China Compass, Winter 2024

Lokalisierte Forschung und Entwicklung in China – Varianten aus chinesischer steuerlicher Sicht

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  • 19 Dez 2024

Die Lokalisierung von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten deutscher Unternehmen in China ist seit vielen Jahren ein Thema. Die Gründe hierfür sind vielfältig. In der Vergangenheit ging es häufig um die Anpassung von Produkten und Technologien an die Besonderheiten des lokalen Marktes, typischerweise auch mit dem Ziel, höhere Qualität zu günstigen Preisen anzubieten.

Der beispiellose wirtschaftliche und technologische Aufstieg Chinas und seiner Wirtschaft hat einen anderen Aspekt in den Vordergrund gerückt.

Schon heute stehen viele chinesische Unternehmen der ersten und zweiten Reihe für zukunftsweisende Technologie, gepaart mit praktischem Produktions-Know-how, hoher Entwicklungsgeschwindigkeit und einem attraktiven Preisgefüge. Deutsche Unternehmen sehen in dieser Konstellation die Chance, durch eigene Präsenz vor Ort Impulse für die eigene Organisation zu setzen und die eigene Innovationskraft zu stärken, ohne dabei den Schutz des geistigen Eigentums aus den Augen zu verlieren.

Typische Modelle lokalisierter Forschung und Entwicklung

In der Praxis stehen dabei zwei Modelle der Entwicklungsleistung im Vordergrund.

  • Auftragsentwicklung: Ein ausländisches Unternehmen (beispielsweise die deutsche Muttergesellschaft) beauftragt das F&E-Team seiner chinesischen Tochtergesellschaft mit der Erbringung einer definierten Entwicklungsleistung. Dabei übernimmt das ausländische Unternehmen alle anfallenden Kosten zuzüglich eines angemessenen Gewinnaufschlags und erhält dafür das Eigentum an den Ergebnissen der Entwicklungsleistung.
  • Eigenentwicklung: Die chinesische Tochtergesellschaft bestimmt den Entwicklungsprozess eigenständig und trägt alle anfallenden Kosten selbst. In diesem Fall steht das Eigentum an den Ergebnissen der Entwicklungsleistung der chinesischen Tochtergesellschaft zu. Sollen andere Konzernunternehmen die geschaffene Technologie nutzen, müssen neben eventuell bereits bestehenden Lizenzvereinbarungen unter anderem mit der deutschen Muttergesellschaft weitere Vereinbarungen mit der chinesischen Tochtergesellschaft getroffen werden.

In der Praxis vermischen sich die genannten Modelle teilweise, weshalb in einem solchen Fall auf eine genaue Abgrenzung der Aktivitäten, Vermögenswerte und Kosten zu achten ist. Weitergehende Konzepte wie Gemeinschaftsentwicklungen, bei denen die Kosten und Ergebnisse der Entwicklung grenzüberschreitend geteilt werden, sind dagegen weiterhin selten.
Organisatorisch und rechtlich sind lokale F&E-Teams in der Regel in bestehende rechtliche Einheiten wie etwa eine Produktionsgesellschaft oder ein „Regional Headquarter“ integriert. In einigen Fällen erfolgt auch eine separate Registrierung als Research and Development Center. Seltener werden die F&E-Aktivitäten in einer eigenständigen F&E-Gesellschaft organisiert.

Steuerliche Aspekte der Auftragsentwicklung

Für viele deutsche Unternehmen steht bei der Auftragsentwicklung im Vordergrund, dass die Entwicklungsergebnisse einheitlich und direkt bei einer ausländischen Gesellschaft, häufig der Muttergesellschaft, entstehen, die bereits über das Eigentum an der weltweit genutzten Technologie verfügt. Der Vorteil: Bestehende Strukturen zur Sicherung und Lizensierung von Technologien können weiter genutzt werden. Voraussetzung für dieses Modell ist allerdings, dass das ausländische Unternehmen die chinesische Tochter für ihre Leistung bereits während der Entwicklungsphase fremdüblich vergütet.

