EU-Taxonomie - Nichtfinanzielle Berichterstattung

PwC-Studie: Unternehmen unterschätzen vielfach den Umsetzungsaufwand

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Nadja Picard
PwC Global Reporting Leader
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Klassifikationssystem für „grüne“ Umsätze, Investitionen und operative Aufwendungen

Wirtschaft, Politik und Gesellschaft fokussieren immer stärker auf Nachhaltigkeit. Haupttreiber ist der Klimawandel, der mehr und mehr spürbar wird. Auch an den Kapitalmärkten und für Investor:innen spielt daher die nichtfinanzielle Berichterstattung eine immer größere Rolle – zumal auch die europäische Politik die Entwicklung in Richtung mehr Nachhaltigkeit immer stärker vorantreibt.  

So hat die Europäische Union (EU) etwa im Jahr 2020 die EU-Taxonomie („Taxonomie-Verordnung VO (EU) 2020/852“) veröffentlicht: ein neues Klassifikationssystem für „grüne“ Umsätze, Investitionsausgaben und operative Aufwendungen. Unternehmen müssen darüber berichten, und zwar bereits seit dem 1. Januar 2022 für das Geschäftsjahr 2021. Ab 2023 sind nichtfinanzielle Kennzahlen dann nicht nur berichts- sondern auch prüfungspflichtig. Weil die Anforderungen der EU-Taxonomie hochkomplex und ihre Umsetzung sehr aufwändig ist, wollte PwC Deutschland wissen: Inwiefern wissen die von der Verordnung betroffenen Unternehmen, ob und inwiefern die EU-Taxonomie sie betrifft? Und wie steht es um deren Umsetzung? 

„Vielen Unternehmen ist offensichtlich noch nicht vollumfänglich bewusst, wie komplex die Bestimmungen der EU-Taxonomie sind. Ihre Implementierung ist anspruchsvoll. Wir können nur davor warnen, den Aufwand dafür zu unterschätzen.“

Nadja Picard,PwC Global Reporting Leader

Um das herauszufinden, hat PwC zwischen April und Ende Juni 2021 insgesamt 170 Unternehmen aus Deutschland, Österreich, den Niederlanden und der Schweiz befragt. 95 von ihnen waren in diesem Zeitraum kapitalmarktorientiert und beschäftigten mehr als 500 Mitarbeitende. Damit waren sie bereits zur nichtfinanziellen Berichterstattung verpflichtet, und folglich ist für sie auch die Klassifikation gemäß EU-Taxonomie obligatorisch.

Zur Studie

Die Studie im Überblick

Kenntnisse der EU-Taxonomie sind ausbaufähig

Ein Kernergebnis: 39 Prozent der Befragten hatten sich im Befragungszeitraum noch nicht inhaltlich mit den Bestimmungen der EU-Taxonomie auseinandergesetzt – dabei sagen zehn Prozent davon, dass sie die Regelungen umsetzen müssen. Und von den Unternehmen, die sich bereits mit der EU-Taxonomie beschäftigt haben, haben erst 44 Prozent genauer ermittelt, welche Wirtschaftstätigkeiten im Delegierten Rechtsakt der EU-Taxonomie definiert sind – das wäre ein wichtiger erster Schritt auf dem Weg zur Umsetzung. 

Infografik: Beschäftigung mit der EU-Taxonomie

Nachhaltigkeit ist auf dem Vormarsch

Die Studie hat auch untersucht, welchen Stellenwert Nachhaltigkeit allgemein für die Unternehmen hat: 59 Prozent der befragten Unternehmen messen dem Thema einen hohen, 25 Prozent einen mäßigen Stellenwert bei. Von den 15 Prozent, die der Nachhaltigkeit aktuell eine geringe Bedeutung beimessen, erkennen elf Prozent an, dass das Thema relevanter wird. Nur ein Prozent hält Nachhaltigkeit für unwichtig.

Zudem besitzen drei von vier Unternehmen eine Nachhaltigkeitsstrategie. Die überwiegende Mehrheit (88 %) verfolgt in ihren nichtfinanziellen Vorhaben Umweltziele. 79 Prozent achten auf soziale Ziele wie mehr Diversität, 72 Prozent sind Governance-Themen wie Anti-Korruptionsschulungen oder Kontrollen zur Einhaltung der Menschenrechte wichtig. 

Nichtfinanzielle Zahlen werden sehr unterschiedlich erhoben und eingesetzt

In den meisten Unternehmen (86 %) gehen die nichtfinanziellen Kennzahlen des Unternehmens an die Geschäftsführung. In einem Drittel der Unternehmen ist die Abteilung „Sustainability bzw. Corporate Responsibility“ für die Nachhaltigkeitsberichterstattung zuständig. Ansonsten sind unterschiedlichste Funktionen dafür verantwortlich: Rechnungswesen (14 %), Controlling (13 %), Investor Relations (12 %), Kommunikation (9 %) sowie Strategie und Entwicklung (5 %). In acht Prozent der Unternehmen kümmert sich die Geschäftsführung selbst um die nichtfinanziellen Kennzahlen. 

