Deutsche Fintechs: reizvoll auch für Investoren aus China

31 März, 2022

Von Thomas Heck und Sebastian L. Sohn. Chinesische Unternehmen der Fintech-Branche nutzen ihre Kapitalstärke und gestalten internationale Expansion durch Partnerschaften und Minderheitsbeteiligungen. Sie haben dabei auch aktiv an zahlreichen Finanzierungsrunden deutscher Fintech-Unternehmen mitgewirkt.

Relevante Finanzierungsrunden

Infografik: Relevante Finanzierungsrunden

Beteiligungen

Alibaba/Ant Financial

Ant Financial ist mit dem Internetriesen Alibaba assoziiert und Betreiber des in China allgegenwärtigen Bezahlsystems AliPay mobile. Ant ist sehr aktiv im internationalen Mobile-Wallet- und Payment-Geschäft, wo es zahlreiche Joint Ventures und Beteiligungen eingegangen ist. Darüber hinaus hat die Gruppe mit der Übernahme von WorldFirst und einer Beteiligung am schwedischen Klarna in der europäischen Fintech-Szene bereits Schlagzeilen gemacht. Im deutschen Fintech-Markt stehen größere Aktivitäten Alibabas im Bereich Fusionen und Übernahmen noch aus. Anfang dieses Jahres hat die Gruppe ungeachtet des politischen Gegenwinds in der Heimat einen Fonds für Fintech-Startup-Beteiligungen in Europa angekündigt. Nach Medienberichten ist er in Berlin beheimatet und 100 Millionen Euro schwer.

Tencent

Tencent ist einer der umtriebigsten chinesischen Investoren auf dem deutschen Fintech-Markt. Das Unternehmen betreibt die „Super-App“ WeChat mitsamt mobilem Zahlungsservice und einem umfassenden Financial-Services-Ökosystem in China und ist über zahlreiche Auslandsbeteiligungen in der globalen Fintech-Welt aktiv. In Deutschland trat die Gruppe 2018 als ein Ankerinvestor der Smartphonebank N26 auf und hat sich seitdem bei weiteren Finanzierungsrunden engagiert. Zusätzlich hält Tencent eine Beteiligung an Clark, dem Onlineversicherungsmanager aus dem Finleap-Ökosystem sowie seit Sommer 2021 an Scalabe Capital, einer Platform für Wertpapierhandel und Vermögensanlage.

Ping An

Ping An ist ein 1988 gegründetes Versicherungsunternehmen, das über die Jahre in weitere Finanzdienstleister, unter anderem die heutige Ping An Bank, sowie Fintech-Lösungen und Unternehmen expandiert hat. Das Unternehmen ist seit 2018 an Finleap beteiligt, einem Fintech-Company-Builder, aus dem neben Clark auch die Solarisbank, Penta, CrossLend und weitere Fintech-Unternehmen hervorgingen.

CreditEase

Die Fintech-Gruppe CreditEase engagiert sich in Krediten (Lending) und bargeldlosem Bezahlen (Payments), aber auch in Vermögensverwaltung (Wealth Management), Versicherungen und Blockchain. Über ihren CreditEase Fintech Investment Fund (CEFIF) ist die Gruppe an Wefox beteiligt, einem in Deutschland ansässigen digitalen Versicherer mit Büros in acht europäischen Ländern.

Fosun

Fosun, ein Konglomerat mit Beteiligungen in zahlreichen Industrien, tritt ebenfalls als Investor in der deutschen Technologie- und Finanzbranche auf. Neben einer Bank in China und zahlreichen weltweiten Beteiligungen im Finanzsektor ist die Gruppe Eigentümer der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, die erst kürzlich aus der Übernahme des Bankhauses Lampe durch Hauck & Aufhäuser hervorgegangen ist. Gemeinsam mit der Privatbank hat man in Naga investiert, ein 2015 gegründetes börsennotiertes deutsches Fintech, das sich auf Social Trading und Investing, inklusive Kryptoassets, fokussiert hat. Zudem ist Fosun Eigentümer der Frankfurter Leben-Gruppe. Die Frankfurter Leben ist eine sogenannte Run-off-Plattform, spezialisiert auf den Kauf großer Lebensversicherungsbestände.

Infografik: Chinesische Beteiligungen an Fintechs in Deutschland

Strategische Einordnung

2018 berichtete der China Compass über die Expansion der AliPay- und WeChat-Pay-Netzwerke in Europa und Deutschland. Hingewiesen wurde dort auch auf die Beteiligung an ausländischen Fintechs, die für chinesische Fintech-Giganten eine valide Internationalisierungsstrategie ist. Beide Trends haben sich seitdem deutlich verstärkt: Ant Financial und Tencent haben ihr Kerngeschäft – chinesischen Touristen ermöglichen, mobil zu zahlen – in Europa weiter vorangetrieben. Das schließt seit September 2021 auch Aldi Süd ein, dem nach eigenen Angaben ersten Lebensmitteldiscounter, der AliPay akzeptiert.

Einer weiteren Expansion oder gar Übertragung chinesischer Fintech-Geschäftsmodelle standen offenbar strategische, politische und wirtschaftliche Herausforderungen entgegen. Zu nennen ist hier vor allem die Skalierbarkeit: Während die EU als Markt schon deutlich kleiner ist als China, ist der europäische Binnenmarkt zudem noch von Sprachbarrieren sowie rechtlichen und kulturellen Unterschieden geprägt. Folgerichtig treten die Unternehmen daher gegenüber europäischen Konsumenten vor allem als Fintech-Investoren statt als Anbieter auf.

Fazit

Mit den Bewertungen deutscher Fintechs sind auch die Summen erheblich gestiegen, die in Deutschland investiert werden. Auslandsinvestitionen und gerade auch Investments in deutsche Fintechs gelten in ganz China trotz regulatorischer Herausforderungen offenbar noch immer als attraktiv und werden gern wahrgenommen. Gegenüber anderen sogenannten Schlüsselindustrien geschieht das zum aktuellen Zeitpunkt weitgehend ohne politische Einschränkungen oder öffentliche Empörung auf der deutschen Seite. 

Thomas Heck
E-Mail

Während also unklar ist, wohin sich das Umfeld eines europäisch-chinesischen Verhältnisses im Spannungsfeld von Partnerschaft, Wettbewerb und systemischer Rivalität entwickelt, ist eines sicher: Die Beteiligung chinesischer Fintech-Giganten, des größten Fintech-Markts der Welt, ist wie ein Ritterschlag für jedes Fintech. Kapital, Vertrauen sowie ein potenzieller Wissens- und Erfahrungstransfer aus China sind Erfolgsfaktoren und handfeste Wettbewerbsvorteile für die auserkorenen Fintechs.

Follow us

Contact us

Thomas Heck

Thomas Heck

Partner, PwC USA Business Group Leader & China Business Group, PwC United States

Tel.: +49 175 9365782

Dr. Katja Banik

Dr. Katja Banik

Redaktionsleitung, PwC Germany

Tel.: +49 151 14262429

Hide