Transfer Pricing Perspectives DACH – Ausgabe 61

Region DACH – Deutschland: Homeoffice begründet nach neuem AEAO im Regelfall keine Betriebsstätte des Arbeitgebers

Mann im Homeoffice
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  • 29 Feb 2024

Von Daniel Retzer. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat am 5. Februar 2024 auf seiner Homepage Änderungen des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO) veröffentlicht, die unter anderem Ausführungen dazu beinhalten, ob durch Tätigkeiten eines Arbeitnehmers im Homeoffice eine Betriebsstätte des Arbeitgebers nach § 12 Abgabenordnung (AO) begründet werden kann.

Regelfall: Keine Betriebsstätte

Die wesentlichen Ausführungen zu dieser Fragestellung finden sich in Tz. 4 der AEAO zu § 12 wieder. Demnach soll die Tätigkeit eines Arbeitnehmers in dessen häuslichem Homeoffice in der Regel keine Betriebstätte des Arbeitgebers begründen. Dies soll nach deutscher Anwenderstaatsperspektive ebenfalls abkommensrechtlich (feste Einrichtung gemäß Artikel 5 Abs. 1 und Abs. 4 OECD-Musterabkommen (OECD-MA)) gelten. Nach der neuen Verwaltungsanweisung gilt dies explizit auch in den folgenden Fällen: 

  • Übernahme der Kosten für das Homeoffice und dessen Ausstattung durch den Arbeitgeber;
  • Abschluss eines Mietvertrages über häusliche Räume des Arbeitnehmers zwischen Arbeitgeber (Mieter) und Arbeitnehmer (Vermieter), außer der Arbeitgeber ist im Einzelfall tatsächlich befugt, die Räume anderweitig zu nutzen (etwa durch ein Recht zum Entsenden anderer Arbeitnehmer in die Räume oder ein Recht zum Betreten der Räume außerhalb von Prüfungen zur Arbeitssicherheit); 
  • Fällen, in denen dem Arbeitnehmer kein anderer Arbeitsplatz durch den Arbeitgeber zur Verfügung gestellt wird. 

Grund hierfür sei, dass der Arbeitgeber typischerweise nicht über eine ausreichende Verfügungsmacht über die häuslichen Räumlichkeiten des Arbeitnehmers verfüge.

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Ausnahme: Ausübung von Leitungsfunktionen

Eine Ausnahme vom zuvor beschriebenen Grundsatz kann nach Tz. 4 der AEAO zu § 12 bestehen, wenn ein Arbeitnehmer Leitungsfunktionen ausübt und diese eine Verfügungsmacht des Unternehmens vermitteln. In derartigen Fällen kann u. U. eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte nach § 12 S. 2 Nr. 1 AO begründet werden. Dies soll nach Tz. 7 der AEAO zu § 12 insbesondere dann gelten, wenn keine andere feste Geschäftseinrichtung vorhanden ist und in der Wohnung des Geschäftsleiters bzw. Gewerbetreibenden die geschäftliche Planung vorgenommen wird, und zwar ungeachtet des Umstandes, ob diese dem Privatvermögen zuzuordnen ist. Das Vorhandensein eines Büros oder (häuslichen) Arbeitszimmers i. S. v. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b Einkommensteuergesetz (EStG) sei hierfür nicht erforderlich 

Auch Tz. 4 der AEAO zu § 10 führt in diesem Kontext aus, dass für die Oberleitung als „Ausübung von Leitungsfunktionen“ eine feste – und zudem eigene – Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit des Unternehmens dient, nicht erforderlich ist und geschäftsleitende Handlungen i. S. d. Tagesgeschäfte eines Unternehmens somit auch in der Wohnung des Geschäftsführers vorgenommen werden können (vgl. BFH-Urteil vom 23. Januar 1991, I R 22/90, BStBl II S. 554). Geschäftsleitungsentscheidungen auf Reisen sollen wegen des Fehlens einer ortsbezogenen Einrichtung am Tätigkeitsort und des Merkmals der Dauer jedoch regelmäßig nicht geeignet sein, einen Ort der Geschäftsleitung zu begründen. Zudem sind nach Tz. 5 der AEAO zu § 10 bei der Beurteilung stets die tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls wie Art, Umfang, Struktur und Eigenart des Unternehmens individuell zu berücksichtigen, so dass keine allgemeingültigen Aussagen gemacht werden können.

Würdigung

Da insbesondere in Folge der COVID-19-Pandemie geschäftliche Aktivitäten im Homeoffice der Arbeitnehmer deutlich zugenommen haben, sind die klaren Ausführungen in der neuen Fassung der AEAO zu § 12 zu begrüßen. Offenbar vertritt die deutsche Finanzverwaltung eine stark an den zivilrechtlichen Begebenheiten ausgerichtete Interpretation und verneint im Regelfall (Ausnahme: Ausübung von Leitungsfunktionen) mangels hinreichender Verfügungsmacht des Arbeitgebers über das Homeoffice des Arbeitnehmers die Existenz einer Betriebsstätte – und zwar sowohl nach nationalem Recht (§ 12 AO) als auch nach Abkommensrecht (Art. 5 Abs. 1 und Abs. 4 OECD-MA). Damit ist diese Auffassung tendenziell sogar – zum Vorteil der Steuerpflichtigen – etwas restriktiver als die Auffassung der OECD, die in Tz. 18 des OECD-Musterkommentars zu Art. 5 die Begründung einer Betriebsstätte zumindest dann als denkbar ansieht, wenn das Homeoffice regelmäßig zur Ausübung unternehmerischer Aktivitäten genutzt wird und dem Arbeitnehmer seitens des Arbeitgebers keine Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt wurden.

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