Nur ein Drittel hat standardisierte Prozesse, um nichtfinanzielle Kennzahlen verlässlich zu erheben

Nicht nur die zuständige Abteilung variiert von Unternehmen zu Unternehmen recht stark, sondern auch, was mit den Zahlen geschieht. Die meisten befragten Unternehmen nutzen die Kennzahlen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (78 %) sowie zur Strategieentwicklung und zu Marketingzwecken (je 76 %). 69 Prozent der Befragten geben zudem an, nichtfinanzielle Informationen bereits zur Unternehmenssteuerung einzusetzen. 

Nur rund ein Drittel (36 %) besitzt derzeit einen gut funktionierenden, standardisierten Prozess für alle Tochtergesellschaften, um diese Daten auch zuverlässig zu erheben. 61 Prozent der Befragten verfügen noch nicht über einen standardisierten Prozess.

Erfassung nichtfinanzieller Informationen am häufigsten mit Excel-Tabellen

Etwa zwei von drei Unternehmen (64 %) erfassen ihre nichtfinanziellen Daten überwiegend mithilfe von Excel-Tabellen, nur etwa ein Drittel (34 %) setzt auf toolgestütztes Reporting, 16 Prozent nutzen Business-Intelligence-Lösungen und neun Prozent selbstentwickelte Software. Aber: Nur vier Prozent nutzen eine dedizierte ESG-Software. 

Infografik: Reporting nichtfinanzieller Daten

Weitreichende Anpassungen der IT- und Prozesslandschaft erforderlich

Etwas mehr als jedes dritte Unternehmen (38%) hält es für erforderlich, seine IT- und Prozesslandschaft zu verändern, um die Anforderungen der EU-Taxonomie zu erfüllen. Ein Viertel der Unternehmen sieht hierzu keine Notwendigkeit. Wie genau jedoch diese Veränderung aussehen soll, haben 42 Prozent noch nicht geklärt. Neun Prozent wollen bestehende Tools erweitern, nur sechs Prozent wollen neue Lösungen einsetzen.

 

Geringe Budgets, heterogene Qualitätssicherung

Nur vier Prozent halten EU-Taxonomie-Budget vor

Fast jedes zweite Unternehmen hat ein Budget für ein nachhaltiges Implementierungsprojekt eingeplant. Aber 33 Prozent von ihnen wollen allgemein in Nachhaltigkeit investieren, nur vier Prozent haben ein Budget speziell für die Erhebung der EU-Taxonomie-Daten eingeplant. Zwölf Prozent planen, Budgets für Nachhaltigkeit allgemein und die EU-Taxonomie-Datenerhebung einzusetzen. 

Uneinheitliche Qualitätssicherung

43 Prozent der befragten Unternehmen kombinieren automatische und manuelle Kontrollen, um Qualität und Vollständigkeit ihrer nichtfinanziellen Daten zu gewährleisten. 23 Prozent verlassen sich allein auf manuelle interne Kontrollen, und fast jedes zehnte Unternehmen (8 %) nutzt ausschließlich automatische Kontrollen. Aber: 16 Prozent kontrollieren nichtfinanzielle Daten nur teilweise, sieben Prozent verzichten sogar gänzlich darauf. 

Geteiltes Bild bei Erfassung zusätzlicher Daten

Etwa jedes zweite befragte Unternehmen (51 %) gibt an, zusätzliche nichtfinanzielle Daten sehr gut (10 %) oder mit etwas Aufwand (41 %) erfassen zu können. Für die andere Hälfte wäre dies mit viel Aufwand verbunden (42 %) oder derzeit nicht möglich (5 %). Zwei Prozent konnten hierzu keine Angaben machen.

Führungsebene nur selten an Nachhaltigkeit gemessen

Die Geschäftsführung wird zwar in den meisten der befragten Unternehmen über die nichtfinanziellen Kennzahlen informiert, aber nur bei 27 Prozent wirken sich nichtfinanzielle Kennzahlen auf die Vergütung der Geschäftsführung aus. Bei weiteren acht Prozent ist es zumindest geplant.

„Betroffenen Unternehmen bleibt nicht mehr viel Zeit, um die hochkomplexe EU-Taxonomie umzusetzen. Sie sollten damit nicht länger warten und sollten besser heute als morgen Strukturen anpassen und die erforderlichen Budgets und personellen Ressourcen bereitstellen.“

Dr. Christoph Wallek,Senior Manager bei PwC Deutschland

Die Methodik

PwC Deutschland hat zwischen Ende April und Ende Juni 2021 insgesamt 170 Unternehmen befragt. 80 dieser Unternehmen haben ihren Unternehmenssitz in Deutschland, jeweils 30 in Österreich, der Schweiz und den Niederlanden. 

Die Schweiz als Nicht-EU-Land wurde aufgenommen, weil sich Schweizer Unternehmen meist nach den EU-Berichtspflichten richten und oft auch Einzelunternehmen mit Sitz in der EU haben, die unter die Regelungen der EU-Taxonomie fallen.

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Dr. Christoph Wallek

Dr. Christoph Wallek

Director, PwC Germany

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