Nach den international üblichen Verrechnungspreisgrundsätzen erfolgt diese Vergütung häufig nach der Kostenaufschlagsmethode. Dabei werden alle Kosten der Entwicklungsleistung gesondert und gegebenenfalls anteilig erfasst, insbesondere die Kosten des Arbeitseinsatzes, der genutzten Anlagen, der verwendeten Materialien etc. Indirekte Kosten für Gebäude und Verwaltung werden in der Regel umgelegt. Zusammen mit einem angemessenen Gewinnaufschlag (in Prozent der Kosten) werden diese dann regelmäßig dem ausländischen Auftraggeber in Rechnung gestellt.

Mit Blick auf die Steuer in China ist darauf zu achten, dass der Gewinnaufschlag regelmäßig auf die Gesamtkosten erhoben wird und über die üblichen 5 Prozent für reine Verwaltungstätigkeiten hinausgeht. In der Praxis kann es hier zu Diskussionen kommen, insbesondere wenn die chinesische Tochtergesellschaft ihrerseits Vorleistungen vor Ort einkauft. In diesem Fall wäre zu prüfen, ob ein Aufschlag angemessen ist. Ein weiteres Thema ist die Nutzung von Basis-Know-how des ausländischen Auftraggebers, wobei hier häufig auf eine gesonderte Vergütung verzichtet wird, um eine weitere Beaufschlagung zu vermeiden.

Die Auftragsentwicklung steht zwar nicht im Fokus der chinesischen Steuerförderungspolitik, kann aber dennoch von einigen steuerlichen Vorzugsbehandlungen profitieren. Umsatzsteuerlich unterliegen Entwicklungsleistungen regelmäßig einer Besteuerung in Höhe von 6 Prozent des Nettoentgelts. Dies gilt grundsätzlich auch für Dienstleistungen, die für ein ausländisches Unternehmen erbracht werden (sogenannte Exportleistungen). Da die chinesische Umsatzsteuer im Ausland typischerweise weder anrechenbar noch erstattungsfähig ist, führt die Besteuerung im Ergebnis zu einer Mehrbelastung. Im Falle von Forschung und Entwicklung können diese Exportleistungen jedoch entweder von der Umsatzsteuer befreit werden oder einem Nullsteuersatz unterliegen. Der Vorteil der Nullbesteuerung liegt darin, dass die chinesische Tochtergesellschaft im Gegenzug die Vorsteuer für die Eingangsleistungen geltend machen kann, was bei einer reinen Befreiung nicht möglich wäre.

Eine Schwierigkeit bei der Anwendung des Nullsteuersatzes in der Praxis ist jedoch, dass die Entwicklungsleistung in diesem Fall „ausschließlich für die Verwendung außerhalb Chinas“ erbracht werden muss. Dies führt zu Schwierigkeiten, wenn die Technologie beispielsweise im Rahmen einer Auftragsentwicklung in China entwickelt wird, dann aber von einem chinesischen Produktionsunternehmen vor Ort genutzt werden soll. Hier wäre im Einzelfall zu prüfen, ob die ausschließliche Verwendung außerhalb Chinas bereits durch eine globale Lizenzierung der Technologie durch den ausländischen Auftraggeber erreicht ist.

Körperschaftsteuerlich sind für Auftragsentwicklungen per se keine besonderen Vergünstigungen vorgesehen. Es besteht jedoch die Möglichkeit, über die Wahl der Rechtsform wie etwa die Technologically Advanced Service Enterprise steuerliche Vergünstigungen in Anspruch zu nehmen. Darüber hinaus bilden lokalisierte F&E-Aktivitäten häufig die Grundlage für weitere lokale Förderungen und Subventionen.

