Deutschland und China: steuerliche Folgen ungeplanter Mobilität

08 Dezember, 2022

Seit dem Frühjahr 2020 sind alle Regionen der Welt in wechselnder Folge und Intensität von der Coronapandemie betroffen.

Das ist eine Herausforderung für das Mobilitätsmanagement aller multinationalen Unternehmen und betrifft infolge der strikten Zero-COVID-Politik vor allem Entsendungen nach China.

Entsendung

Unterstellt sei der Fall einer deutschen Arbeitnehmerin, die zu einer Konzerngesellschaft nach China entsandt wurde, um dort als Head of Business Development die Strategie zu optimieren und die Marktdurchdringung zu verbessern. Dafür ist sie mit ihrer Familie (Ehemann und schulpflichtige Kinder) nach China umgezogen und hat ihren deutschen Wohnsitz aufgegeben. Ihr deutscher Arbeitsvertrag ist ungekündigt, aber ruhend gestellt. Hinzugekommen sind ein Entsendevertrag mit den Details der Entsendung sowie ein lokaler Arbeitsvertrag für lokale Visaerfordernisse.

Die meisten Gehaltsbestandteile zahlt und trägt die chinesische Konzerngesellschaft als wirtschaftlicher Arbeitgeber direkt. Andere Gehaltsbestandteile (insbesondere die Beiträge zur deutschen Sozialversicherung) zahlt das deutsche Stammhaus und verrechnet sie anschließend mit der chinesischen Konzerngesellschaft. Wegen der Verlegung des Lebensmittelpunkts nach China wird das Gehalt in vollem Umfang in China versteuert und in Deutschland von der Lohnsteuer freigestellt.

Komplexe Reisesituation

Die strenge Zero-COVID-Politik der chinesischen Politik hat sich seit Beginn der Pandemie erheblich auf die Reisemöglichkeiten von und nach China ausgewirkt. Die Zahl der internationalen Flüge wurde stark reduziert, die Preise für Tickets sind gestiegen und es kommt zu kurzfristigen Flugstreichungen. Vorbereitende COVID-Tests und umfangreiche Nachweise zum Impfstatus und zur Reiseroute erschweren die Planbarkeit eines Fluges. Dazu kommen Unsicherheiten wegen der häufigen Anpassungen an die jeweilige Lage und daraus resultierende Änderungen im Prozess sowie die langwierigen Quarantänezeiten in Hotelisolation nach der Landung in China wie auch lokale Lockdowns in wechselnden Gebieten innerhalb Chinas.

Als Reaktion darauf vermeiden Unternehmen alle nicht unbedingt notwendigen Reiseaktivitäten konsequent. Wo internationale Reisen doch erforderlich sind, kombinieren die Reisenden häufig Berufliches und Privates mit entsprechend längerer Abwesenheit, teilweise auch ungeplant aufgrund besagter Flugstreichungen oder infolge unzulänglicher Dokumente für die Einreise nach China.

Temporärer Rücktransfer nach Deutschland

Die schwer vorhersehbare Situation in China schränkt nicht nur die berufliche Tätigkeit der deutschen Arbeitnehmerin, sondern auch das private Lebensumfeld ihrer Familie erheblich ein. Daher beschließt die Familie, für eine unbestimmte Zeit nach Deutschland zurückzukehren, bis sich die Situation in China wieder geklärt hat. Die Idee ist, dass die Arbeitnehmerin zwar temporär von Deutschland aus arbeiten, aber weiterhin in ihrer bestehenden Position für die chinesische Konzerngesellschaft tätig sein soll. Ein konkreter Termin für den Rückflug nach China wird nicht festgelegt. Die Kinder sollen während des Aufenthalts in Deutschland wieder dort zur Schule gehen. An der vertraglichen Situation soll sich nach Möglichkeit nichts ändern.

Erhebliche steuerliche Hürden

Aus chinesischer Sicht stellt sich die lohn- und einkommensteuerliche Situation wie folgt dar: Wird die deutsche Arbeitnehmerin innerhalb des aktuellen Kalenderjahrs voraussichtlich mindestens 183 Kalendertage in China verbringen, wird sie in China als „tax resident“ betrachtet und mit ihrem vollen, von der chinesischen Konzerngesellschaft getragenen Gehalt auf Basis einer Jahrestabelle versteuert. Anders als bei der Zählung für Zwecke des Doppelbesteuerungsabkommens werden nach lokalem chinesischem Recht An- und Abreisetage nicht gerechnet. Dafür müssen die 183 Tage nicht überschritten werden, sondern es genügt das Erreichen der 183 Tage.

