Von Daniel Retzer und Vanessa Schilling. Das Finanzgericht (FG) München äußert sich im Urteil vom 22. Mai 2023 (7 K 2545/19) zur Anwendbarkeit des § 8b Abs. 5 S. 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG) bei Gewinnkorrekturen nach Verständigungsverfahren. Laut FG führt eine aus einem internationalen Verständigungsverfahren resultierende Einigung über eine Gewinnminderung einer inländischen Muttergesellschaft aus fremdunüblichen Verrechnungspreisen gegenüber ausländischen Tochtergesellschaften qua Erfüllung aller Tatbestandsmerkmale zu einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) und in der Folge zu nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben in Höhe von fünf Prozent (§ 8b Abs. 5 KStG). Die Anwendung des § 8b Abs. 5 KStG werde weder durch innerstaatliche Regelungen zur Umsetzung von Verständigungsvereinbarungen (§ 175a Abgabenordnung (AO)), noch durch das Abkommensrecht oder die Vorschriften des EU-Schiedsübereinkommens (SchÜ) gesperrt.
Die Klägerin ist eine deutsche Kapitalgesellschaft. Im Rahmen einer Außenprüfung war die Finanzverwaltung der Auffassung, dass die Verrechnungspreise bei grenzüberschreitenden Transaktionen mit verbundenen Vertriebsgesellschaften nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprachen, sondern die Lieferpreise der deutschen Mutter an ihre Tochter- bzw. Enkelgesellschaften im Ausland überhöht waren. Um die durch die Überpreislieferungen für das Streitjahr 2008 eingetretene Doppelbesteuerung zu beseitigen, verständigten sich die am Verfahren nach dem SchÜ beteiligten Staaten auf Gewinnminderungen bei der Klägerin, womit sich diese durch die Abgabe schriftlicher Erklärungen auch einverstanden zeigte.
In den nach § 164 AO geänderten Steuerbescheiden für 2008 wurden neben der Gewinnminderung auch nichtabzugsfähige Betriebsausgaben (§ 8b Abs. 5 KStG) in Höhe von fünf Prozent angesetzt. Gegen diese außerbilanzielle Hinzurechnung erhob die Klägerin Klage mit der Begründung, dass die Verständigungsvereinbarung unzutreffend umgesetzt sei. Die Klägerin war insbesondere der Auffassung, dass der (pauschale) Ansatz von fünf Prozent der „vGA-Beteiligungserträge“ als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben gegen die jeweiligen Verständigungsvereinbarungen sowie das SchÜ (Art. 14) verstoße, weil dadurch die Doppelbesteuerung nicht vollständig beseitigt werde.
Anders als die Klägerin war die Finanzverwaltung der Meinung, dass die Pflicht zur Umsetzung der Verständigungsvereinbarung (Art. 6 Abs. 2 SchÜ) durch die Änderung des Steuerbilanzgewinns (Reduzierung der Umsatzerlöse) erfüllt wurde. Nach Auffassung der Betriebsprüfung entstehe durch die nicht durchgeführte Mittelrückzahlung nach dem Verständigungsverfahren eine vGA, die die Anwendung von § 8b Abs. 5 KStG auslöse. Da die Umsetzung von „Sekundärberichtigungen“ sich allein nach Maßgabe des jeweiligen innerstaatlichen Rechts bestimme, sei die Anwendung der vorliegenden „Berichtigungsnorm“ auch nicht durch Vorschriften des SchÜ oder des jeweiligen Abkommens gesperrt.
Das FG München wies die Klage ab und entschied, dass zu Recht nicht abzugsfähige Betriebsausgaben im Zusammenhang mit den Gewinnminderungen auf Grundlage von Verständigungsvereinbarungen angesetzt wurden. Nicht zuletzt durch die gefundene Verständigungsvereinbarung, die das Vorliegen fremdunüblicher, durch das Gesellschaftsverhältnis verursachter Preise bestätigt hat, seien alle Tatbestandsvoraussetzungen einer vGA erfüllt, die automatisch die Rechtsfolgen des § 8b Abs. 1 (Steuerfreistellung der vGA) sowie des § 8b Abs. 5 Satz 1 KStG auslöse. Die Anwendung dieser innerstaatlichen Vorschriften werde auch nicht von den Regelungen des SchÜ verdrängt, sondern stelle – auch abkommensrechtlich – nur sog. Sekundärberichtigungen dar.
Die Revision wurde zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1, 2 Finanzgerichtsordnung (FGO)).
Auch wenn das Urteil noch nicht rechtskräftig ist (Revision derzeit beim Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen I R 39/23 anhängig), ist der entschiedene Fall für die Praxis äußerst bedeutsam, da Verrechnungspreisstreitigkeiten in Betriebsprüfungen und somit auch die Anzahl der Verständigungsverfahren in den letzten Jahren stark zugenommen haben. In diesem Kontext ging es im vorliegenden Urteilsfall um die Frage, ob die Anwendung des (pauschalen) Betriebsausgabenabzugsverbots des § 8b Abs. 5 KStG bei der Umsetzung von Gewinnminderungen, die aus Verständigungslösungen resultieren, zulässig sei. Da das FG München dies vorliegend bejahte, sollten Steuerpflichtige vor Unterzeichnung von Verständigungsvereinbarungen aufgrund der entsprechenden Rechtsfolgen auch Sekundärberichtungen und die Vorschriften zum Einspruchsverzicht (§ 354 AO) im Blick behalten. Um vGAs in der Unternehmenspraxis im Vorfeld zu vermeiden, ist zu prüfen, ob ggf. Preisberichtigungsklauseln bei Verrechnungspreiskorrekturen aufgrund von Betriebsprüfungen bzw. Verständigungsverfahren in die Verträge aufgenommen werden können.
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Newsletter Transfer Pricing Perspectives DACH – Ausgabe 62