Steuerliche Aspekte der Eigenentwicklung

Im Gegensatz zur Auftragsentwicklung stehen bei der Eigenentwicklung die Entwicklungsergebnisse der chinesischen Tochtergesellschaft zu, die während der Entwicklungsphase auch die Entwicklungskosten trägt. Eine Verrechnung mit der ausländischen Muttergesellschaft findet nicht statt. Umgekehrt kann es aber sein, dass die ausländische Mutter für die Zurverfügungstellung von Basis-Know-how und andere Unterstützungsleistungen aus steuerlicher Sicht Verrechnungen vornehmen muss. Denkbar ist auch, dass die chinesische Tochtergesellschaft ihrerseits Teile der Entwicklungstätigkeit als Entwicklungsauftrag an die ausländische Mutter vergibt.

Aus umsatzsteuerlicher Sicht sollte in der Entwicklungsphase der Vorsteuerabzug für Eingangsleistungen in die Entwicklung für die chinesische Tochtergesellschaft gegeben sein, soweit die Entwicklung dem umsatzsteuerpflichtigen Geschäftsbereich dient. Wird die entwickelte Technologie anschließend in der Verwertungsphase umsatzsteuerfrei ins Ausland transferiert, könnte der Vorsteuerabzug in Zweifel gezogen werden. Insofern wäre bei einem solchen Transfer der Nullsteuersatz vorzuziehen.

Aus körperschaftsteuerlicher Sicht stehen für die Eigenentwicklung eine Reihe von Steuervergünstigungen zur Verfügung. Zunächst besteht die Möglichkeit, wesentliche F&E-Aufwendungen im Rahmen von F&E-Projekten in doppelter Höhe steuerlich geltend zu machen (R&D Super Deduction). Dazu müssen die einzelnen F&E-Projekte hinsichtlich ihrer Fragestellung und Methodik, ihres Ressourceneinsatzes und ihrer zeitlichen Planung umfassend definiert, dokumentiert und erfasst werden. Anschließend sind die F&E-Aufwendungen im Rahmen einer getrennten Buchführung den Projekten zuzuordnen. Der zusätzliche steuerliche Abzug kann dann entweder bereits in den Quartalserklärungen im Juni oder Oktober oder aber erst in der Jahreserklärung geltend gemacht werden.

Deutlich anspruchsvoller sind die Voraussetzungen für den Status eines High and New Technology Enterprise. Solche sogenannten HNTE müssen zahlreiche ambitionierte Vorgaben erfüllen hinsichtlich der Höhe der F&E-Ausgaben, der Anzahl der F&E-Mitarbeiter, des Umsatzes mit Hochtechnologieprodukten, der regelmäßigen Generierung und Registrierung von Neuentwicklungen etc. Bei der Beantragung des Status ist die Erfüllung der Voraussetzungen für die letzten drei Kalenderjahre nachzuweisen. Der Status wird für die folgenden drei Kalenderjahre gewährt und berechtigt das Unternehmen, seinen Körperschaftsteuersatz von 25 auf 15 Prozent zu reduzieren. Die Ermäßigung gilt für den gesamten Geschäftsbetrieb, also auch für Tätigkeiten, die nicht oder nur am Rande mit den technologieintensiven Aktivitäten zusammenhängen. Entscheidend ist: Die Voraussetzungen für den Status müssen in jedem Jahr der Inanspruchnahme erneut erfüllt werden. Gelingt dies in einem Jahr nicht, wird der Status aberkannt und muss gegebenenfalls für das Folgejahr neu beantragt werden.

Die Steuervergünstigungen der R&D Super Deduction und des HNTE-Status können kombiniert werden, sodass für HNTE effektive Körperschaftsteuersätze unter 15 Prozent möglich sind. In der Praxis wird die Kombination von den Finanzämtern sogar erwartet, zumal es für ein HNTE keinen Grund geben sollte, bei laufenden Entwicklungsaktivitäten auf die R&D Super Deduction zu verzichten.

