Gesundheitswesen haben.
Der Fachkräftemangel ist im Bewusstsein der Versicherten angekommen: Drei Viertel der Befragten bezeichnen das fehlende Fachpersonal als größte Herausforderung der Gesundheitsbranche – mit großem Abstand vor anderen Faktoren wie der Versorgungsqualität (51 Prozent) und der Sicherung der Versorgung im ländlichen Raum (47 Prozent). Welche Auswege sehen die Bürger:innen aus dieser Lage? 74 Prozent sind davon überzeugt, dass eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen die Personalnot lindern könnte, und 66 Prozent sprechen sich für Gehaltserhöhungen aus. Die Anwerbung von internationalen Fachkräften sehen 32 Prozent als Lösungsansatz.
Personal- und Zeitknappheit machen sich auch in der ärztlichen Versorgung bemerkbar. Die Zufriedenheit mit den Behandlungen ist gegenüber dem Vorjahr um zwei Prozentpunkte leicht auf 35 Prozent gesunken. Zum Vergleich: Im Jahr 2021 lag die Zustimmung noch bei 43 Prozent. Die Patient:innen kritisieren vor allem, dass Mediziner:innen sich zu wenig Zeit nehmen, wie 40 Prozent bestätigen (Vorjahr: 36 Prozent). Offenbar steigt der Zeitdruck in den Praxen. Weitere Kritikpunkte: Die Befragten fühlen sich vom medizinischen Personal nicht ernst genommen, kommen mit den Öffnungszeiten nicht zurecht oder halten die Ärzt:innen nicht für kompetent genug.
Während der Corona-Pandemie haben die Bürger:innen den Krankenhäusern viel Wertschätzung entgegengebracht – jetzt hat sich der Zufriedenheitswert wieder auf das Vor-Pandemie-Niveau eingependelt und liegt aktuell bei 52 Prozent (Vorjahr: 51 Prozent). Auffällig ist, dass Frauen die stationäre Versorgung etwas kritischer beurteilen als Männer – 48 versus 56 Prozent Zustimmung. Wenn es um die Wahl der Klinik geht, gelten Hausärzt:innen als wichtigste Stimme, wie 50 Prozent bestätigen.
Die Qualität der stationären Versorgung spielt eine große Rolle. Entsprechend würden fast acht von zehn Befragten lange Wege in Kauf nehmen, wenn sie einen komplexen Eingriff vor sich haben.
Die Krankenversicherungen genießen traditionell hohes Ansehen in der Bevölkerung. Dieser Trend setzt sich aktuell fort: Wie im Vorjahr sind 87 Prozent der Versicherten mit der Arbeit der Krankenkassen zufrieden oder sehr zufrieden. Nahezu ebenso hoch ist der Zustimmungswert mit 83 Prozent bei der Frage, ob die Versicherer alle relevanten Leistungen bewilligen. Dieser Wert fällt unter den privat Versicherten mit 87 Prozent noch etwas höher aus.
Die Anerkennung in der Bevölkerung zeigt sich auch im Vertrauen in die Transformationskraft der Krankenkassen: Mehr als jede:r Zweite bewertet sie in Sachen Digitalisierung und Innovation als fortschrittlich.
Pharmaunternehmen kämpfen seit langem mit einem Image als Gewinnmaximierer. Doch während der Pandemie ist es der Branche gelungen, ihr Image deutlich zu verbessern – auch durch die Erfolge bei der Impfstoff-Entwicklung. Diesen Imagegewinn kann die Branche halten: 31 Prozent bezeichnen Pharmaunternehmen als innovative Firmen, die mit ihren Produkten Krankheiten heilen.
Innovation spielt bei der Beurteilung der Branche nach wie vor die entscheidende Rolle: Die Mehrheit wünscht sich innovative Medikamente – mehr als preisgünstige Generika.
In Zeiten von Krisen und politischen Unsicherheiten ist die Angst vor Lieferengpässen in der Medikamentenversorgung groß, wie zwei Drittel der Deutschen bestätigen. Entsprechend sorgen 21 Prozent vor. 57 Prozent wünschen sich, dass Medikamente in Europa hergestellt werden.
Die Offenheit für telemedizinische Sprechstunden ist groß. 72 Prozent der Deutschen würden sich gern den Gang zum Arzt sparen, vor allem dann, wenn es sich um leichte Erkrankungen handelt. Und 57 Prozent bestätigen, dass sie in jedem Fall Video-Sprechstunden nutzen würden.
Daten sind ein wichtiges Gut in der medizinischen Forschung. Das scheint den meisten Menschen in Deutschland bewusst zu sein. So erklären sich acht von zehn Versicherten dazu bereit, ihre Informationen der Wissenschaft zur Verfügung zu stellen. Die Hälfte erwartet allerdings eine Gegenleistung in Form von Entgelt oder Mehrwert.
Beim Einsatz von künstlicher Intelligenz durch Krankenkassen überwiegt die Skepsis. Nur 24 Prozent befürworten die Nutzung uneingeschränkt. In diesem Punkt herrscht noch großer Aufklärungsbedarf: 46 Prozent sind unschlüssig und wünschen sich mehr Informationen.
Beim Opt-Out-Verfahren zur elektronischen Patientenakte (ePa) ist noch mehr Aufklärung notwendig: Bislang unterstützen nur 35 Prozent das Opt-Out-Verfahren, die Möglichkeit des Widerspruchs, uneingeschränkt. 18 Prozent wünschen sich eine explizite Einwilligung zu Teilnahme an der ePa; 27 Prozent sind unschlüssig und 14 Prozent verhalten sich neutral.
„Die Ergebnisse unserer Befragung zeigen, dass die Menschen in Deutschland sich ein echtes Zukunftskonzept für die Gesundheitsversorgung wünschen, das den Namen verdient. Den Krisenmodus müssen wir hinter uns lassen. Die wesentlichen Eckpfeiler: eine bessere Verzahnung des ambulanten und stationären Sektors oder die konsequente Nutzung von Telemedizin und Digitalisierung.“
Michael Ey,Partner und Co-Lead Gesundheitswirtschaft bei PwC DeutschlandHealthcare-Barometer 2024
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Für die Studie wurden 1.000 Bürger:innen im Erhebungszeitraum Dezember 2023 befragt. Die Studie ist bevölkerungsrepräsentativ. Ergebnisse wurden auf ganze Zahlen gerundet.