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Uwe Rittmann
Leiter Familienunternehmen und Mittelstand bei PwC Deutschland
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Es zählt zu den größten Stärken von Familienunternehmen: das Vertrauen, das ihnen Mitarbeitende, Konsumenten und die Öffentlichkeit entgegenbringen. Ausgerechnet dieser Wettbewerbsvorteil erweist sich aber als brüchig – etwa die Hälfte der Familienunternehmen im deutschsprachigen Raum fürchtet eine Vertrauenskrise. Entsprechend sehen die Unternehmen Handlungsbedarf und haben die Kundenzufriedenheit und die Bindung von Fachkräften zu ihren Top-Zielen erklärt. Bei ihren Anstrengungen vernachlässigen sie aber wichtige Zukunftsthemen wie ESG (Environmental Social Governance), Chancengleichheit und eine transparente Kommunikation, auf die Konsumenten wie Mitarbeitende und weitere Interessengruppen heute größten Wert legen. Das sind wichtige Ergebnisse des elften Global Family Business Survey „Transform to build trust“, für den PwC rund 2.000 Familienunternehmen aus 82 Ländern befragt hat. 172 von ihnen stammen aus der DACH-Region, darunter 115 aus Deutschland.
Ausgerechnet bei den beiden Interessengruppen, von denen sie am stärksten abhängig sind, sehen Familienunternehmen aus der DACH-Region die größte Vertrauenslücke. Eine davon ist die Mitarbeiterschaft: 95 Prozent der Studienteilnehmer:innen bestätigen, dass sie auf deren Vertrauen in besonderer Weise angewiesen sind, doch nur 49 Prozent sind sich dessen sicher. Ähnlich hoch ist der „Trust Gap“ unter den Kund:innen: 96 Prozent der Befragten wissen, wie wichtig das Vertrauen dieser Zielgruppe ist, aber nur 54 Prozent sind überzeugt, es zu besitzen. Die Ergebnisse sind umso überraschender, als Familienunternehmen im Vergleich zur börsennotierten Konkurrenz für besonders vertrauenswürdig gehalten werden, wie eine jährliche Umfrage der Kommunikationsagentur Edelman zu Vertrauen und Glaubwürdigkeit belegt.
Familienunternehmen im deutschsprachigen Raum haben verstanden, dass sie dringend handeln müssen, wenn sie sich das Vertrauen ihrer Stakeholder weiterhin sichern möchten. Doch auf diesem Weg setzen sie nicht die richtigen Akzente. Zu ihren wichtigsten Zielen haben sie die Steigerung der Kundenzufriedenheit (41 Prozent bezeichnen dies als Top-Ziel) und die Gewinnung sowie Bindung von Talenten (23 Prozent) erklärt. Wichtige Zukunftsthemen wie Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung vernachlässigen die Unternehmen hingegen, obwohl diese vor allem bei jungen Konsument:innen und Mitarbeitenden enorm an Bedeutung gewinnen. So haben nur sechs Prozent der Befragten das Thema ESG (Environmental Social Governance) zur Top-Priorität erhoben und lediglich 14 Prozent verfolgen eine klare ESG-Strategie. Ebenso sind die Unternehmen zurückhaltend, wenn es darum geht, zu gesellschaftlichen Themen Stellung zu beziehen: Nur 15 Prozent vertreten ihre Position öffentlich.
Trotz der Schwächen, die der Family Business Survey offenbart, können die Unternehmen auf ein gutes Geschäftsjahr 2022 zurückblicken. 77 Prozent der Familienunternehmen im deutschsprachigen Raum konnten ein Wachstum verzeichnen, davon 39 Prozent sogar im zweistelligen Bereich. Im globalen Durchschnitt liegt dieser Wert mit 71 Prozent spürbar niedriger. Besonders erfolgreich waren die deutschen Familienunternehmen, von denen 81 Prozent wachsen konnten. Für die zwei kommenden Jahre fallen die Prognosen allerdings deutlich konservativer aus. So rechnen nur noch 66 Prozent der Vertreter:innen aus der DACH-Region mit einem Wachstum; 33 Prozent gehen hingegen von einer Konsolidierung aus. Bei diesen Prognosen macht sich die Gefahr einer globalen Rezession bemerkbar.
Bei der Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Perspektiven und ihrer Wettbewerbsfähigkeit setzen die Unternehmen in den kommenden zwei Jahren vor allem auf den Ausbau ihrer digitalen Fähigkeiten. Das bezeichnen 62 Prozent als Top-Priorität – weit vor der Expansion in neue Märkte oder Kundensegmente und der Anpassung des Geschäftsmodells. Zum Vergleich: Weltweit liegt dieser Wert bei lediglich 44 Prozent. Diese Zahlen offenbaren, wie hoch der Nachholbedarf von Familienunternehmen im deutschsprachigen Raum immer noch ist. In Deutschland bescheinigen sich sogar nur 40 Prozent selbst starke digitale Fähigkeiten. Daher ist es dringend notwendig, dass Unternehmen die anstehende Transformation angehen und sich zugleich digital und nachhaltig neu ausrichten.
Um Vertrauen aufzubauen oder wiederzugewinnen, sollten Familienunternehmen zu Themen Stellung beziehen, die für ihre Anspruchsgruppen von großer Bedeutung sind, vor allem zu Nachhaltigkeit, sozialer Verantwortung, Diversität und Gleichberechtigung.
Familienunternehmen sind noch immer zu verschwiegen. Doch: Hidden war gestern. Unternehmen sollten ihre Ziele offensiv und transparent nach außen kommunizieren, insbesondere im Hinblick auf Nachhaltigkeit, Werte und Purpose.
Es reicht allerdings nicht, starke Werte nur zu postulieren. Familienunternehmen sollten mit ihren wichtigsten Stakeholdern – Mitarbeitenden, Kund:innen und Gesellschafter:innen – auch einen intensiven Austausch pflegen, beispielsweise über Feedback-Mechanismen für Konsument:innen.
„Von Unternehmern wird mittlerweile erwartet, sich zu gesellschaftlich wichtigen Themen klar zu positionieren. Und zwar offensiv. So leisten sie ihren Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt und wirken dem Verlust von Glaubwürdigkeit entgegen.“
Uwe Rittmann,Leiter Familienunternehmen und Mittelstand bei PwC DeutschlandFamily Business Survey 2023
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Für den 11. Global Family Business Survey unter dem Titel „Transform to build trust“ hat PwC 2.043 Familienunternehmen weltweit von Oktober 2022 bis Januar 2023 befragt. 172 Teilnehmende stammen aus der DACH-Region, davon 115 aus Deutschland. Die meist vertretenen Branchen: Industrielle Produktion (40 Prozent), Handel und Konsumgüter (24 Prozent), Finanzdienstleistungen (10 Prozent).