Ist die deutsche Arbeitnehmerin innerhalb des aktuellen Kalenderjahres keine 183 Tage in China anwesend, ist das von der chinesischen Konzerngesellschaft getragene Gehalt dennoch vollumfänglich zu versteuern, allerdings auf Basis einer monatlichen Steuersatzermittlung. Diese führt im Idealfall theoretisch zum gleichen steuerlichen Ergebnis wie die jährliche Ermittlung. In der Praxis ergeben sich jedoch häufig Mehrbelastungen.

Aus deutscher Sicht könnte das bestehende Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und China gegen zusätzliche Besteuerung in Deutschland schützen, wenn die deutsche Arbeitnehmerin in Deutschland weiterhin als beschränkt steuerpflichtig angesehen wird und sich nicht mehr als 183 Tage in einem beliebigen Zwölf-Monats-Zeitraum in Deutschland aufhält. Anders als in China werden An- und Abreisetage mitgezählt, dafür muss die Grenze von 183 Tagen überschritten werden.

Noch unmittelbarer auf die steuerliche Behandlung wirkt sich jedoch die Frage aus, ob die deutsche Arbeitnehmerin durch den Rücktransfer der Familie für eine undefinierte Dauer ihren Lebensmittelpunkt wieder zurück nach Deutschland verlegt und dadurch wieder unbeschränkt steuerpflichtig wird. In einem solchen Fall wäre das Gehalt vom ersten Tag an in Deutschland der Lohn- und Einkommensbesteuerung zu unterwerfen. Da China ungeachtet dessen an der Besteuerung in China festhalten würde, Deutschland aber deren Anrechnung nicht vorsieht, käme es möglicherweise zu einer echten Doppelbesteuerung.

Nach Ansicht der auch in internationalen steuerlichen Fragen Standard setzenden Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sind pandemiebedingte Aufenthalte nur gegeben, wenn zwischen dem Aufenthalt und den Maßnahmen einer Regierung ein enger Zusammenhang besteht. Ein solcher könnte angenommen werden, wenn ein Arbeitnehmer beispielsweise durch eine Regierungsmaßnahme unmittelbar an der eigentlich geplanten Weiterreise gehindert wird. Im vorliegenden Fall kann davon jedoch nicht ohne Weiteres ausgegangen werden. Insoweit könnte in unserem Fall auch das Argument mit den Besonderheiten der Pandemie entfallen. Darüber hinaus stellt sich aus körperschaftsteuerlicher Sicht die Frage, ob die deutsche Arbeitnehmerin mit ihrer Tätigkeit für eine chinesische Konzerngesellschaft in Deutschland möglicherweise eine steuerliche Betriebsstätte begründet. Diese Frage soll hier jedoch nicht vertieft werden.

Fazit

Was in Zeiten der Digitalisierung mit einschlägigen Plattformen zur Videokommunikation eine pragmatische Lösung sein kann, weist in der steuerlichen Betrachtung zahlreiche Fallstricke auf. Als temporär vorgesehene, aber letztlich zeitlich doch offene Reisen nach Deutschland sowie Rücktransfers der ganzen Familie sind sie mit steuerlichen Unsicherheiten verbunden, die zum Schutz von Unternehmen und Entsendeten vorab analysiert werden sollten. Auf Basis dieser Analyse sollte die vertragliche und tatsächliche Situation der Entsendeten dann entsprechend angepasst werden.

Alexander Prautzsch ist Tax Director bei PwC China im Büro Shanghai und Mitglied der European Business Group

Alexander Prautzsch

Alexander Prautzsch ist Tax Director bei PwC China im Büro Shanghai und Mitglied der European Business Group. Er berät europäische Kunden bei Investitionen in China. Seine Schwerpunkte liegen auf chinesischen, deutschen und internationalen Steuerfragen für Firmenkunden und deren Mitarbeiter und Bereichen wie Anlageberatung, Restrukturierung, Gewinnrückführung und Planung der Lieferkette. Der deutsche Muttersprachler spricht fließend Englisch und Mandarin.

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