Von Martin Renz und Janco Herzig. Die geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode (TNMM) dürfte in der Praxis die am häufigsten angewandte Verrechnungspreismethode sein. Ziel bei dieser Methode ist es, die Tätigkeiten eines Routineunternehmens (z. B. für die Erbringung von Auftragsfertigungs- oder Routinevertriebsleistungen) anhand fremdüblicher Nettorenditen zu vergüten. Fremdübliche Nettorenditen werden regelmäßig anhand von Datenbankstudien ermittelt, wobei die Bandbreite fremdüblicher Renditen das oberste und unterste Quartil der beobachteten Vergleichsdaten unberücksichtigt lässt (vgl. § 1 Abs. 3a Außensteuergesetz (AStG)). Liegen die Ist-Ergebnisse der zu testenden Transaktionen mit verbundenen Unternehmen außerhalb dieser Interquartilsbandbreite sind in zahlreichen Ländern, darunter auch Deutschland (vgl. Tz. 3.42 Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023), Anpassungsrechnungen vorzunehmen.
Soweit eine unterjährige, in die Zukunft gerichtete, Anpassung der Verrechnungspreise nicht mehr möglich ist, sind nachträgliche Verrechnungspreisanpassungen (sog. Year-End-Adjustments) vorzunehmen.
Aus den erforderlichen Anpassungen resultiert die Frage der umsatzsteuerlichen Abbildung. Die Diskussionen in der Vergangenheit fanden insbesondere auf europäischer Ebene statt. Eine Klarstellung konnte bislang nicht erzielt werden. Möglicherweise können aber Teilaspekte im Rahmen des aktuell anhängigen EuGH-Verfahrens in der Rechtssache C-726/23 „Arcomet Towercranes“ geklärt werden.
Grundsätzlich gibt es unterschiedliche Formen von Verrechnungspreisanpassungen. Es können Warenpreise nachträglich angepasst werden (was allerdings aus zollrechtlicher Sicht problematisch sein könnte). Im Fall von zu geringen Margen können z. B. bei Vertriebseinheiten Marketingzuschüsse gewährt werden bzw. bei Fertigungseinheiten Produktionsunterstützungszahlungen geleistet werden (z. B. für Unterauslastung) oder vertraglich vereinbarte Jahresendkorrekturen vorgenommen werden. Eine Sonderform sind gewinnabhängige Lizenzmodelle (häufig auch als Absauglizenz bezeichnet), welche dann zur Anwendung kommen, wenn ein lokales Werk als Auftragsfertiger die Waren direkt an die Kunden liefert und abrechnet, so dass der Strategieträger nicht in den Rechnungsfluss eingebunden ist. In diesem Fall kann die angemessene Rendite des Auftragsfertigers über die Verrechnung einer Absauglizenz erreicht werden bzw. für den Fall einer zu geringen Marge Produktionsunterstützungszahlungen geleistet werden.
Weder die Mehrwertsteuersystemrichtlinie noch das deutsche Umsatzsteuergesetz enthalten Vorschriften darüber, wie insbesondere mit ertragsteuerlich motivierten Year-End-Adjustments umzugehen ist. Daneben existiert bislang auch keine wegweisende nationale oder europäische Rechtsprechung, über deren Grundsätze sich eine zutreffende umsatzsteuerliche Abbildung ableiten ließe. Daher können die umsatzsteuerlichen Konsequenzen in der Praxis nur über die allgemeinen umsatzsteuerlichen Grundsätze identifiziert werden. Daraus resultieren insbesondere im grenzüberschreitenden Bezug Unsicherheiten, da die Jurisdiktionen ein zum Teil abweichendes Rechtsverständnis vertreten.
Eine Orientierungshilfe stellte in der Vergangenheit das Diskussionspapier der VAT Expert Group der Europäischen Kommission dar (VAT Expert Group: Paper on Topic for Discussion – Possible VAT Implications of Transfer Pricing, Brüssel, 18. April 2018). Die Veröffentlichung der VAT Expert Group durchleuchtet das Thema aus steuertheoretischer Sicht und leitet hieraus die denkbaren Konsequenzen ab. Je nach Gesamtwürdigung des Einzelfalls können Verrechnungspreisanpassungen hiernach folgende vier umsatzsteuerliche Ausprägungen annehmen:
Maßgebend für die umsatzsteuerliche Beurteilung sind dabei die vertraglichen Regelungen zwischen den Parteien und die Frage, ob die aus der Verrechnungspreisanpassung resultierende Zahlung einen Bezug zu einer Lieferung oder sonstigen Leistung aufweist. Losgelöst von der steuertheoretischen Beurteilung lautet gleichwohl die Empfehlung der VAT Expert Group, Verrechnungspreisanpassungen aus Vereinfachungsgründen, soweit dies die Vertragslage zulässt und die Parteien zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sind, nicht der Umsatzsteuer zu unterwerfen. In diesem Zusammenhang ist jedoch festzuhalten, dass das Diskussionspapier gegenüber den EU-Jurisdiktionen in keiner Weise Bindungswirkung entfaltet. Es bleibt somit dabei, dass die unterschiedlichen Ansätze der Mitgliedstaaten im Umgang mit Verrechnungspreisanpassungen Besteuerungsinkongruenzen hervorrufen können.
