Wie sich der Ukraine-Krieg auf die Lebensmittelbranche auswirkt

06 April, 2022

Der Krieg in der Ukraine schockiert die Welt und die Auswirkungen sind für Menschen rund um den Globus spürbar. So sind die Energiepreise seit Ende Februar 2022 stark gestiegen, aber auch Lebensmittel wie Getreide, Fleisch, Milch oder Pflanzenöl werden teurer. Ein durchschnittlicher deutscher Haushalt muss mit Mehrkosten von bis zu knapp 3.000 Euro im Jahr rechnen. Diese Entwicklung belastet insbesondere Menschen mit geringem Einkommen.

Preissteigerungen wirken sich auf das Konsumverhalten der Verbraucher:innen aus: Sie kaufen verstärkt Produkte aus aktuellen Angeboten und setzen auf günstigere Eigenmarken der Händler. Verzichtbare Genussmittel und eher teure Bio-Lebensmittel verlieren an Bedeutung. Stattdessen suchen die Konsument:innen wieder häufiger Discounter auf.

Das Wichtigste in 30 Sekunden

  • Der Ukraine-Krieg führt zu steigenden Energie- und Lebensmittelpreisen und heizt die ohnehin hohe Inflation weiter an.
  • Ein durchschnittlicher Haushalt muss dadurch mit Mehrkosten von bis zu 242 Euro pro Monat rechnen.
  • Die Preissteigerungen belasten insbesondere Menschen mit geringem Einkommen. Rund jeder vierte Haushalt kann die Mehrkosten kaum kompensieren.
  • Verbraucher:innen passen ihr Einkaufsverhalten an die steigenden Preise an: Rund 58 Prozent greifen bei steigenden Preisen zu Sonderangeboten. 39 Prozent entscheiden sich beim Einkauf für günstigere Eigenmarken.
  • Die Discounter gewinnen in dieser Situation verlorene Marktanteile zurück: 27 Prozent der Verbraucher:innen kaufen bestimmte Produkte eher im Discounter, wenn die Preise steigen.
  • Der Einzelhandel kann Verbraucher:innen mit attraktiven Angeboten und günstigen Eigenmarken locken.

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Dr. Christian Wulff: Consumer Markets Leader, EMEA, PwC Deutschland

Dr. Christian Wulff
Consumer Markets Leader PwC Deutschland und EMEA
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Steigende Kosten für Energie und Lebensmittel belasten die Verbraucher:innen

Besonders an der Zapfsäule und auf der Rechnung für Strom, Gas oder Heizöl bekommen die Konsument:innen derzeit die steigenden Preise zu spüren. Aber auch Lebensmittel werden immer teurer: Laut Statistischem Bundesamt betrug die Preissteigerung für Lebensmittel im Februar 2022 im Vergleich zum Vorjahresmonat bereits gut fünf Prozent. Mit Blick auf die nächsten Monate rechnet das ifo-Institut damit, dass die Preise für Lebensmittel 2022 um insgesamt sieben Prozent im Vergleich zum Vorjahr zulegen werden.

Die Gründe für den Preisanstieg sind vielfältig: Zum einen liegt er in den aktuell hohen Energie- und Transportkosten begründet. Dazu kommen weltweite Lieferengpässe für Produkte wie Getreide, Mais und Pflanzenöl, die häufig auch aus Russland und der Ukraine stammen. Die beiden Länder gelten als Kornkammern der Welt und sind zusammen für fast 30 Prozent des globalen Weizenhandels verantwortlich.

Nicht zuletzt tragen Unterbrechungen der globalen Lieferketten – etwa durch fehlende LKW-Fahrer:innen oder zerstörte Infrastruktur in der Ukraine – zu höheren Preisen für Lebensmittel bei. Besonders betroffen sind Getreideerzeugnisse wie Brot und Nudeln, doch auch für Fleisch, Wurst, Milch, Molkereiprodukte, Fisch und Speiseöle müssen die Verbraucher:innen deutlich tiefer in die Tasche greifen.

Mehrkosten belaufen sich auf knapp 3.000 Euro pro Haushalt

Für einen durchschnittlichen deutschen Haushalt bedeuten die aktuellen Preissteigerungen Mehrkosten von bis zu bis zu rund 242 Euro im Monat – das sind 2.904 Euro im Jahr. Davon entfallen 65 Euro auf Lebensmittel. 89 Euro resultieren aus den steigenden Energiekosten im Haushalt wie Strom, Gas und Heizöl. 40 Euro werden für steigende Verkehrsausgaben fällig. Die weiteren Mehrkosten ergeben sich aus den Auswirkungen der insgesamt steigenden Inflation auf die übrigen Warengruppen.

Einkommensschwache Haushalte besonders betroffen

Besonders hart treffen die Preissteigerungen Menschen mit geringem Einkommen. So müssen Haushalte mit einem Nettoeinkommen unter 1.300 Euro – das entspricht rund 14 Prozent aller deutschen Haushalte – mit einer monatlichen Mehrbelastung von 115 Euro rechnen. Wer zwischen 1.300 und 1.700 Euro monatlich zur Verfügung hat – knapp jeder zehnte Haushalt – muss mit 151 Euro an Mehrkosten kalkulieren.

