07 März, 2019
Das Wachstum im Bau kühlt sich ab – und die Branche muss sich mit strukturellen Veränderungen auseinandersetzen. Wie Zulieferer auf die Folgen von Digitalisierung, steigendem Preisdruck und Veränderungen im Vertrieb reagieren können, erläutern die PwC-Experten Dr. Ralph Niederdrenk und Christoph Blepp im Interview.
In Ihrer aktuellen Studie zur Bauindustrie schreiben Sie, dass die unbeschwerten Boom-Jahre zu Ende gehen. Die Branche rechnet aber 2019 noch mit einem Wachstum von rund vier Prozent. Davon können andere Industrien nur träumen…
Dr. Ralph Niederdrenk: Aktuell steht die Branche tatsächlich noch sehr gut da. Die Unternehmen investieren kräftig, die Wohnungsknappheit besteht weiter und die Auftragsbücher sind somit voll. Allerdings reagiert der Bau immer etwas verzögert auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung. Und zuletzt hat die deutsche Wirtschaft an Schwung verloren. Hinzu kommt: In den vergangenen Jahren hat sich die Bauindustrie strukturell verändert. Durch die starke Auslastung haben sich die Unternehmen mit diesen Veränderungen jedoch kaum beschäftigt.
Welche Veränderungen sind das?
Christoph Blepp: Vor allem der steigende Preisdruck und die Veränderungen im Vertrieb bereiten den Bauzulieferern Kopfschmerzen. Installateure, Planer und Endkonsumenten nutzen heute ganz selbstverständlich das Internet, um Preise intensiv zu vergleichen. Außerdem sind in den vergangenen Jahren neue Vertriebskanäle wie Online-Marktplätze, Webshops oder Plattformen entstanden, die Hersteller direkt mit Installateuren und Endkunden verbinden. Das etablierte Margenmodell des dreistufigen Vertriebs gerät dadurch unter Druck.
„Die Gebäudehülle wird in Folge der Digitalisierung immer komplexer - und die Anforderungen an Produkt und Service steigen.“
Und die Digitalisierung trägt ihren Teil dazu bei…
Niederdrenk: Genau. Die Unternehmen müssen nicht nur ihr Geschäftsmodell und ihre Prozesse digitalisieren, sondern auch ihre Produkte. Der Trend zum „Smart Building“ treibt diese Entwicklung voran. Es ist mittlerweile Standard, Sensoren und Steuerungssysteme zu verbauen, um Gebäude intelligent zu vernetzen und Elemente wie Heizung, Lüftung oder Belichtung automatisiert zu steuern. Die Gebäudehülle wird in Folge der Digitalisierung also immer komplexer – und die Anforderungen an Produkt und Service steigen.
Wie sollten Unternehmen auf diese Entwicklungen reagieren?
Blepp: Sie benötigen zusätzliche Kompetenzen in den Bereichen Technologie sowie Marketing/Vertrieb. Vielen Herstellern fehlen dafür die Ressourcen oder sie sind zu breit aufgestellt. Es ist aber überlebenswichtig, sich klar zu positionieren.
Können Sie dafür ein Beispiel nennen?
Niederdrenk: Unternehmen mit einer hohen Technologiekompetenz können sich beispielsweise eher produktorientiert positionieren. Sie sollten auf ein schlankes Produktportfolio mit fokussierten Innovationen setzen. Hersteller mit einem guten Verständnis für einen kompletten Anwendungsbereich – etwa das Bad – sollten sich eher anwendungsorientiert positionieren, also beispielsweise als One-Stop-Shop für Badinstallateure. Für solche Systemanbieter ist ein ganzheitlicher Vertriebsansatz sinnvoll und ein erweitertes Service-Angebot. Punktuell kann es auch von Vorteil sein, das Portfolio durch gezielte M&A-Aktivitäten zu ergänzen.
Dr. Ralph Niederdrenk ist Leiter der Deals Strategy Group bei PwC Deutschland. Er ist seit 2006 im Bereich Transactions Services tätig und hat insgesamt mehr als 20 Jahre Erfahrung in den Bereichen Consulting & Private Equity. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen auf Commercial Due Diligence, Value Creation und Wachstumsstrategien.