Aktuelle Immobilientrends

31 März, 2022

Von Dirk Hennig und Manuel Eichen. Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie und regulatorische Bestrebungen zur Beseitigung des sozialen Ungleichgewichts sorgen für Veränderungen in der chinesischen Immobilienbranche. Trotzdem erreichte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im dritten Quartal 2021 ein jährliches Wachstum von 4,9 Prozent.   

Die starke inländische Nachfrage nach Investitionen ist einer der wesentlichen Treiber, die nach Angaben von Real Capital Analytics in den ersten drei Quartalen des Jahres 2021 zu einem Anstieg des jährlichen Investitionsvolumens der Immobilienbranche um 15 Prozent auf 35 Milliarden US-Dollar geführt haben. 

Dabei hat der Binnenkonsum stark an Bedeutung gewonnen. Eine resiliente Wirtschaft in Kombination mit einem Mangel an internationalen Reisemöglichkeiten führte dazu, dass Einzelhandelsimmobilien stärker verkauft und gekauft wurden.

Ferner ist zu beobachten, dass Entwicklungen von Wohnungen zur Vermietung eine stärkere Aufmerksamkeit genießen, was auf die Initiative „Gemeinsamer Wohlstand“ zurückzuführen ist. Das 2021 beschlossene Projekt zielt auf eine breit angelegte Neuausrichtung der Politik. Es betrifft zahlreiche Sektoren, soll die zunehmende soziale Ungleichheit reduzieren und verschafft der Errichtung von erschwinglichem Wohnraum mehr Gewicht.

Dezentralisierung des zentralen Geschäftsdistrikts

In China wie auch in anderen Ländern des asiatisch-pazifischen Raums ist eine zunehmende Dezentralisierung des Central Business Districts (CBD) zu verzeichnen. Während bisher ein Großteil der wichtigen gewerblichen Immobilien in den CBDs der Städte angesiedelt war, wird deren Vorrangstellung nun zwar nicht abgelöst, aber abgeschwächt. Das ist unter anderem auf die durch die Pandemie verstärkte Bedeutung eines hybriden Arbeitsmodells zurückzuführen. Die Einschätzung eines Marktakteurs der aktuellen Studie der „Emerging Trends in Real Estate Asia Pacific 2022“ von PwC und dem Urban Land Institute (ULI) unterstreicht die zunehmende Bedeutung eines sogenannten „Hub-and-Spoke-Modells“ sowie den Mehrwert von günstigeren dezentralen Standorten.

Cluster übernehmen Funktion der Zentren

Allerdings ist diese Entwicklung vor dem Hintergrund regionaler und kultureller Faktoren zu sehen. In China gibt es für Unternehmen kaum Anreize, ihre Belegschaft durch Nutzung von Homeoffice dezentral arbeiten zu lassen, solange die Auswirkungen der Pandemie im Inland vergleichsweise gering sind. Besonders Hongkong könnte sich angesichts seiner kompakten Struktur und seiner qualifizierten sowie dienstleistungsorientierten Arbeitskräfte ebenfalls als resistent gegenüber einer verteilten Arbeitsmethode erweisen. Ein wichtiger Grund dafür ist: Die Wohnsituation der Menschen ist dort deutlich beengter als in vielen westlichen Regionen. Langfristig gehen die für die Studie befragten Marktakteure jedoch davon aus, dass das Konzept eines einzigen Stadtzentrums überholt ist und langfristig mit der Entwicklung von Geschäftsclustern gerechnet werden muss. Diese Cluster werden weitgehend durch ihre Anbindung an den öffentlichen Verkehr bestimmt sein.

Cluster der Megacitys 

In China wird die Entwicklung von Städteclustern vorangetrieben, die vor allem durch die Entwicklung von Hochgeschwindigkeitsnetzen unterstützt wird. Üblicherweise konzentrieren sich die Investitionen auf hochwertige Entwicklungsprojekte der gewerblichen Immobilienbranche in den sogenannten Tier-one-Städten, da sich viele von ihnen einer optimalen Kombination aus Nachfragewachstum und Wohlstand erfreuen. In jüngster Zeit konnte jedoch, teilweise aufgrund von politischen Initiativen, eine Verlagerung dieses Schwerpunkts auf die Schaffung eines Clusters größerer Städte beobachtet werden. Das Yangtse-Delta um die Metropole Shanghai ist eines dieser Beispiele. Die Region hat sich in den letzten beiden Dekaden durch die Ausbreitung von Unternehmen aus Shanghai in die umliegenden Städte rasant entwickelt. 

Es haben sich weitere Städtecluster gebildet, vor allem in und an der Bohai-Bucht im Norden mit Beijing und Tianjin sowie im Greater Bay Area (GBA), das aus neun Städten besteht (darunter Shenzhen und Guangzhou sowie die zwei Sonderverwaltungszonen Hongkong und Macau), im Süden. Das Motiv für die Entstehung der Megacitycluster ist die Absicht, „Produktivitätscluster“ zu schaffen. Sie sollen aus Zentren gebildet werden, die sich auf bestimmte Leistungen spezialisieren, darunter Finanzservices, Logistik sowie technologische Innovation und Fertigung.

