ESG-Strategie und -Reporting im Mittelstand

PwC-Studie 2023: Die Pflichten zum Nachhaltigkeitsreporting setzen dem Mittelstand zu – Unternehmen fürchten den hohen bürokratischen und organisatorischen Aufwand.

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Uwe Rittmann
Leiter Familienunternehmen und Mittelstand bei PwC Deutschland
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Nachhaltigkeit im Mittelstand: Unternehmen fehlt eine ganzheitliche Strategie

Die Wende zur grünen Wirtschaft macht vor dem Mittelstand nicht halt. Denn auch die regulatorischen Anforderungen durch die EU-Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung, die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), steigen. Wie stehen mittelständische und inhabergeführte Unternehmen in Deutschland zum verpflichtenden Nachhaltigkeitsreporting? Wie gut fühlen sie sich vorbereitet? Welche Ziele verbinden sie mit einer nachhaltigen Ausrichtung ihres Unternehmens? Antworten gibt die Studie „ESG-Strategie und -Berichterstattung: Chance und Herausforderung für den deutschen Mittelstand“, für die PwC gemeinsam mit dem Institut für Management und Innovation (IMI) der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen knapp 160 mittelständische Unternehmen überwiegend aus dem verarbeitenden Gewerbe befragt hat.

Ein zentrales Ergebnis: Die Unternehmen haben erkannt, dass sie die nachhaltige Transformation angehen müssen, verfolgen aber keine ganzheitliche Strategie und können die gesetzlichen Anforderungen noch nicht erfüllen.

„Nachhaltigkeit ist das Fundament für unternehmerischen Erfolg im Mittelstand. Nur Unternehmen, die ökologische und soziale Verantwortung übernehmen, werden künftig noch am Markt bestehen. Deshalb ist es entscheidend, das Thema ESG ganzheitlich und kennzahlenbasiert zu verfolgen.“

Uwe RittmannLeiter Familienunternehmen und Mittelstand bei PwC Deutschland

Die Studie im Überblick

Mittelstand reagiert auf Druck von außen

Den Unternehmen ist bewusst, dass sie die grüne Transformation in den kommenden Jahren bewältigen müssen, wie 60 Prozent der Studienteilnehmer:innen bestätigen. Allerdings lassen sie sich dabei von äußeren Anforderungen, nicht von inneren Zielen leiten. Lediglich ein Drittel verfolgt ESG-Kriterien, weil sie dem eigenen Selbstverständnis entsprechen. Reagieren statt agieren – das hat vielfach zur Folge, dass den Unternehmen der ganzheitliche Blick fehlt und sie nicht das volle Potenzial einer nachhaltigen Unternehmensführung nutzen können.

Nachhaltigkeit wird von aktuellen Herausforderungen überlagert

Mittelständische Unternehmen müssen in der derzeitigen Krise viele Herausforderungen bewältigen, die ihnen stark zu schaffen machen. Dabei besteht die Gefahr, dass diese das Thema Nachhaltigkeit von der Agenda verdrängen. An erster Stelle stehen die immens gestiegenen Energiekosten im Zuge des Ukraine-Krieges, wie 70 Prozent bestätigen. Stark belastet fühlen sich die Studienteilnehmer:innen auch vom Fachkräftemangel (66 Prozent) – noch vor den hohen Rohstoffpreisen/der Rohstoffknappheit (63 Prozent). Die Transformation zu einem nachhaltigen Unternehmen landet mit 60 Prozent erst auf dem fünften Platz.

Der stärkste Treiber für eine nachhaltige Ausrichtung ist die Energie- und Ressourceneffizienz (76 Prozent), gefolgt von den Anforderungen des Marktes (69 Prozent) und der Steigerung der Arbeitgeberattraktivität (64 Prozent). 62 Prozent reagieren mit der Neuausrichtung auf die gestiegenen gesetzlichen Vorgaben.

Unternehmen erkennen die Gefahr des Greenwashing

Die Gefahr des Greenwashing ist in der derzeitigen Situation groß. Das geben die Unternehmen selbst zu: 54 Prozent aller Befragten befürchten eine halbherzige Umsetzung, da sie von außen auferlegt ist. Besonders bemerkenswert ist, dass diese Sorge unter den ESG-Verantwortlichen, den Nachhaltigkeitsbeauftragten, mit 63 Prozent noch ausgeprägter ist. Möglicherweise müssen sie als „Feigenblatt“ dienen. Umso wichtiger ist es, dass Nachhaltigkeit auf höchster Ebene angesiedelt ist und Rollen und Verantwortlichkeiten durch eine Governance-Struktur klar festgelegt sind.

