Von Sandra Staudacher und Florian Egner. Die COVID-19-Pandemie hat die Weltwirtschaft und die Geschäftstätigkeit von multinationalen Unternehmen erheblich beeinträchtigt. Viele Regierungen haben staatliche Hilfsprogramme eingeführt, um die negativen Folgen der Krise abzumildern. Auch Österreich gewährte zahlreiche Förderungen, wie beispielsweise Fixkostenzuschuss oder Kurzarbeit.
Die Berücksichtigung von COVID-19-Hilfsmaßnahmen in der Verrechnungspreispraxis rückt nun zunehmend in den Fokus von Betriebsprüfungen. Hierbei stellt sich insbesondere die Frage, inwieweit eine potenzielle Weiterleitung dieser Förderungen an verbundene Unternehmen im Rahmen der konzerninternen Verrechnung fremdüblich ist.
Die besonderen wirtschaftlichen Bedingungen, die sich aus der COVID-19-Pandemie und den als Antwort darauf ergriffenen staatlichen Maßnahmen ergaben, führen zu Herausforderungen bei der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes. Bisher wurden in Österreich weder gesetzliche Grundlagen erlassen, noch wurde in den im Jahr 2021 aktualisierten Verrechnungspreisrichtlinien (VPR) konkret auf die Behandlung von COVID-19-Förderungen im Rahmen von Verrechnungspreisgestaltung eingegangen.
Als Hilfestellung für Unternehmen bzw Steuerverwaltungen wurden im Dezember 2020 von der OECD „Leitlinien zu den Verrechnungspreisfolgen der COVID-19-Pandemie“ (COVID-19-Leitlinien) veröffentlicht. Da Österreich als OECD-Mitglied grundsätzlich den OECD-Grundsätzen bzw. Empfehlungen folgt, ist diesen Leitlinien auch in Österreich Relevanz beizumessen.
Zudem ist die Behandlung von COVID-19-Förderungen im Lichte der allgemeinen Regelungen der OECD-Verrechnungspreisleitlinien (OECD-Leitlinien) bzw. den VPR zu betrachten.
Die OECD-Leitlinien beinhalten allgemeine Ausführungen zu staatlichen Eingriffen. Diese sind üblicherweise als Marktbedingung des jeweiligen Landes zu sehen.
Nach den VPR können Investitionsbedingungen, Zuschüsse von öffentlicher Hand oder steuerliche Begünstigungen zu Standortvorteilen im Sinne von standortbedingten Kosteneinsparungen führen. Eine pauschale Weiterleitung dieser Vorteile an einen Auftraggeber oder Lieferanten sei nicht möglich, vielmehr ist im Einzelfall – unter Zugrundelegung einer Funktions- und Risikoanalyse sowie einer Abwägung der realistischerweise zur Verfügung stehenden Handlungsalternativen – zu beurteilen, ob auch fremde Dritte den Kostenvorteil über günstigere Verrechnungspreise an ausländische Auftraggeber weitergegeben hätten.
Gemäß der COVID-19-Leitlinien sind aus Verrechnungspreissicht bei der Beurteilung zudem folgende Punkte zu berücksichtigen:
Konkrete Ausführungen zur Behandlung von COVID-19-Förderungen sind jedoch in keiner der oben genannten Quellen zu finden.
Erste Erfahrungen in Betriebsprüfungen haben gezeigt, dass dem Thema COVID-19-Förderungen besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird, wenn der wirtschaftliche Vorteil aus den österreichischen COVID-19-Förderungen an ein ausländisches Konzernunternehmen weitergereicht wird.
Hierbei wird u. a. die Ansicht vertreten, dass das österreichische Unternehmen die finanziellen Vorteile der staatlichen COVID-19-Förderungen nur weitergeben dürfe, wenn gezeigt werden könne, dass es fremdüblich sei, den wirtschaftlichen Vorteil aus der staatlichen Beihilfe mit dem Transaktionspartner zu teilen. Die Beweislast trifft hierbei den Steuerpflichtigen, da das Unternehmen zu überprüfen und zu dokumentieren habe, dass ein fremder Dritter die staatlichen Beihilfen auch weitergegeben hätte.
Darüber hinaus wird in Betriebsprüfungen argumentiert, dass sich herkömmliche Subventionen deutlich von den COVID-19-Förderungen unterscheiden würden. Erstere würden üblicherweise mit dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit oder ein Mindestangebot langfristig sicherzustellen, über einen langen Zeitraum zur Verfügung gestellt. Dagegen würden die befristeten, an bestimmte Bedingungen geknüpften COVID-19-Förderungen allein dem Zweck der Unternehmensfortführung dienen. Dauer und Ziel der Subventionen sollen daher unterschiedliche Auswirkungen auf konzerninterne Transaktionen und deren Preisbildungen nach sich ziehen. Im Gegensatz zu herkömmlichen Standortvorteilen würden die COVID-19-Förderungen keinen kalkulierbaren Wettbewerbsvorteil darstellen und wären eher als sogenannter Zufallsgewinn zu charakterisieren, welcher sich aus einer wirtschaftlichen Überförderung ergäbe. Daher sollen die COVID-19-Förderungen aufgrund der fehlenden Planbarkeit beispielsweise nicht in die Gewinnmarge einbezogen werden.
Aufgrund des Fehlens expliziter gesetzlicher Regelungen herrscht Unsicherheit in Bezug auf die Behandlung von COVID-19-Förderungen aus Verrechnungspreissicht. Im Rahmen von Betriebsprüfungen wird vermehrt die Frage aufgeworfen, ob eine Weitergabe der österreichischen Staatshilfen an verbundene Unternehmen im Ausland fremdüblich sei. Erste Erfahrungen zeigen, dass die österreichische Finanzverwaltung dem äußerst kritisch gegenübersteht. Es bleibt abzuwarten, ob andere Finanzbehörden diesen Ansatz teilen. Unterschiedliche Auffassungen würden zu einer Doppelbesteuerung führen, die wohl nur über Verständigungsverfahren beseitigt werden können. Da mit spannenden Diskussionen in Betriebsprüfungen zu rechnen ist, sind Steuerpflichtige gut beraten, sich auf diese vorzubereiten und zeitnah eine entsprechende Verrechnungspreisdokumentation zu erstellen.
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Newsletter Transfer Pricing Perspectives DACH – Ausgabe 61