Geschlossene Läden, Lieferengpässe, ein nie dagewesener Boom im Onlinehandel und die allgegenwärtige Forderung nach mehr Nachhaltigkeit: Die Corona-Pandemie hat den Einzelhandel und die Konsumgüterbranche stark beeinflusst – und auch Spuren im Working Capital Management der Händler in der DACH-Region hinterlassen: So ist die Kapitalbindungsdauer im Jahr 2020 im Vergleich zu 2016 um drei Tage gestiegen und lag bei 25 Tagen. Dabei zeigen sich eklatante Unterschiede zwischen den einzelnen Sektoren.
Insgesamt stehen die Vorzeichen für die weitere Entwicklung der Branche jedoch gut: Nach einem schwierigen Jahr 2020 wird die europäische Handel- und Konsumgüterindustrie 2021 voraussichtlich auf den Wachstumspfad zurückkehren – auch wenn die Nachwehen der Krise noch lange spürbar sein dürften.
„Die Pandemie hat die Handel- und Konsumgüterbranche vor eine Reihe von Herausforderungen gestellt – von den weltweiten Ladenschließungen im Frühjahr 2020 bis zu den Lieferschwierigkeiten in einigen Produktkategorien. Dennoch zeigt der Vergleich der Kennzahlen von 2019 und 2020, dass die Branche über ein hohes Maß an Resilienz verfügt.“
Die Corona-Pandemie hat Einfluss auf alle Kennzahlen im Handel und der Konsumgüterbranche – das Working Capital Management (WCM) bildet dabei keine Ausnahme. Die Kapitalbindungsdauer (NWC) im Handel ist seit 2016 um drei Tage gestiegen und lag im Schnitt bei 25 Tagen. Im direkten Vergleich zum Vorjahr ist jedoch eine Verbesserung von 27 auf 25 Tage zu verzeichnen.
Dabei zeigen sich große Unterschiede zwischen den einzelnen Sektoren: Während die Kapitalbindungsdauer im Bereich Sportbekleidung bei 101 Tagen und bei Bekleidung, Luxusgütern & Accessoires sogar bei 155 Tagen lag, waren es im Lebensmittelbereich nur sieben Tage. Der Onlinehandel weist sogar eine negative Bilanz aus: Hier betrug die Kapitalbindungsdauer 2020 minus sechs Tage.
Die Reichweite der kurzfristigen Verbindlichkeiten (Days Payables Outstanding, DPO) im Handel, also die Periode zwischen Rechnungsdatum und Bezahlung, ist im Jahr 2020 auf 59 Tage gesunken – im Vergleich zu 2019 zwar nur um einen Tag, verglichen mit 2016 jedoch um 13 Tage.
Auch auf die Lagerbestände hat die Pandemie starke Auswirkungen. Durch Veränderungen bei der Nachfrage kam es teilweise zu vollen Lagern, in anderen Fällen waren die Lager leer gefegt. Die Bestandsreichweite (Days Inventory On-Hand, DIO), also der Zeitraum zwischen Wareneingang und Entnahme, lag 2020 im Schnitt bei 72 Tagen – ein Tag niedriger als 2019. Im Vergleich zu 2016 ist diese Kennzahl um acht Tage gesunken – eine erfreuliche Entwicklung.
Die Forderungsreichweite (Days Sales Outstanding, DSO), also die Spanne zwischen Bestelldatum und Zahlungseingang, hat sich in den vergangenen Jahren ebenfalls leicht verbessert und lag 2020 bei zwölf Tagen – 2019 waren es noch 13 Tage, 2016 14 Tage.
Das WCM der Händler wird sich im kommenden Jahr positiv entwickeln: Die PwC-Expert:innen gehen insgesamt von einer Verbesserung der Kapitalbindungsdauer um vier Prozent aus – bei einem Umsatzminus von rund zwei Prozent. Je nach Sektor sind die prognostizierten Entwicklungen jedoch sehr unterschiedlich: Während im Bereich Lebensmittel und Onlinehandel signifikante Verbesserungen drin liegen, muss der Bekleidungssektor mit weiteren Verschlechterungen rechnen.
Einzelhändler sollten sich darauf konzentrieren, ihre operativen Prozesse im WCM an die neue Normalität anzupassen. Im Bereich Forderungsreichweite geht es beispielsweise darum, die Zahlungsbedingungen neu auszuhandeln. Mit Blick auf die Lagerbestände sollten die Händler ihre Modelle zur Nachfragevorhersage an die neuen Gegebenheiten ausrichten. Bei den Verbindlichkeiten ist der Fokus auf verstärkte Zahlungskontrollen sinnvoll.
Die Corona-Pandemie hat vor Augen geführt, wie anfällig globale Wertschöpfungsketten sind. Händler müssen sich nun schnell Klarheit über die finanzielle Stabilität ihrer Zulieferer verschaffen und Notfallpläne für künftige Unterbrechungen der Lieferketten ausarbeiten.
Unternehmen müssen sich fragen, ob ihnen die geeigneten operativen Daten zur Verfügung stehen, um eine schnelle Entscheidungsfindung zu unterstützen. Dafür braucht es Transparenz in Echtzeit.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter benötigen gute Leitplanken, aber auch spezifische Skills, um die richtigen Entscheidungen im Cash-Bereich zu treffen.
Damit die Verantwortlichen richtig handeln, braucht es geeignete Regeln, Ziele und Anreize. Entsprechend sollten Händler ihre Governance-Rahmenwerke für den Umgang mit Cash neu ausrichten. |
„Um das Working Capital Management auf eine solide Basis zu stellen, kommt es auf vier Aspekte an: Die vertraglichen Bedingungen und die operativen Prozesse gehören auf den Prüfstand. Ebenso wichtig ist es aber, für ein hohes Maß an Transparenz zu sorgen und das Bewusstsein für die strategische Bedeutung von Cash zu stärken.“
Zu diesen Ergebnissen kommt die PwC-Studie „Cash for restart. DACH Retail sector working capital report 2021“. Die Studie untersucht die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf das Working Capital Management im Handel. Für die Studie hat PwC die 50 führenden Händler in Deutschland, Österreich und der Schweiz analysiert.