Shenzhen und Zhuhai sind Zentren der Entwicklung

Regulatorische Initiativen verunsichern die Marktteilnehmer, weil sie nicht einschätzen können, ob der nationale Immobilienmarkt davon beeinflusst wird. Dadurch tendieren viele Projektentwickler dazu, ihre Strategien auf Anlageklassen und Regionen auszurichten, bei denen sie weiterhin mit staatlicher Unterstützung rechnen können. Das spiegelt sich wider in einer Abnahme der Investitionen in sogenannte Third- und Fourth-Tier-Städte und in einem Anstieg der Kapitalanlagen in sich entwickelnde Cluster.

Eine aktuelle Umfrage der Investmentbank Standard Chartered reflektierte den Konsens unter den Befragten, nach dem die GBA in Bezug auf das Reformtempo, die Marktoffenheit und die Erleichterungen für Geschäftstätigkeiten einen deutlichen Vorsprung gegenüber anderen Wirtschaftszonen Chinas aufweist. Welche konkreten Regionen des Clusters den größten Erfolg verzeichnen werden, ist umstritten. Der Vertreter eines chinesischen Projektentwicklers identifizierte dennoch Shenzhen und Zhuhai als Städte, die zu wichtigen Entwicklungszielen geworden sind. 

New Economy 

Ein für China zutreffender Katalysator für die Abwanderung von Kapital aus den Stadtzentren ist die allgemeine Verlagerung des wirtschaftlichen Schwerpunkts zugunsten der New-Economy-Industrie (Dienstleistungen, speziell webbasierte Dienste), die fester Bestandteil thematisch ausgerichteter Investitionsstrategien ist. 

Der langfristige Plan, den Technologiesektor auszubauen, hat eine große Zahl von Unternehmen der New Economy hervorgebracht, die wenig geeignet für einen Standort im Stadtzentrum sind. Infolgedessen erreichten die Investitionen in Büro- sowie in Forschungs- und Entwicklungsflächen chinesischer Technologieparks im ersten Quartal 2021 eine Rekordhöhe von 2,5 Milliarden US-Dollar. Dem Immobilienmaklerunternehmen Colliers zufolge werden diese Unternehmen bis 2025 insgesamt mehr als 5,5 Millionen Quadratmeter Fläche beanspruchen – also mehr als 20 Prozent des gesamten Büroflächenumsatzes. 

In Hongkong haben sich Berichten zufolge Unternehmen der New Economy unter anderem aus den Bereichen Telekommunikation, E-Commerce, Biotechnologie und Pharmazie in den zahlreichen ehemaligen Industrie- und Lagerhallen der Stadt niedergelassen, die im Rahmen einer staatlichen Anreizpolitik für eine kommerzielle Nutzung zur Verfügung stehen. Presseberichten zufolge sind inzwischen rund 50 Prozent der verfügbaren Flächen von diesen Unternehmen belegt worden.

Zu den spezifischen Teilmärkten der New Economy gehören die Stadtteile Zhangjiang in Shanghai und Shangdi in Beijing. Einer der aufstrebenden Standorte ist der Qianhai New District in Shenzhen. Er könnte nach Auskunft eines Marktteilnehmers zu einem neuen Standort für die chinesische Life-Science-Industrie werden, die derzeit primär um Shanghai herum angesiedelt ist.

Infografik: Veränderung bei den Büroimmobilien in Citylage in Asien-Pazifik

Büroimmobilien

Ein etwas verhaltenerer Trend zeichnet sich bei den Büroimmobilien ab. Die Büromieten in den Großstädten sind seit Beginn der Pandemie zum Teil deutlich gesunken, was jedoch eher auf ein Überangebot als auf eine schwache Nachfrage zurückzuführen ist. Im asiatisch-pazifischen Vergleich weisen die Städte Beijing und Shanghai eine deutliche Preissenkung auf. Das ist zum Teil auf die schwächere Nachfrage ausländischer Käufer zurückzuführen, die sich in der Regel auf diese Flächen konzentrieren. Es spiegelt aber auch eine Verlagerung des Schwerpunkts inländischer institutioneller Investoren auf vorstädtische Gewerbegebiete wider.

Das meiste inländische Kapital in China fließt weiterhin nicht in ausländische Investitionen und der Wohnungssektor verliert hier und da an Attraktivität. Deshalb konzentrieren sich die lokalen Institutionen zunehmend auf inländische Büros. Ihre niedrigeren Renditeziele und Kapitalkosten führen zu einem harten Wettbewerb um Vermögenswerte. Ausländische Investoren wenden sich daher zunehmend Value-added-Strategien zu. Dabei nutzen sie ihr operatives Fachwissen, um ältere oder falsch positionierte Vermögenswerte aufzuwerten, die dann (oft an dieselben Institutionen) als Kernimmobilien weiterverkauft werden können.

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Insgesamt verfolgen die Investoren in China ebenfalls die global beobachtbaren säkularen Trends, die sich in der logistischen und gewerblichen Immobilienbranche niederschlagen. Investitionen in der New-Economy-Branche gewinnen zunehmend an Bedeutung. Das verstärkt die Dezentralisierung des CBD und macht Value-added-Projekte unumgänglich, um dem stärkeren Wettbewerb bei attraktiven Büroimmobilien gerecht zu werden. 

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