Von Daniel Retzer. Das Finanzgericht (FG) München besagt mit Urteil vom 10. Juli 2023 (7 K 1938/22), dass § 1 Abs. 5 Außensteuergesetz (AStG) nur eine Korrektur von fremdunüblich bepreisten Innentransaktionen, sog. Dealings, erlaube – also eine reine Korrekturnorm sei, die für die Zuordnung von Erträgen und Aufwendungen aus Außentransaktionen bedeutungslos bleibe.
Die Klägerin ist eine ungarische Kapitalgesellschaft, die seit dem 1. März 2017 in Deutschland eine Betriebsstätte unterhält. Am selben Tag schloss die Klägerin mit der Firma A Kft. einen Dienstleistungsvertrag, mit dem sich diese zur Erbringung von Verwaltungsarbeiten im Bereich der Betreuung der nach Deutschland entsandten Arbeitnehmer verpflichtete. In den Streitjahren führte die Klägerin Fleischzerlegungsarbeiten aufgrund von Werkverträgen mit der ungarischen Firma Z Kft. aus. Für die Betriebsstätte wurde eine Buchführung nach Maßgabe von deutschen Vorschriften erstellt. Leistungen mit dem Stammhaus wurden nicht abgerechnet. Zum 5. November 2018 erklärte die Klägerin die Aufgabe des Betriebs.
Im Rahmen einer Betriebsprüfung kam das Finanzamt zu dem Ergebnis, dass zwischen dem Stammhaus in Ungarn und der Betriebsstätte in Deutschland ein Leistungsaustausch i. S. d. § 1 Abs. 5 S. 2 AStG erfolgt sei, der bei der Ermittlung der in Deutschland steuerpflichtigen Einkünfte bislang nicht berücksichtigt wurde. Es seien wesentliche unternehmerische Entscheidungen, z. B. das Verhandeln und Unterschreiben von Verträgen mit dem Auftraggeber und mit Dienstleistern, durch die Geschäftsleitung in Ungarn erfolgt. Die inländische Betriebsstätte habe nur die Personalfunktion „Fleischzerlegung“ ausgeführt (vgl. § 1 Abs. 2, § 2 Abs. 3, § 4 Abs. 1 Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung (BsGaV)) und sei daher als Routineunternehmen zu bezeichnen. Da die Klägerin ihre Aufzeichnungspflichten nach § 90 Abs. 3 Abgabenordnung (AO) nicht erfüllt habe, sei der Gewinn der Betriebsstätte nach der Kostenaufschlagsmethode unter Berücksichtigung eines Aufschlagsatzes von fünf Prozent zu schätzen.
Das Gericht entschied, dass das Finanzamt die inländischen Einkünfte der in Deutschland belegenen Betriebsstätte der Klägerin zu Unrecht gemäß § 1 Abs. 5 AStG korrigiert habe. Der Senat könne keine anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen bzw. Geschäftsvorfälle mit einem gewissen Maß an ökonomischer Signifikanz erkennen.
Dem Finanzamt sei zwar zuzustimmen, dass die (geschäftsanbahnenden) Tätigkeiten des Stammhauses durch schuldrechtliche Vereinbarungen geregelt worden wären, falls es sich bei der Betriebsstätte und dem Stammhaus um voneinander unabhängige Unternehmen gehandelt hätte. Für diese Leistungen erfolgten jedoch keine Abrechnungen, so dass der im Inland erzielte Gewinn nicht gemindert worden sei. Die Anwendung des § 1 Abs. 5 AStG stehe jedoch im Kontext zu Abs. 1 und knüpfe damit tatbestandlich an eine Einkünfteminderung an, die durch eine Vereinbarung nicht fremdvergleichsgerechter Verrechnungspreise entsteht (Bundesfinanzhof (BFH) v. 24. November 2021, I B 44/21). Der Ansicht, dass bezüglich der Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte fiktive Aufschlagsätze zum Ansatz kommen müssten, wird nicht gefolgt. Eine solche Sachbehandlung sei den Vorschriften des AStG nicht zu entnehmen (FG Nürnberg v. 27. September 2022, 1 K 1595/20).
Der Senat teilt auch nicht die Auffassung, dass die von den beauftragten Firmen erbrachten Tätigkeiten dem Stammhaus als eigene Tätigkeit und damit als Ausübung der wesentlichen Personalfunktionen zugerechnet werden können. Bei den vorgenannten Firmen handele es sich nicht um eigenes Personal des Unternehmens (vgl. § 1 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 AStG, § 2 Abs. 3 S. 1 BsGaV). Die Firmen wurden auch nicht nach § 2 Abs. 4 BsGaV auf Grund einer gesellschaftsvertraglichen oder arbeitsvertraglichen Vereinbarung mit dem Unternehmen für das Unternehmen, sondern aufgrund eines Dienstleistungs- bzw. Werkvertrages tätig.
Bei der Umsatzzuordnung aus an Dritte erbrachten Werkvertragsleistungen handele es sich zudem um keine Verrechnungspreisthematik, die einer Korrektur nach § 1 Abs. 5 AStG unterliegen könne, da § 1 Abs. 5 AStG eine reine Korrekturnorm und keine Regelung zur Gewinnermittlung darstelle. § 1 Abs. 5 AStG bleibe für die Zuordnung von Erträgen und Aufwendungen aus Außentransaktionen somit bedeutungslos.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung).
Das Urteil des FG München bestätigt die vorangegangene Rechtsprechung, dass § 1 Abs. 5 AStG nur eine Korrektur von fremdunüblich bepreisten Innentransaktionen (Dealings) erlaube (FG Nürnberg v. 27. September 2022, 1 K 1595/20; FG Düsseldorf v. 12. Mai 2023, 3 K 70/18 F). Da gegen alle diese Urteile Revision eingelegt wurde, kann mit Spannung erwartet werden, wie sich der BFH zu dieser Rechtsfrage positionieren wird. Im Beschluss über die beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV) vom 24. November 2021 (I B 44/21) hat der BFH zumindest schon einmal klargestellt, dass § 1 Abs. 5 AStG eine reine Korrekturvorschrift darstelle, welche keine Ausstrahlwirkung auf die allgemeinen Normen zur Gewinnermittlung (§§ 4 ff. Einkommensteuergesetz) habe. Bemerkenswert ist zudem, dass im Urteil des FG München nunmehr erstmals richterlich entschieden wurde, dass von Dienstleistern aufgrund von Dienstleistungs- bzw. Werkverträgen erbrachte Leistungen dem Stammhaus nicht als eigene Tätigkeit und damit nicht als Ausübung von wesentlichen Personalfunktionen zugerechnet werden können. Der BFH hatte eine solche Zuordnung in seinem AdV-Beschluss zumindest nicht ausgeschlossen, aber die Frage nicht abschließend beantwortet.
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Newsletter Transfer Pricing Perspectives DACH – Ausgabe 61