28 Februar, 2023
Von Dr. Isabel Ruhmer und Sandra Zerull. Am 16. Dezember 2022 hat der Bundesrat dem vom Bundestag am 11. November 2022 beschlossenen DAC7-Umsetzungsgesetz zugestimmt, in dessen Rahmen ein neuer § 38 Einführungsgesetz zur Abgabenordnung (EGAO) für die Erprobung alternativer Prüfungsmethoden vorgesehen ist.
Es sollen Erleichterungen in Betriebsprüfungen gewährt werden. Voraussetzung dafür ist, dass das Unternehmen über ein wirksames internes Steuerkontrollsystem (Tax Compliance Management System (Tax CMS)) verfügt. In den Jahren 2023 bis 2027 können Unternehmen bei Interesse an dem Versuch teilnehmen.
Ein Tax CMS definiert die innerbetrieblichen Maßnahmen, die gewährleisten, dass die Besteuerungsgrundlagen zutreffend aufgezeichnet und berücksichtigt werden und die darauf entfallenden Steuern fristgerecht und vollständig abgeführt werden. Darüber hinaus müssen steuerliche Risiken fortlaufend abgebildet werden.
Nach dem vom Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) verabschiedeten Praxishinweis zur Ausgestaltung und Prüfung eines Tax CMS gemäß IDW PS 980 sind sieben Grundelemente zu berücksichtigen. Diese Grundelemente sind Kultur, Ziele, Risiken, Programm, Organisation, Kommunikation sowie Überwachung und Verbesserung. Grundsätzlich ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass ein angemessenes und wirksames Tax CMS eine strafmindernde Wirkung im Falle von Compliance-Verstößen haben kann.
Aus Verrechnungspreissicht bildet eine konzerninterne Verrechnungspreisrichtlinie ein wesentliches Element des Tax CMS, neben der übergeordneten Konzernsteuerrichtlinie. Auch in der konzerninternen Verrechnungspreisrichtlinie sind die sieben Grundelemente des Tax CMS zu berücksichtigen. Dabei ist hervorzuheben, dass nicht nur die Darstellung und Erläuterung der Preisbestimmung für definierte konzerninterne Geschäftsbeziehungen aufzunehmen sind. Wichtig ist auch die prozessuale Dimension. In dieser sind die Abläufe in den verschiedenen Transaktionsschritten inklusive der zugehörigen Verantwortlichkeiten klar zu definieren. Ein wesentlicher Bestandteil des Tax CMS aus Verrechnungspreissicht ist zudem die Erstellung und Pflege einer Risikokontrollmatrix. In dieser sind die sich aus dem Verrechnungspreissystem des Unternehmens ergebenden steuerlichen Risiken zu identifizieren, hinsichtlich der Eintrittswahrscheinlichkeit und des potenziellen Schadensausmaßes zu evaluieren und Kontrollmechanismen aufzunehmen, um diesen Risiken effektiv entgegenzuwirken.
Unternehmen, die über ein wirksames Tax CMS verfügen, können einen Antrag auf Erleichterungen hinsichtlich Art und Umfang der folgenden Betriebsprüfung stellen. Die Voraussetzung für die verbindliche Zusage der Finanzbehörde im Benehmen mit dem Bundeszentralamt für Steuern hierzu ist, dass in einer laufenden Betriebsprüfung die Wirksamkeit des Tax CMS bestätigt wurde und dementsprechend kein bzw. nur ein unbeachtliches steuerliches Risiko vorliegt. Zusätzlich sind Änderungen an diesem geprüften Tax CMS zu dokumentieren und den Finanzbehörden unverzüglich mitzuteilen.
Die Zusage der Finanzbehörde ergeht unter Vorbehalt des Widerrufs. Das bedeutet, dass insbesondere im Fall der Feststellung von Abweichungen des Tax CMS oder der Nichtwirksamkeit diese Zusage widerrufen werden kann, dementsprechend die Erleichterungen aufgehoben werden und die Prüfung vollumfänglich erfolgt.
Die neue Regelung des § 38 EAGO sieht die Erprobung der oben genannten antragsbezogenen Prüfungserleichterungen für den Zeitraum 2023 bis 2029 vor. Eingeführt wurde sie zum 1. Januar 2023 und endet automatisch mit Ablauf des Jahres 2029, sofern keine Verlängerung erfolgt. Zugesagte Erleichterungen sowie Systemprüfungen sind von den Finanzbehörden bis zum 30. April 2029 zu evaluieren und die Ergebnisse bis zum 30. Juni 2029 an das Bundesministerium der Finanzen zu melden.
Um an der Erprobungsphase teilnehmen zu können, muss ein Unternehmen ein Tax CMS eingeführt haben. Daraus ergibt sich, dass insbesondere diejenigen Unternehmen von der neuen gesetzlichen Regelung Gebrauch machen können, die bereits über ein Tax CMS verfügen, sodass dieses in einer kommenden Betriebsprüfung hinsichtlich seiner Wirksamkeit getestet werden kann. Im ursprünglichen Vorschlag war nur ein Erprobungszeitraum bis 2027 vorgesehen. Mit der Verlängerung bis 2029 ergibt sich somit auch für diejenigen Unternehmen die Möglichkeit daran teilzunehmen, die derzeit noch nicht über ein etabliertes Tax CMS verfügen.
Es bleibt abzuwarten, wie genau die Wirksamkeitsprüfung des Tax CMS im Rahmen einer laufenden Betriebsprüfung durch die Finanzverwaltung erfolgen soll und welcher Aufwand den Unternehmen im Zuge ihrer Mitwirkungs- und Informationspflichten diesbezüglich entstehen wird. Sofern ein grundsätzliches Interesse seitens der Unternehmen besteht, an der Erprobungsphase teilzunehmen, sollte jedoch im ersten Schritt der Stand des eigenen Tax CMS evaluiert und ggf. mittels einer Angemessenheits- und Wirksamkeitsprüfung extern zertifiziert werden. Dabei empfiehlt sich insbesondere eine Orientierung am Praxishinweis zur Ausgestaltung und Prüfung eines Tax CMS nach IDW PS 980.
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