Von Daniel Retzer und Dr. Sina Litterscheid. Die EU-Verrechnungspreisrichtlinie ist Teil des Rahmenwerks zur Unternehmensbesteuerung (Business in Europe: Framework for Income Taxation (BEFIT)) und hat zum Ziel, durch eine Harmonisierung der Verrechnungspreisvorschriften innerhalb der EU die Compliance-Kosten für Unternehmen zu senken und Doppelbesteuerungsrisiken zu reduzieren.
Die EU-Verrechnungspreisrichtlinie soll von den Mitgliedsstaaten bis zum 31. Dezember 2025 in nationales Recht umgesetzt und ab dem 1. Januar 2026 angewendet werden. Für die Verabschiedung des Richtlinienentwurfs ist Einstimmigkeit erforderlich.
Die Richtlinie sieht die Implementierung des Fremdvergleichsgrundsatzes und der OECD-Verrechnungspreisleitlinien in europäisches Recht sowie die Einführung von Definitionen für wesentliche Begrifflichkeiten wie beispielweise „verbundene Unternehmen“ oder auch die Verrechnungspreismethoden vor, um ein einheitliches Verständnis innerhalb der EU zu erzielen.
Wesentliche inhaltliche Punkte sind:
Zudem ist im Richtlinienentwurf angekündigt, dass weitere Entwürfe hinsichtlich verschiedener Themen wie Finanztransaktionen oder auch immaterieller Wirtschaftsgüter folgen werden, um die Harmonisierung voranzutreiben und die Verrechnungspreisvorschriften weiter zu konkretisieren.
Darüber hinaus sieht die BEFIT-Richtlinie selbst einen risikoorientierten Ansatz für Verrechnungspreis-Compliance in Form eines Ampelsystems für sogenannte low risk activities, z. B. Vertriebsgesellschaften mit eingeschränktem Funktions- und Risikoprofil (Limited Risk Distributors) und Auftragsfertiger vor. Das Ampelsystem der BEFIT-Richtlinie soll Finanzverwaltungen bei der Bewertung des steuerlichen Risikos derartiger Fälle unterstützen, woraus sich eine Empfehlung für die Intensität einer Außenprüfung ergibt. Das Ampelsystem soll von Finanzverwaltungen anhand von EU-weiten Benchmarkstudien erstellt werden, deren Ergebnisse auf der Internetseite der Europäischen Kommission veröffentlicht werden.
Fraglich ist hierbei die Wechselwirkung zu den Überlegungen der OECD im Rahmen von Pillar One (Amount B). Hierbei handelt es sich um einen vereinfachten und international standardisierten Ansatz zur Bestimmung von fremdüblichen Umsatzrenditen für einfache Vertriebsaktivitäten anhand einer zweidimensionalen Preismatrix. Da Amount B bereits im Januar 2024 in die OECD-Verrechnungspreisleitlinien eingearbeitet werden soll, wird dieser schon relativ zeitnah für die Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes heranzuziehen sein. Für die Ermittlung von fremdüblichen Umsatzrenditen hat die OECD eine globale Benchmarkstudie erstellt, wobei das verwendete Unabhängigkeitskriterium dabei weniger streng ist als nach der EU-Verrechnungspreisrichtlinie (d. h. Unternehmen mit einer Beteiligung von bis zu 50 Prozent wurden im Rahmen der Studie nicht ausgeschlossen). Es bleibt abzuwarten, wie mit derartigen Unterschieden umgegangen wird und ob es eventuell Anpassungen im Richtlinienentwurf gibt.
Die nun von der Europäischen Kommission forcierte Harmonisierung der Verrechnungspreisregelungen ist aus Sicht von in der EU tätigen multinationalen Unternehmen vor dem Hintergrund der regelmäßig kontrovers geführten Diskussionen zu Verrechnungspreisthemen in steuerlichen Außenprüfungen sehr zu begrüßen. Aus unserer Sicht könnte diese bei einer Umsetzung tatsächlich dazu beitragen, Doppelbesteuerungsrisiken bei Verrechnungspreissachverhalten innerhalb der EU zu reduzieren und dadurch die Attraktivität des Binnenmarktes für Investoren erhöhen.
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Newsletter Transfer Pricing Perspectives DACH – Ausgabe 60