Die deutsche Finanzverwaltung beurteilt Verrechnungspreisanpassungen regelmäßig als Änderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 Umsatzsteuergesetz (UStG). Zu modifizierten Ansätzen in Anlehnung an das Diskussionspapier der VAT Expert Group hat sich die Finanzverwaltung – soweit ersichtlich – nicht geäußert. Daraus folgt, dass sich inländische Steuerpflichtige in einer vermeintlichen Rechtssicherheit wiegen, obwohl sich trefflich über die umsatzsteuerliche Einordnung streiten lässt. Denn die unterschiedlichen Ausprägungen von Verrechnungspreisanpassungen verlangen aus rechtsdogmatischer Sicht abweichende umsatzsteuerliche Schlüsse. Dies kann exemplarisch für die oben genenannten Absauglizenzen gelten, bei denen bereits die Identifikation einer zugrunde liegenden Leistungsbeziehung Schwierigkeiten hervorrufen kann.
Die Folge der unterschiedlichen Ansätze der Mitgliedstaaten im Umgang mit Verrechnungspreisanpassungen zeigt das Vorabentscheidungsersuchen vom 28. November 2023 in der Rechtssache C-726/23 „Arcomet Towercranes“ aus Rumänien auf.
Die rumänische Klägerin (Betriebsgesellschaft) gehört zu einem Konzern im Bereich der Kranvermietung. Am Jahresende erfolgte eine Margenaussteuerung mit der Folge, dass die belgische Muttergesellschaft (Ausgleichs-) Rechnungen ohne Umsatzsteuer-Ausweis wegen überschießender Gewinne der Klägerin ausstellte. Die rumänische Finanzverwaltung sah in der Ausgleichszahlung ein Entgelt für eine Dienstleistung, die im Wege des Reverse Charge Verfahrens zu besteuern sei. Ein korrespondierender Vorsteuerabzug wurde versagt. Die Begründung der rumänischen Finanzverwaltung bestand darin, dass mangels gegenteiliger Nachweise die der Ausgleichszahlung gegenüberstehende Dienstleistung nicht im Zusammenhang mit Umsätzen der Klägerin stehe.
Auf Grundlage des vorstehenden Sachverhalts wurden dem EuGH die folgenden Fragen vorlegt:
Insbesondere mit der Beantwortung der ersten Vorlagefrage besteht die Hoffnung, dass der EuGH zur Klärung von Teilaspekten im Umgang mit Verrechnungspreisanpassungen beiträgt. Daneben bleibt mit Spannung abzuwarten, ob sich die aufgestellten Grundsätze der VAT Expert Group im EuGH-Urteil wiederfinden. Mit einer Entscheidung dürfte frühestens im ersten Halbjahr 2025 zu rechnen sein (eine Terminierung ist bislang nicht veröffentlicht).
Welche umsatzsteuerlichen Herausforderungen mit Verrechnungspreisanpassungen einhergehen, zeigen die anhaltenden Diskussionen auf europäischer Ebene zu diesem Thema. Die steuertheoretischen Ansätze zum Umgang mit Verrechnungspreisanpassungen der VAT Expert Group entfalten keine Bindungswirkung für die Mitgliedstaaten, weshalb grenzüberschreitende Verrechnungspreisanpassungen Besteuerungsinkongruenzen hervorrufen können. Dies veranschaulicht das Vorabentscheidungsersuchen in der Rechtssache C-726/23 „Arcomet Towercranes“ aus Rumänien. Gleichzeitig geht mit dem Ersuchen die Hoffnung einher, dass sich der EuGH wegweisend hierzu äußert. Abschließend sei erwähnt, dass Verrechnungspreisanpassungen mit Bezug zum Drittland auch zollrechtliche Herausforderungen hervorrufen.
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Newsletter Transfer Pricing Perspectives DACH – Ausgabe 64