Umsetzung vielfach noch im Anfangsstadium

Von einer nachhaltigen Transformation sind die meisten mittelständischen Unternehmen derzeit noch weit entfernt. Die Mehrheit hat sich zwar mit den regulatorischen Anforderungen im Zuge der CSRD befasst, befindet sich dabei aber noch im Anfangsstadium: 63 Prozent sagen zwar, dass sie erste Analysen für ihr Unternehmen durchgeführt haben. Viele ESG-Kennzahlen werden derzeit jedoch nur von einer Minderheit erfasst, zum Beispiel Emissionen in Wasser und Böden oder der Schutz der Biodiversität. Dazu passt, dass Unternehmen nur vereinzelt die Erfolge ihrer Maßnahmen systematisch erfassen – lediglich ein Viertel der Unternehmen misst die Fortschritte ihrer Nachhaltigkeitsinitiativen.

Mehrheit von Berichtspflichten überfordert

Die Befragten fürchten, von den bürokratischen und organisatorischen Vorgaben im Zuge der CSRD überfordert zu sein, wie 76 Prozent bestätigen. Ein Großteil der Unternehmen (62 Prozent) macht sich ebenso Gedanken, dass die regulatorischen Anforderungen Personal binden, das ohnehin schon knapp ist.

Zu den größten Hürden beim Nachhaltigkeitsreporting zählt der Mangel an belastbaren Daten: 73 Prozent stoßen auf Schwierigkeiten bei der Erfassung, Qualität, Verarbeitung und Analyse ihrer Daten. Das liegt ganz wesentlich daran, dass mehr als drei Viertel der Befragten für ihre Datenerfassung noch excelbasierte Tools nutzen. In diesem Punkt zeigt sich, dass viele Mittelständler noch Aufholbedarf beim Thema Digitalisierung haben und ihnen somit die Basis für eine datengetriebene Herausforderung wie die Umsetzung der CSRD fehlt.

Kurz erklärt: die CSRD

Die EU-Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen, die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), betrifft Unternehmen und Konzerne, die – unabhängig von ihrer Kapitalmarktorientierung – an zwei aufeinanderfolgenden Abschlussstichtagen zwei dieser drei Kriterien erfüllen: 20 Millionen Euro Bilanzsumme, einen Nettoumsatzerlös von mehr als 40 Millionen Euro, mehr als 250 Mitarbeiter:innen. Kleine und mittelgroße Unternehmen fallen unter die Richtlinie, sofern sie kapitalmarktorientiert sind. In Deutschland sind von der Regelung circa 15.000 Unternehmen betroffen. Mit der CSRD werden Aspekte der Nachhaltigkeit nicht-finanziellen Kriterien in der Berichterstattung weitgehend gleichgestellt. Für die meisten Unternehmen greift die CSRD ab 2025.

5 Empfehlungen für die nächsten Schritte

1. Erklären Sie Nachhaltigkeit zur Chefsache. Ein Nachhaltigkeitsteam kann Sie bei der Umsetzung unterstützen.

2. Etablieren Sie eine Governance-Struktur mit klaren Rollen und Verantwortlichkeiten.

3. Verschaffen Sie sich zeitnah einen Überblick über die Datenbeschaffung und -architektur und decken Sie mögliche Lücken auf. Beginnen Sie jetzt schon mit der Datenkonzeption und -beschaffung.

4. Nutzen Sie die Vorbereitungszeit (in der Regel bis 2025), weil die CSRD zügig mit Prüfungspflichten einhergeht.

5. Bauen Sie die Ressourcen und Kompetenzen auf und treiben Sie das Upskilling in der Belegschaft voran.

„Eine konsequent nachhaltige Unternehmensführung ist weit mehr als reine Pflichterfüllung, sie bietet viele Chancen: Mittelständler verschaffen sich eine Top-Position im Wettbewerb, gesellschaftliche Akzeptanz, Glaubwürdigkeit gegenüber Kreditgebern und eine starke Arbeitgebermarke.“

Nicolette Behncke,Partnerin im Bereich Sustainability Services bei PwC Deutschland

Die Methodik

Für die Studie wurden rund 160 mittelständische Unternehmen mit dem Schwerpunkt im verarbeitenden Gewerbe erhoben. Knapp die Hälfte erzielte im abgelaufenen Geschäftsjahr einen Umsatz von unter 200 Millionen Euro, gut die Hälfte erwirtschaftete mehr als 200 Millionen Euro. Befragt wurden vor allem Vertreter:innen aus dem Unternehmensbereich Nachhaltigkeit (48 Prozent), der Geschäftsleitung (23 Prozent) und dem Finanzwesen/Controlling (13 Prozent). Die übrigen Studienteilnehmer:innen sind sonstigen Geschäftsbereichen zuzuordnen.

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