In der Verwertungsphase der Entwicklung kommt neben der Eigennutzung auch eine Lizenzierung der Nutzungsrechte oder ein Verkauf der Eigentumsrechte in Betracht. Beides stellt im Verständnis der chinesischen Finanzverwaltung einen „Transfer“ der Technologie dar. Aus umsatzsteuerlicher Sicht besteht ähnlich wie bei der Auftragsentwicklung die Möglichkeit, Technologie umsatzsteuerfrei oder zum Nullsteuersatz zu übertragen. Auch hier ist ein Transfer zum Nullsteuersatz vorzuziehen, der aber wiederum an die Bedingung geknüpft ist, dass der Transfer „ausschließlich zur Nutzung außerhalb Chinas“ erfolgt.

Bei der Körperschaftsteuer besteht in der Verwertungsphase die Möglichkeit, Einkünfte aus dem Technologietransfer bis zu einer Höhe von 5 Mio. Yuan steuerfrei zu stellen und darüber hinausgehende Einkommen nur zur Hälfte der Besteuerung zu unterwerfen. Auch diese Steuervergünstigung kann mit der R&D Super Deduction und der HNTE kombiniert werden.

Neben den genannten steuerlichen Vorteilen sind lokalisierte F&E-Aktivitäten, wie bereits erwähnt, generell häufig Grundlage für weitere lokale Förderungen und Subventionen.

Überlegungen zur Wahl der Rechtsform

Wie dargestellt, können sich einige der steuerlichen Vorteile von F&E-Aktivitäten auf die gesamte Geschäftstätigkeit eines Unternehmens auswirken. Insofern erscheint es aus rein steuerlicher Sicht sinnvoll, die F&E-Aktivitäten in einer bestehenden operativen Gesellschaft zu bündeln. Die Grenzen dieses Vorgehens liegen jedoch dort, wo quantitative Anforderungen, etwa an die F&E-Aufwendungen oder die Mitarbeiterzahl oder aufgrund des Umfangs des operativen Geschäfts, nicht mehr erfüllt werden können. Auch die Verteilung der Mitarbeiter auf verschiedene Geschäftsbereiche oder Regionen Chinas kann unterschiedliche Zuordnungen erforderlich machen.

Unabhängig von der gewählten Rechtsform kann die Registrierung eines R&D Centers für die F&E-Aktivitäten infrage kommen. Verschiedene Regionen Chinas gewähren registrierten R&D Centers erhebliche lokale Subventionen für die Gründung und den Unterhalt. Grundlage einer solchen Registrierung kann ein eigenständiges Unternehmen, eine eigenständige Niederlassung oder auch nur ein in ein operativ tätiges Unternehmen integriertes F&E-Team sein. Je nach Status ergeben sich unterschiedliche Anforderungen an Kriterien wie Investitionsvolumen und Mitarbeiterzahl.

Fazit

Eine adäquate steuerliche Strukturierung von F&E-Aktivitäten in China hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Neben Aspekten der Leistungsverrechnung und der steuerlichen Förderung sind auch Überlegungen zur Wahl der Rechtsform einzubeziehen. Dabei stehen in der Strukturierungspraxis häufig zunächst betriebswirtschaftliche Notwendigkeiten im Vordergrund. Sind diese Entscheidungen getroffen, bietet das chinesische Steuersystem einen reichen Fundus an steuerlichen Förderungen und Subventionen.

Alexander Prautzsch

Alexander Prautzsch ist Tax Director bei PwC China im Büro Shanghai und Mitglied der European Business Group. Er berät europäische Kunden bei Investitionen in China. Seine Schwerpunkte liegen auf chinesischen, deutschen und internationalen Steuerfragen für Firmenkunden und deren Mitarbeiter und Bereichen wie Anlageberatung, Restrukturierung, Gewinnrückführung und Planung der Lieferkette. Der deutsche Muttersprachler spricht fließend Englisch und Mandarin.

Tel.: +86 185 1632 9031
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