Von Dr. Michael Puls. In Betriebsprüfungen wird gegenwärtig die interessante Fallkonstellation diskutiert, in welcher – verkürzt dargestellt – eine deutsche Konzernmutter eine ausländische Konzernfinanzierungsgesellschaft eigenkapitalfinanziert und diese das erhaltene Kapital anschließend in Form von Darlehen an andere Gesellschaften im Konzern vergibt.
Um die Konzernfinanzierungsbedingungen zu optimieren und um Finanzierungsrisiken abzufedern, stattet in diesem Beispielsfall die deutsche Konzernmuttergesellschaft K ihre im Ausland gegründete und dort ansässige Konzerngesellschaft F vollständig mit Eigenkapitalmitteln aus. Jene Mittel werden in einem Folgeschritt für die Finanzierung von unternehmerischen Zielsetzungen auf Basis von Darlehen an andere Konzerngesellschaften gewährt. In der Betriebsprüfung wird dieses Modell attackiert, indem der F – als vermeintliche „cash box“ – die Ertragsberechtigung an den aus den konzerninternen Darlehensbeziehungen generierten Zinsen abgesprochen wird und diese an die deutsche Konzernmutter K (als deren Einkünfte) nach § 1 Außensteuergesetz (AStG) allokiert werden sollen.
Das Interessante an dem Fall ist: Zwischen K und F besteht – auch im Hinblick auf die von F an andere Konzerngesellschaften vergebenen Darlehen – keine tatbestandliche Geschäftsbeziehung i. S. d. § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 AStG, die Gegenstand einer Einkünftekorrektur sein könnte. Die Fiktion einer Geschäftsbeziehung nach § 1 Abs. 4 S. 2 AStG scheidet hier aus, da bereits kein rein tatsächliches Handeln zwischen K und F vorliegt, das sich bei Anwendung des hypothetischen Fremdvergleichs in eine Geschäftsbeziehung umdeuten ließe. Derartiges ist im Übrigen von den Beteiligten auch nicht gewünscht, da die F zur Abschirmung von Finanzierungsrisiken (rechtlich wie wirtschaftlich) grundlegend eigenständig agieren soll.
In Betriebsprüfungen wird das Vorhandensein einer Geschäftsbeziehung als grundlegende Voraussetzung einer Einkünftekorrektur – ohne weitere Prüfung und in unzutreffender Weise – vielfach als gegeben unterstellt. Ferner sehen sich Betriebsprüfer in ihrem Bestreben einer Recharakterisierung des Sachverhalts durch den (ihrer Ansicht nach) in den Fremdvergleichsgrundsatz hineinzulesenden Risikokontrollansatz sowie analog durch das nach § 1 Abs. 3c AStG kodifizierte DEMPE-Konzept bestärkt (Hinweis: Die ab dem Veranlagungszeitraum 2024 geplanten Ergänzung in § 1 AStG durch einen neuen Abs. 3e (kostenorientierte Vergütung für eine reine „Durchleitung“ von Finanzmitteln) soll hier außer Betracht bleiben).
Aber auch das in § 1 Abs. 3c AStG enthaltene DEMPE-Konzept kann vorliegend keine Korrektur nach § 1 AStG und damit eine „Umleitung“ der durch F vereinnahmten Zinsen an K rechtfertigen. Zum einen handelt es sich bei den Finanzmitteln nicht um immaterielle Werte. Darüber hinaus gelten reine Finanzierungs- bzw. Kapitalbeiträge nach § 1 Abs. 3c S. 5 AStG ohnehin nicht als DEMPE-relevant. Es sind im vorliegenden Beispielsfall auch keine (abstrakt vergütungsfähigen) Wertbeiträge der K – außerhalb des gesellschaftsrechtlich bedingten Zurverfügungstellens von Eigenkapital an F – ersichtlich.
Zum anderen ist zweifelhaft, ob der Rechtsgedanke des Risikokontrollansatzes nach den OECD-Verrechnungspreisleitlinien als Korrekturmaßstab in § 1 Abs. 1 AStG überhaupt hineingelesen werden kann; von namhaften Literaturstimmen wird dies nachdrücklich abgelehnt.
Entscheidend wäre in diesem Kontext, welche vertragliche Risikozuordnung von K und F gewollt worden ist. Ist diese in eindeutiger und klarer Form vereinbart und sind ferner auf Ebene der F entsprechende Risikokontroll- bzw. Risikosteuerungsmanagementfunktionen sowie eine Risikotragfähigkeit vorhanden (vorliegend aufgrund der Eigenkapitalstärke gegeben), bestünde ohnehin kein Raum für die Rechtfertigung einer Einkünftekorrektur im Lichte des o. g. Risikokontrollansatzes.
Die vorstehend geschilderte Thematik kann es bei Konzernfinanzierungssachverhalten aus Outbound-Perspektive sprichwörtlich „in sich haben“. Steuerpflichtige sind gut beraten, sich hierzu bereits im Rahmen ihrer Verrechnungspreisdokumentation sowie im Rahmen der Prüfungsvorbereitung entsprechend aufzustellen. Es gilt zudem auch der durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs unterstrichene Grundsatz der Finanzierungsfreiheit im Konzern. In dem Beispielsfall kann das angemessene Ergebnis der inländischen Konzernmutter letztlich nur in Gewinnausschüttungen der ausländischen Finanzierungsgesellschaft bestehen. Nicht mehr und nicht weniger.
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Newsletter Transfer Pricing Perspectives DACH – Ausgabe 61