Von Vanessa Schilling und Carlo Schmidt. Die EU-Kommission leitete in den vergangenen Jahren mehrere Beihilfeuntersuchungen im Zusammenhang mit nationalen Steuervorbescheiden (sog. Tax Rulings) ein. Innerhalb dieser Bescheide wurde hierbei von einzelnen Mitgliedstaaten wie z. B. Irland, Luxemburg oder den Niederlanden, global agierenden Unternehmen (Apple, Fiat, Starbucks etc.) die steuerliche Behandlung eines konkreten, dargelegten Sachverhalts zugesichert (z. B. dass auf den Gewinn aus einer bestimmten Transaktion ein definierter niedrigerer Steuersatz zur Anwendung kommt).
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat zur Besteuerung von Apple mit Urteil vom 10. September 2024 (C-465/20 P) den EU-Kommissionsbeschluss aus dem Jahr 2016 bestätigt (Beschluss vom 30. August 2016 - 2017/1283), wonach Irland dem Technologiekonzern von 1991 bis 2014 unzulässige staatliche Beihilfen gewährt hatte.
Irland habe Apple rechtswidrig bevorteilt, weshalb der Konzern nun endgültig dazu verpflichtet wurde, 13 Milliarden Euro samt Zinsen an den irischen Staat zurückzuzahlen.
Innerhalb des vorliegenden Rechtsstreits standen die beiden Gesellschaften Apple Sales International (ASI) und Apple Operations Europe (AOE) im Mittelpunkt. Hierbei handelte es sich jeweils um Gesellschaften irischen Rechts, die jedoch in der Vergangenheit nach den irischen Vorschriften dort steuerlich nicht ansässig waren. Beide Gesellschaften hatten wiederum jeweils in Irland eine Zweigniederlassung. Die Zweigniederlassung von ASI war hauptsächlich für die Beschaffungs-, Verkaufs- und Vertriebsaktivitäten im Zusammenhang mit dem Verkauf von Apple-Produkten an verbundene Unternehmen und Drittkunden zuständig. Die Zweigniederlassung von AOE verantwortete die Fertigung und Montage von Apple-Produkten (MacBook, Computerzubehör etc.), die dann ausschließlich an verbundene Unternehmen ausgeliefert wurden.
In der Vergangenheit waren nach dem irischen Steuerrecht Gesellschaften, die in Irland eingetragen und/oder zentral verwaltet bzw. kontrolliert wurden, dort grundsätzlich auch steuerlich ansässig, wobei es hiervon wiederum mehrere Ausnahmen gab. Wenn beispielsweise ein in Irland eingetragenes Unternehmen mit Handelstätigkeit in Irland außerhalb von Irland zentral verwaltet und kontrolliert wurde, dann galt es nach irischem Recht dort nicht als steuerlich ansässig. Dementsprechend unterlagen dann in dieser Konstellation lediglich die irischen Einkünfte dort auch der Besteuerung (sog. beschränkte Steuerpflicht). Hinsichtlich der Anwendung der Ausnahmeregelung spielte es in dem Zusammenhang allerdings keine Rolle, inwieweit das jeweilige Unternehmen in einem anderen Steuergebiet steuerlich ansässig war oder nicht.
Im Jahr 1991 bzw. 2007 sollte auf Vorschlag von Apple der in Irland zuzurechnende steuerpflichtige Gewinn der beiden Zweigniederlassungen einem Prozentsatz der jeweiligen Betriebskosten abzüglich bestimmter Kosten (z. B. von Apple-Konzerngesellschaften in Rechnung gestellte Beträge und Materialkosten) entsprechen. In dem Zusammenhang wurden für die Gewinnermittlung als solche alle immateriellen Wirtschaftsgüter jeweils Verwaltungssitzen außerhalb von Irland zugewiesen. Bezüglich der Gewinnermittlung von AOE wurde zudem im Jahr 2007 der Vorschlag unterbreitet, die Vergütung für das geistige Eigentum hinsichtlich der von der Zweigniederlassung entwickelten verfahrenstechnischen Prozesse anhand ihres Umsatzes zu ermitteln.
