Von Dr. Christoph Sommer und Daniel Retzer. Das Bundesministerium der Finanzen („BMF“) hat am 26. Juni 2024 den Anwendungserlass zur Abgabenordnung („AEAO“) zu §§ 89 und 89a geändert sowie das BMF-Schreiben vom 5. Oktober 2006 bezüglich Vorabverständigungsverfahren (IV B 4 – S 1341 – 38/06) aufgehoben. Damit wurde die Verwaltungsauffassung nunmehr an die neue Rechtslage für Vorabverständigungsverfahren („APAs“) angepasst und gleichzeitig verschärft.
Konkret wurden in den AEAO neue Regelungen zu § 89a AO eingefügt, die sich mit der Eröffnung und Beendigung des APA, dem Inhalt und Umfang des Antrags, der Bindungswirkung der APA-Vereinbarung, der Widerrufsmöglichkeit sowie dem APA-Geltungszeitraum (inklusive Roll Back) und den Antragsgebühren auseinandersetzen.
Weiterhin wird in Nr. 3.5.4. des AEAO zu § 89 folgender Absatz eingefügt:
Der neue AEAO zu den §§ 89 und 89a gilt für alle APAs, deren Anträge nach dem 8. Juni 2021 (d. h. dem Geltungsdatum von § 89a AO) bei der zuständigen Behörde eingegangen sind.
Vor diesem Hintergrund entfaltet dieser somit auch Wirkung für bereits laufende Verfahren, weshalb es sinnvoll erscheint, mögliche Implikationen der neuen AEAO für diese zeitnah zu eruieren.
Wenngleich durch die neuen Verwaltungsanweisungen etwas mehr Rechtssicherheit im Hinblick auf die Anwendung von § 89a AO geschaffen wird, beinhalten diese einige deutliche Verschärfungen für den Steuerpflichtigen.
So ist zu bedauern, dass unilaterale Vorabverständigungen für grenzüberschreitende Fälle generell ausgeschlossen werden, da in der Praxis mitunter Bedarf besteht, durch parallel unilateral abgestimmte APAs (z.B. mit China und Indien) Rechtssicherheit zu erlangen. Hier wäre eine stärkere Unterstützung der Industrie seitens des BMF bei der Findung von Rechtssicherheit wünschenswert gewesen.
Nicht nachvollziehbar ist aus unserer Sicht, dass ein APA künftig abgelehnt werden können soll, wenn die deutsche Finanzverwaltung die vom Steuerpflichtigen angewendete Methode für nicht geeignet hält. Schließlich ist Sinn und Zweck eines APA doch gerade, einen Konsens zwischen den beteiligten Staaten im Hinblick auf die geeignete Methode zu finden. Sofern die Finanzverwaltung die Auffassung vertritt, dass die Methode ungeeignet ist, erscheint es daher umso mehr sinnvoll, dies im Rahmen eines APAs zwischen den Staaten vorab zu klären. Natürlich bleibt es dieser dabei unbenommen, den anderen Staat davon zu überzeugen, dass die vom Steuerpflichtigen gewählte Methode nach ihrer Auffassung unangemessen ist. Eine Ablehnung allein aufgrund einer aus Sicht der Finanzverwaltung ungeeigneten Methode dürfte nach unserer Ansicht kaum von der gesetzlichen Regelung des § 89a AO abgedeckt sein und daher einer gerichtlichen Überprüfung nur schwerlich Stand halten.
Auch soll der Antrag abgelehnt bzw. sogar ein laufendes Verfahren künftig beendet werden können, wenn der Antragsteller seinen steuerlichen Mitwirkungspflichten nicht nachkommt. Gleiches gilt bei inhaltlich nicht konsistenten Aufzeichnungen zwischen den betreffenden Jahren, sofern keine fristgerechte Nachbesserung erfolgt.
Insgesamt können somit nach der neuen Rechtslage bzw. Verwaltungsauffassung APA-Anträge deutlich schneller abgelehnt werden als in der Vergangenheit. Dies ist unseres Erachtens zu bedauern, da dadurch die Anzahl der Streitigkeiten in Betriebsprüfungen und folgerichtig auch die Anzahl der Fälle, die nachgelagert in ein Verständigungsverfahren überführt werden, tendenziell zunehmen dürfte, was die Bearbeitungszeiten letzterer vermutlich prospektiv noch weiter verlängert.
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Newsletter Transfer Pricing Perspectives DACH – Ausgabe 63