08 Dezember, 2022
Es war keine kleine Entscheidung: Sollten wir nach drei fantastischen Jahren in Mexiko weiter nach China ziehen oder wie ursprünglich geplant in unsere Heimatstadt München zurückkehren? Wir, das sind meine Frau, unsere beiden Kinder im Grundschulalter und ich.
Der Business Case passt wie die Faust aufs Auge. Aber werden wir uns in der aktuellen Lage als Familie in Beijing wohlfühlen und ist China in vielerlei Hinsicht nicht das genaue Gegenteil von Mexiko?
Nach vielen aufschlussreichen Gesprächen mit deutschen Expats in China fällt unsere Entscheidung: Wir ziehen für drei Jahre nach Beijing! Geplanter Umzugstermin ist August 2022, damit die Kinder zum Beginn des neuen Schuljahrs vor Ort sind. Es ist Januar 2022 und die erste Ernüchterung bringt die To-do-Liste zur Beantragung der Visa. Zu dieser Zeit werden noch eine „Invitation“ und ein „PU-Letter“ verlangt. Viele Dokumente müssen neu beantragt und legalisiert werden. Eine besondere Herausforderung hierbei ist unser Aufenthalt in Mexiko-Stadt und die pandemiebedingten Störungen bei den deutschen Behörden. – War China tatsächlich die richtige Entscheidung?
Als es bereits so aussieht, als ob wir die Visa nicht zeitgerecht erhalten würden, geht alles ganz schnell: Der PU-Letter-Prozess wird ausgesetzt, alle benötigten Dokumente liegen vor und der Charterflug mit der Deutschen Auslandshandelskammer (AHK) am 22. Juli von Frankfurt nach Qingdao ist ebenfalls bestätigt. Mein letzter Arbeitstag in Mexiko ist der 30. Juni. Auf dem Weg nach China bleiben uns also drei Wochen Zwischenstopp in Deutschland. Dort kommt es zu vielen großartigen Begegnungen. Wir verbringen viel Zeit mit Freunden und Familie, die sich sowohl mit und für uns freuen, aber gleichzeitig traurig sind, noch mal drei Jahre auf uns verzichten zu müssen. Unser Sommer ist sehr intensiv und bis heute voller schöner Erinnerungen.
Das Ankommen in China ist dann ein echter Kraftakt: Vor dem Abflug nach Qingdao müssen viermal drei Coronatests negativ sein, unseren „Green Code“ erhalten wir vier Stunden vor dem Boarding. Im Anschluss kommen wir für zehn Tage in die Zentralquarantäne in Qingdao. Das Ganze ist perfekt organisiert von der AHK und dringend zu empfehlen, besonders bei der Anreise mit Kindern. Nach der Ankunft in Beijing tun sich weitere Hürden auf: das Beantragen von Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung, die Eröffnung eines Bankkontos und das Eintauchen in den voll durchdigitalisierten Alltag mit seinen diversen „Must-have-Apps“. – Bis heute haben wir keine Möglichkeit entdeckt, in Beijing mit Bargeld zu bezahlen.
Hat es sich gelohnt, das alles auf uns zu nehmen? Nach drei Monaten vor Ort beantworten wir diese Frage mit einem entschiedenen Ja. Wir sind mit offenen Armen in Beijing empfangen worden. Die Kollegen von PwC kümmern sich rührend um uns. Auch im Alltag haben wir immer wieder wundervolle Begegnungen mit ganz unterschiedlichen Menschen. Wir erleben nach zweieinhalb Jahren Isolation eine große Aufgeschlossenheit gegenüber Ausländern und auch das Bedürfnis, die eigenen Perspektiven auf das Weltgeschehen darzustellen. Die Deutsche Botschaftsschule gefällt uns hervorragend und die Kinder sind bereits voll eingetaucht in unser neues Abenteuer. Die deutsche Community vor Ort ist erheblich kleiner geworden seit Beginn der Pandemie, aber man ist auch zusammengerückt und kümmert sich umeinander.
Ganz ohne Frage ist es aus geschäftlicher Sicht sinnvoll, vor Ort zu sein: Die aktuellen geopolitischen Herausforderungen machen es wichtiger denn je, den Markt aus erster Hand zu verstehen, Beziehungen aufzubauen und bedächtig zu agieren. Nach wie vor gilt: Wenige deutsche Unternehmen können es sich leisten, auf den chinesischen Markt zu verzichten. Gleichzeitig gilt es, bestehende und neue Risiken in einem volatilen Umfeld umsichtig zu managen. Darüber hinaus besteht kein Zweifel, dass wir die großen Herausforderungen unserer Zeit wie die Eindämmung des Klimawandels nur gemeinsam mit China lösen können. Zusammenarbeit aber basiert auf langfristigen persönlichen Beziehungen und gegenseitigem Vertrauen, das nur in direktem Austausch aufgebaut werden kann.
Marc Tedder ist Wirtschaftsprüfer und Partner bei PwC Deutschland. Seit August 2022 leitet er die PwC German Business Group in China. Vor seiner Entsendung nach Beijing hat er drei Jahre lang die PwC German Business Group in Mexiko geleitet. Marc Tedder hat insgesamt mehr als 15 Jahre Erfahrung in der Prüfung und Beratung international tätiger Unternehmen. Er ist ein gefragter Ansprechpartner für alle Herausforderungen im Zusammenhang mit Investitionen deutscher Unternehmen in China und Mexiko.
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