Ein Interview mit Michael Ey, Benjamin Schrödl und Anna Prahl. Wie steht es um die Gebäude und die Infrastruktur deutscher Krankenhäuser? Welche Trends werden die weitere Entwicklung der Kliniken beeinflussen? Wie lassen sich Bauprojekte im Gesundheitssektor erfolgreich steuern? Antworten auf diese Fragen gibt die PwC-Studie „Grün und digital: Das Krankenhaus der Zukunft“. Im Interview erklären Michael Ey, Leiter des Bereichs Gesundheitswirtschaft bei PwC Deutschland, Benjamin Schrödl, Partner im Bereich Real Estate, und Anna Prahl, Senior Managerin Construction Advisory Services, wie sie die Ergebnisse werten.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) kam zu dem Schluss: Die Investitionsfinanzierung durch die Länder bleibt ein Trauerspiel. Damit vergrößere sich der Investitionsstau in deutschen Krankenhäusern weiter. Steht es wirklich so ernst um die bauliche Infrastruktur unserer Kliniken?
Benjamin Schrödl: Ja, die deutsche Krankenhauslandschaft steht vor einem gravierenden Modernisierungsstau. Wir haben viele Häuser, die über Jahrzehnte historisch gewachsen sind, aber nie grundlegend modernisiert wurden. Mit dieser veralteten baulichen Substanz geht die Gefahr hoher Instandhaltungs- und Betriebskosten einher, die den Gewinn schmälern. Wir haben für die Jahre 2017 bis 2021 die wesentlichen Kennzahlen zur Gebäudestruktur von 140 deutschen Krankenhäusern ausgewertet. Alle Kenngrößen deuten darauf hin, dass ein Investitionsstau besteht: etwa die Investitionsquote, die 2021 trägerübergreifend bei 12,3 Prozent lag. Das ist zu wenig, um die Gebäude auf dem aktuellen Stand zu halten. Krankenhäuser, die wettbewerbs- und zukunftsfähig bleiben wollen, müssen dringend in ihre bauliche und technische Infrastruktur investieren. In diesem Zusammenhang stellt sich nur die Frage, wie sie das finanzieren sollen.
Müsste die Krankenhausfinanzierung überdacht werden, die derzeit nach dem dualen Prinzip erfolgt?
Michael Ey: Ob die duale Finanzierung tauglich ist oder nicht, können wir regelmäßig nicht abschließend beurteilen, weil die Bundesländer ihren Investitionsverpflichtungen nicht nachkommen. Deshalb müssen die Krankenhäuser aus den DRGs Gelder für Investitionen praktisch fremd einsetzen. Daher ist die Diskussion um nicht ausreichende DRGs ebenfalls sehr schwierig, weil sie maßgeblich von der Unterfinanzierung der Investitionen beeinflusst wird.
Ich könnte daher der aktuellen Finanzierung durchaus etwas abgewinnen, wenn die beiden Finanzierer – Länder für Investitionen, Krankenkassen für operative Ausgaben – ihren Aufgaben in vollem Umfang nachkommen würden.
Warum spielen die baulichen Strukturen überhaupt eine solch wichtige Rolle für den erfolgreichen Betrieb eines Krankenhauses?
Anna Prahl: Den Gebäuden und deren Infrastruktur einer Klinik kommt eine Schlüsselfunktion zu, denn sie unterstützen alle Abläufe eines Hauses. Gleichzeitig sollen sie den Patient:innen eine Atmosphäre bieten, die ihren Genesungsprozess unterstützt, und den Mitarbeitenden in Zeiten des Fachkräftemangels ein Umfeld, in dem sich gut arbeiten lässt. Für Krankenhäuser ist es eine schwierige Balance, die technischen, medizinischen und hygienischen Voraussetzungen zu erfüllen und parallel einladend zu wirken. Mit dem medizinischen und technologischen Fortschritt wachsen die Anforderungen an die Gebäudeinfrastruktur. Hinzu kommt der Umbruch in der Gesundheitsbranche, der zu einer Konzentration von Gesundheitsdienstleistungen führt und die bisherige flächendeckende Versorgung allmählich ablöst. Der Krankenhausbau muss sich auf diese Veränderungen einstellen.
Wie kann das nach Ihrer Einschätzung gelingen?
Prahl: Vor allem mit dem Einsatz neuer Technologien. Die Digitalisierung setzt sich auch beim Bau und Betrieb von Krankenhäusern immer stärker durch. Wichtige Stichworte sind dabei Building Information Modeling (BIM) oder der digitale Zwilling, Technologien, mit denen sich virtuelle Abbilder eines Bauwerks schaffen lassen. Auch modulare Bauweisen bewähren sich gerade im Krankenhausbau, weil sie eine hohe Flexibilität, Planungssicherheit und Nachhaltigkeit in der Herstellung gewährleisten.
Wir stellen in der Praxis allerdings fest, dass viele Unternehmen in puncto Digitalisierung noch zurückhaltend agieren – so gibt bislang lediglich jede fünfte Firma branchenübergreifend an, über solide Fähigkeiten im digitalen Bauen zu verfügen. Doch das wird sich ändern, denn die Vorteile liegen auf der Hand: Das modulare digitalisierte Bauen steht für eine verlässliche Termin- und Kostenplanung, schlanke Prozesse und eine transparente Kommunikation zwischen allen Beteiligten, von Projektbeginn an.
Die Gesundheitsbranche war bislang beim Thema Nachhaltigkeit kaum im Fokus, obwohl sie in Deutschland für 5,2 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich ist. Wird sich das in den kommenden Jahren ändern?
Ey: Viele Krankenhäuser sehen zwar die Sinnhaftigkeit, in Nachhaltigkeit zu investieren. Die aktuelle finanzielle Situation lässt viele Kliniken mehr um das finanzielle Überleben kämpfen als das Thema Nachhaltigkeit als Top Priorität anzusehen. Gleichzeitig kommen auf die Kliniken durch die EU Verpflichtungen zu, die für 2025 gesetzliche Vorgaben von praktisch allen Kliniken verlangen. Insofern wird das Thema Nachhaltigkeit bei allen Kliniken in den nächsten zwei Jahren definitiv auf die strategische Agenda kommen müssen.
Worauf kommt es bei einem Neubau oder einer Sanierung von Krankenhausbauten an – was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Erfolgsfaktoren?
Schrödl: Bauprojekte im Krankenhaussektor sind komplex, weil sie den Ansprüchen vieler Seiten genügen müssen und nicht selten im laufenden Betrieb durchgeführt werden. Hinzu kommt, dass sie auf Langlebigkeit ausgerichtet sind, denn ein Krankenhaus kann seinen Standort nicht mal eben so verändern. Wichtig ist die klare Definition konkreter Ziele und Meilensteine vor Projektbeginn und eine transparente Kommunikation darüber mit allen Projektbeteiligten.
Für ebenso zentral halte ich eine strikte Kostenüberwachung, denn Krankenhäuser haben überschaubare Budgets und sind auf öffentliche Gelder angewiesen. Das gelingt durch die Definition von Kosten im Vorfeld und eine strikte Überwachung durch ein geeignetes Controlling-System. Ebenso sollte der Fokus auf dem Risikomanagement liegen, denn Bauprojekte im Gesundheitswesen unterliegen zahlreichen Risiken, etwa Termin- und Kostenüberschreitungen sowie regulatorischen Risiken. Das kann gewährleistet werden, wenn Risikomanagement als kontinuierlicher Prozess verstanden wird.