Hinsichtlich der Gewinnallokationsmethoden wurden alle Vorschläge von der irischen Finanzverwaltung durch Steuervorbescheide gebilligt, wobei die Steuerbehörde ihre dahingehende Auffassung in den darauffolgenden Steuervorbescheiden bis zum Steuerjahr 2014 aufrecht hielt.
Im Jahr 2016 wurde hinsichtlich der Steuervorbescheide von der Europäischen Kommission ein förmliches Beihilfe-Prüfverfahren eingeleitet, da nach Auffassung der Kommission die gebilligten Gewinnzuweisungsmethoden „womöglich eher verhandelt […] als auf Grundlage von Verrechnungspreisen“ vorgenommen wurden (vgl. Beschluss vom 30. August 2016 - 2017/1283, Erwägungsgrund 147 ff.). Im Rahmen des Verfahrens hat die Kommission nach Würdigung aller beanstandeten Maßnahmen, die aus ihrer Sicht allesamt gegen den Fremdvergleichsgrundsatz verstoßen haben, entschieden, dass es sich hierbei um unzulässige staatliche Beihilfen i. S. v. Art. 107 Abs. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der EU (AEUV) handelte.
Gegen den Beschluss wurden von Irland und Apple erfolgreich Rechtsmittel eingelegt, sodass wiederum im Jahr 2020 das Gericht der Europäischen Union (EuG) den Beschluss der Europäischen Kommission für nichtig erklärte (EuG, Urteil vom 15. Juli 2020, Rechtssache T-778/16; T-892/16).
Für das Gericht hatte die Kommission nicht hinreichend nachgewiesen, dass den betreffenden Gesellschaften ein selektiver Vorteil i. S. d. Art. 107 AEUV vorliegend verschafft wurde, wogegen sich dann wiederum das Rechtsmittel der Kommission richtete.
Der EuGH hat sich nun der Annahme der Kommission angeschlossen und das EuG-Urteil aufgehoben, indem er zu dem Ergebnis kommt, dass die Kommission hinreichend nachgewiesen hat, dass die von den beiden irischen Gesellschaften gehaltenen IP-Lizenzen und die entsprechenden, durch die Verkäufe von Apple-Produkten außerhalb der USA erwirtschafteten Gewinne steuerlich den irischen Zweigniederlassungen hätten zugewiesen werden müssen.
Das Urteil hat für Apple erhebliche finanzielle Konsequenzen, da der Konzern nun endgültig dazu verpflichtet wurde, 13 Milliarden Euro samt Zinsen an den irischen Staat zurückzuzahlen. Da die Gelder bereits seit 2016 auf einem Treuhandkonto hinterlegt sind, werden diese nun an Irland weitergeleitet.
Der vorliegende Apple-Fall hat gezeigt, dass einzelstaatliche Maßnahmen zur Gewährung steuerlicher Vorteile mitunter aufgrund ihres wettbewerbsverzerrenden Effekts als schädliche Beihilfe ausgelegt werden können, wenn diese nicht im Einklang mit geltenden Verrechnungspreisvorschriften stehen. Vorliegend standen im Mittelpunkt der Beihilfeuntersuchungen Gewinnallokationsmethoden, die der wirtschaftlichen Realität nicht in ausreichendem Maße Rechnung getragen haben. Neben Gewinnallokationsmethoden wurden von der Kommission in der Vergangenheit innerhalb von Beihilfeuntersuchungen auch weitere Verrechnungspreismodelle aufgegriffen. Daher kommt dem vorliegenden Urteil insgesamt eine große Bedeutung hinsichtlich der Einhaltung des Fremdvergleichsgrundsatzes im Zusammenhang mit dem europäischen Beihilferecht zu. Sofern Verrechnungspreise auf unilateralen (Vorab-) Zusagen einer Finanzverwaltung basieren, sollten diese nicht allein aus einer Verhandlungslösung resultieren, sondern dennoch dem Fremdvergleichsgrundsatz folgen.
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Newsletter Transfer Pricing Perspectives DACH – Ausgabe 64