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Patrick Ziechmann
Partner, Advisory Retail & Consumer Goods Industry
bei PwC Deutschland
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Modehersteller und Modehandel standen bereits vor dem Jahr 2020 erheblich unter Druck. Die COVID-19-Pandemie hat die deutsche Modebranche nun zusätzlich schwer getroffen: Im Frühjahr 2020 waren die stationären Läden über Wochen geschlossen, nach der Wiedereröffnung galten zum Teil strenge Auflagen – und im umsatzstarken Weihnachtsgeschäft sowie aktuell bis Ende Januar sind die Geschäfte erneut geschlossen. Das Onlinegeschäft kann diese Einbußen nur teilweise auffangen.
Dazu kommt: Noch immer arbeiten viele Menschen im Homeoffice. Dadurch kaufen sie nicht nur seltener im stationären Einzelhandel ein, sondern benötigen auch weniger neue Business-Outfits. Und auch in der Freizeit gibt es kaum mehr Anlässe, die Menschen dazu animieren, sich neue Kleidung zu kaufen. Diese Entwicklungen stürzen die deutsche Modebranche in eine tiefe wirtschaftliche Krise.
„COVID-19 hat die ohnehin angespannte Situation der Modebranche deutlich verschärft. Eine Erholung ist nur langsam zu erwarten. Die Pandemie wirkt aber auch als Beschleuniger für die dringend notwendige Transformation der Branche und als Katalysator für neue Geschäftsmodelle.“
Der internationale Markt für Bekleidung war bis 2019 von solidem Wachstum gekennzeichnet. Zwischen 2016 und 2023 wächst die globale Bekleidungsindustrie um durchschnittlich 3,7 Prozent pro Jahr (Deutschland: 2,4 Prozent). Diese Entwicklung hat die Branche in erster Linie der weltweit wachsenden Mittelschicht zu verdanken, die unbegrenzten Zugriff auf E-Commerce, Social Media und Kreditkarten hat.
Am globalen Wachstum konnte der deutsche Modehandel jedoch kaum partizipieren. Zwar entfielen rund fünf Prozent der privaten Konsumausgaben 2019 auf Bekleidung und Schuhe; der Umsatz deutscher Bekleidungshersteller sank jedoch im selben Jahr um 2,6 Prozent, und auch der durchschnittliche Umsatz pro Kunde ist hierzulande seit Jahren rückläufig. Bislang profitierten am ehesten die Anbieter von Fast Fashion und Onlinehändler.
Entsprechend lassen sich seit einigen Jahren Konsolidierungstendenzen in der deutschen Modebranche beobachten. Die Anzahl der Betriebe in der Bekleidungsbranche ist zwischen 2010 und 2019 um 31 Prozent zurückgegangen. Die Konsolidierung der Modebranche vollzieht sich dabei vor allem bei kleineren Betrieben mit weniger als 100 Beschäftigten.
„Wir beobachten, dass Marktteilnehmer ohne strategische Neuausrichtung verschwinden und für hohe Leerstände in deutschen Innenstädten sorgen. Nur wer die anspruchsvolle Kundschaft mit einem einzigartigen und nahtlosen Einkaufskonzept begeistert, kann bestehen.“
Wie viele andere Branchen hat COVID-19 die Modebranche unvorbereitet getroffen. Besonders der Lockdown und die noch immer geltenden Einschränkungen in den physischen Geschäften machen der Branche zu schaffen. Im März und April 2020 ist der Umsatz im stationären Einzelhandel für Textil im Vergleich zum Vorjahr um 42 beziehungsweise 76 Prozent eingebrochen. Auch im Mai und Juni 2020, nach der Aufhebung der Einschränkungen, lagen die Umsätze um 29 beziehungsweise 22 Prozent unter dem Vorjahr.
Sichtbar wird dafür eine Verschiebung zum Onlinehandel: Die Konsumenten haben die Einschränkungen und Lieferengpässe im stationären Handel zum Teil durch Einkäufe in Onlineshops substituiert. Vor allem etablierte Onlineplayer haben vom Lockdown und dem nur langsam zurückkehrenden Konsumentenvertrauen in den stationären Handel profitiert.