„Knapp ein Viertel aller deutschen Haushalte muss mit weniger als 1.700 Euro netto auskommen und hat kaum Puffer, um die zusätzlichen Kosten zu stemmen. Menschen mit geringem Einkommen treffen die Preissteigerungen also besonders hart – auch wenn die Regierung mit dem kürzlich beschlossenen Maßnahmenpaket teilweise Entlastungen schafft. Schlussendlich geht es auch um den sozialen Frieden.“

Andreas Späne,Partner Retail & Consumer Practice Strategy&

Die Preissteigerungen verändern das Konsumverhalten

Auf steigende Preise reagieren die Verbraucher:innen schnell und passen ihren Konsum an. Eine PwC-Umfrage vom Januar 2022 zum Thema Ernährungsgewohnheiten zeigt: Bei steigenden Preisen kaufen die Konsumenten verstärkt Produkte aus dem Angebot. Das sagen 58 Prozent der Befragten. 39 Prozent setzen auf günstigere Eigenmarken, um die steigenden Kosten für den Einkauf zu kompensieren.

In der Krise schlägt die Stunde der Discounter

Ein Viertel der Verbraucher:innen (27 Prozent) gibt an, bestimmte Produkte – auch Obst und Gemüse – eher im Discounter zu kaufen.

„Während viele Verbraucher:innen in Zeiten der Corona-Pandemie den Vollsortimenter für ein One-Stop-Shopping-Erlebnis aufgesucht haben, steht nun die Kehrtwende an. Aufgrund der steigenden Preise werde die Discounter Marktanteile von rund 1 bis 2 Prozent zurückgewinnen.“

Dr. Christian Wulff,Consumer Markets Leader PwC Deutschland und EMEA

Fast ein Viertel reagiert mit Verzicht

Rund jede:r vierte Verbraucher:in reagiert auf die Preisspirale – häufig aus der Not – mit Verzicht beim Essen und kauft weniger Produkte ein. Insbesondere Lebensmittel wie Fleisch und Wurst oder Süßwaren, die für eine gesunde Ernährung verzichtbar sind, landen seltener im Einkaufskorb.

Für Lebensmittel, auf die Menschen für ihre Ernährung weniger leicht verzichten können – etwa Milch und Molkereiprodukte – greifen die Käufer:innen verstärkt zu günstigeren Eigenmarken und Sonderangeboten, um den Geldbeutel zu schonen.

Inflation beeinflusst Einkaufsverhalten

Die anhaltende Inflation beeinflusst spürbar das Einkaufsverhalten bei der Mehrheit der deutschen Verbraucher:innen. Nur ein Fünftel (21 Prozent) gibt an, dass gestiegene Preise ihren Konsum nicht beeinflussten.

Infografik: Reaktionen auf den Preisanstieg bei Lebensmitteln

Sparstrategien funktionieren nicht für alle gleich gut

Diese Sparstrategien funktionieren jedoch nicht für alle Menschen gleich gut: Haushalte, die bereits vor den Preissteigerungen wenig Geld zur Verfügung hatten und beim Einkauf von Lebensmitteln längst auf Discounter, günstige Eigenmarken und Sonderangebote gesetzt haben, können nun kaum weiter einsparen. Haushalte, denen mehr Budget zur Verfügung steht und die bislang regelmäßig Marken- und Bio-Produkte gekauft haben, können durch günstigere Substitute zu einem gewissen Grad Geld sparen.

Was der Einzelhandel jetzt tun kann

Auf gute Deals setzen: Für Verbraucher:innen sind in der aktuellen Lage spezielle Angebote besonders interessant. Mit attraktiven Deals können die Unternehmen aus der Branche Kund:innen in ihre Märkte locken.

Eigenmarken stärken: Verzichtbare Genussmittel und teure Bio-Lebensmittel verlieren in der Krise an Bedeutung. Wichtiger werden Eigenmarken, die für einen fairen Preis gute Qualität bieten.

Die Methodik

Die Berechnungen zu den Mehrbelastungen der Haushalte basieren auf Zahlen der „Konsumausgaben privater Haushalte in 2020“ des Statistischen Bundesamtes (Destatis) sowie aktuellen Prognosen des ifo-Instituts zu Inflation und Konjunktur. Mittels einer Szenario-Analyse wurde ein „Worst Case“ mit einer Inflationsrate von 6,1 Prozent sowie ein „Base Case“ mit einer Inflationsrate von 3,3 Prozent erstellt. Die konkreten Werte zu den Mehrbelastungen entsprechen der Differenz aus beiden Szenarien.

Der „durchschnittliche Haushalt“ entspricht einem gewichteten Durchschnitt der deutschen Haushalte und berücksichtigt somit auch das Einkommen. Umgekehrt ist somit nicht ein Zwei-Personen-Haushalt gemeint, was dem Durchschnitt entspricht, sofern lediglich die Haushaltsgröße / Personenzahl betrachtet wird.

Die Angaben zum geändertem Konsumverhalten beim Lebensmittelkauf basieren auf einer Befragung von PwC Deutschland in Kooperation mit dem Crowdsourcing-Marktforschungsunternehmen POSpulse, an der im Januar 2022 insgesamt 1.001 Personen ab 18 Jahren in Deutschland teilgenommen haben.

„In der aktuellen Situation schauen die Verbraucher:innen notgedrungen wieder verstärkt auf das Preisschild: Sie greifen zu Sonderangeboten und günstigen Eigenmarken, während verzichtbare Genussmittel und teure Bio-Lebensmittel vermehrt im Regal bleiben.“

Dr. Christian Wulff,Consumer Markets Leader PwC Deutschland und EMEA
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