Um Arbeitsplätze zu sichern und sich vor der Insolvenz zu schützen, haben die Modehändler und -hersteller verschiedene Maßnahmen ergriffen – von der Beantragung des Kurzarbeitergelds über Steuer- und Mietstundungen bis hin zu öffentlichen Förderdarlehen. Diese Maßnahmen wirken kurzfristig. Auf lange Sicht braucht es eine strategische Neuausrichtung, die aktuelle Branchentrends berücksichtigt.
Die COVID-19-Pandemie hat zahlreiche Konsumtrends, vor allem im Onlinehandel, beschleunigt. Die dadurch ausgelösten Veränderungen im Shoppingverhalten – online wie stationär – werden auch nach der Corona-Zeit bestehen bleiben.
Die COVID-19-Pandemie hat den Trend zur Digitalisierung signifikant beschleunigt und ist Katalysator der digitalen Disruption. Gewinner der Digitalisierung im stationären Einzelhandel sind innovative Händler, die es schaffen, eine inspirierende und zugleich reibungslose Customer Journey von der Ideensuche bis zur Kaufentscheidung aufzubauen. Omnichannel-Konzepte verbinden dabei digitale und stationäre Vorteile.
Die Veränderung des Konsumverhaltens insbesondere bei der jungen Generation setzt den stationären Einzelhandel unter Druck, sich neu zu erfinden. Innenstädte mit Einzelhändlern, die ihren Kunden keinen Zusatznutzen bieten können, verlieren an Attraktivität. Wer stationäre Vorteile mit digitaler Bequemlichkeit kombiniert – etwa Click & Collect oder die Möglichkeit, online einzusehen, wie voll es im Laden ist – wird jedoch auch weiterhin für alle Generationen unabdingbar sein.
Vor allem jüngere Konsumenten unter 30 Jahren legen großen Wert auf die Vernetzung des stationären Einkaufserlebnisses mit dem umfangreichen Informationsschatz des mobilen Internets. Sie erwarten eine allumfassende Informationstransparenz – vom Preis über die Qualität bis hin zur Produktherkunft. Die Investition in digitale Services bindet die Kundschaft der Zukunft an eine Marke.
In der gesamten Wertschöpfung der Modeindustrie – von der Ideenfindung bis zur Auslieferung der neuesten Kollektion – lässt sich der Trend zur Individualisierung ausmachen. Die Personalisierung von Produkten und Dienstleistungen wird zum Zeichen der Differenzierung und Symbol der gelebten Einzigartigkeit. Beispiele für die Individualisierung im Modemarkt sind die Co-Kreation von Designs, individuelle Maßanfertigung, personalisiertes Marketing oder Online-Stilberatung.
Insbesondere die jungen Verbraucher prägen die Ansprüche an Unternehmen im Modemarkt: Noch sind Fast-Fashion-Anbieter populär, aber insbesondere die Generation Z stellt immer höhere Anforderungen an die soziale und ökologische Nachhaltigkeit von Produkten. Gleichzeitig erwartet die junge Generation von den Unternehmen im Modemarkt, dass sie digitale Services bieten und ihnen Individualisierung ermöglichen.
Konsumenten achten heute nicht nur auf den ökologischen Fußabdruck eines Unternehmens. Vor allem die Gen Z fordert von Unternehmen auch, dass sie sich mit sozialen Fragen befassen. Sie verlangen, dass Modemarken ihre öffentliche Wahrnehmung nutzen, um auch zu politischen Fragen Stellung zu beziehen. Ein grünes und soziales Bewusstsein muss also Teil der Unternehmensstrategie werden.
„Gewinner der Digitalisierung im stationären Einzelhandel sind innovative Händler, die es schaffen, eine inspirierende und zugleich reibungslose Customer Journey von der Ideensuche bis zur Kaufentscheidung aufzubauen.“
Die Studie kombiniert eigene Analysen mit aktuellen Ergebnissen aus Desk Research. Externe Quellen sind im Studiendokument gekennzeichnet.
Partner, Advisory Retail & Consumer Goods Industry, PwC Germany
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