Der Modernisierungsstau in deutschen Krankenhäusern wächst weiter

04 Okt 2023

Den Krankenhäusern fehlen Gelder, um in ihre bauliche und technische Infrastruktur zu investieren: Investitionsquote liegt nur noch bei 12,3 Prozent / Kliniken haben einen erheblichen Sanierungs- und Modernisierungsstau – die Pandemie und steigende Betriebskosten haben das Problem weiter verschärft / Jede:r zweite Deutsche erwartet vom Gesundheitssektor mehr Anstrengungen bei der Klimawende, der zu einem großen Anteil ohnehin in Staatsbesitz ist / Digitale Technologien sind notwendig, um den nachhaltigen Bau und Betrieb von Krankenhäusern zu unterstützen

Düsseldorf, 4. Oktober 2023

Die deutsche Krankenhauslandschaft steckt in einem Sanierungs- und Modernisierungsstau, der die Qualität der medizinischen Versorgung gefährdet. Die Gebäude und deren Infrastruktur vieler Krankenhäuser sind inzwischen stark veraltet, doch den Kliniken fehlen größtenteils die finanziellen Mittel für notwendige Investitionen. So lag die Investitionsquote im Jahr 2021 trägerübergreifend bei lediglich 12,3 Prozent – diese Kennzahl ist ein klares Signal dafür, dass erheblicher Modernisierungsbedarf besteht. Der Zeitpunkt rückt näher, an dem immer mehr Krankenhausimmobilien saniert werden müssen. Die COVID19-Pandemie und Betriebskostensteigerungen in Folge des Ukrainekrieges haben das Problem noch verschärft und Investitionen weiter sinken lassen. Krankenhäuser, die wettbewerbs- und zukunftsfähig bleiben möchten, müssen in den kommenden Jahren dringend investieren – auch um die Anforderungen an Nachhaltigkeit erfüllen zu können. Das sind zentrale Ergebnisse der Studie „Grün und digital: Das Krankenhaus der Zukunft“ der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC.

„Krankenhäuser sind hochkomplexe Gebäude, die vielen Anforderungen standhalten müssen – auf Seiten der Patient:innen, der Mitarbeitenden und der Betreiber. Die Gebäudestruktur ist ein Schlüsselfaktor beim erfolgreichen Betrieb eines Krankenhauses. Deshalb müssen die Kliniken ein zukunftsfähiges Sanierungskonzept erstellen. Doch die chronische Unterfinanzierung durch die Bundesländer und die bevorstehende Strukturreform der Krankenhauslandschaft mit einer zu erwartenden Konzentration des Marktes setzen die Häuser wirtschaftlich enorm unter Druck.“

Michael Ey,Co-Lead des Bereichs Gesundheitswirtschaft bei PwC Deutschland

Krankenhäuser und Gebäudetechnik werden immer älter

Die knappen Mittel spiegeln sich im Zustand deutscher Kliniken wider, wie PwC durch die Kennzahlenanalyse von 140 Häusern für die Jahre 2017 bis 2021 ermittelt hat. Eine wichtige Kennzahl für das Alter der Infrastruktur ist der Anlagenabnutzungsgrad. Er lag im Jahr 2021 trägerübergreifend bei rund 58 Prozent und ist gegenüber dem Jahr 2017 um rd. 5 Prozent gestiegen. Dieses Ergebnis zeigt – ebenso wie die geringe Investitionsquote –, dass die Bauten und die Gebäudetechnik immer älter werden.

„Darauf müssen die Betreiber dringend reagieren, denn veraltete Gebäude und eine rückständige Infrastruktur führen zu hohen Instandhaltungs- und Betriebsaufwendungen, die aus dem laufenden Geschäft finanziert werden müssen. Hinzu kommt, dass Krankenhäuser droht, dass bestimmte Gebäudeteile nicht mehr genutzt werden können und ihnen dadurch Erlöse entgehen.“

Benjamin Schrödl,Partner im Bereich Real Estate bei PwC Deutschland

Forderungen nach energetischer Sanierung werden lauter

Die Anforderungen an den Bau und Betrieb von Krankenhäusern steigen auch in puncto Nachhaltigkeit. Bis zum Jahr 2045 sind Krankenhäuser verpflichtet, ihre Gebäude und deren Betrieb klimaneutral zu gestalten. Das bedeutet für Krankenhäuser eine erhebliche Umstellung, denn gerade sie haben einen enorm hohen Energiebedarf. Als Klimasünder ist das Gesundheitswesen überraschenderweise allerdings nicht im Blick, wie eine PwC-Befragung unter 1.000 Bürger:innen ergeben hat. Lediglich 13 Prozent der Deutschen wissen, dass der deutsche Gesundheitssektor mit über 5 Prozent mehr klimaschädliches CO2 ausstößt als die Schifffahrt oder der Flugverkehr. Dennoch steigen die Erwartungen der Bürger:innen an die Nachhaltigkeit. So wünschen sich 50 Prozent, dass die Gesundheitswirtschaft ihren Energieverbrauch senkt. Ebenso erwarten 48 Prozent eine energieeffiziente Renovierung oder Gestaltung von Gebäuden. Auch durch Kapitalgeber wächst der Druck auf Kliniken, ihren ökologischen Fußabdruck zu verringern.

„Der mediale und gesellschaftliche Druck für Nachhaltiges Handeln wächst weiter. Die Ausrichtung an Nachhaltigkeits-Kriterien bringt Krankenhäusern auch Vorteile. Sie profitieren – gerade angesichts der gestiegenen Energiekosten – von einem kostengünstigeren Gebäudebetrieb und steigern ihre Attraktivität für Fachkräfte ebenso wie für Patient:innen.“

Michael Ey,Co-Lead des Bereichs Gesundheitswirtschaft bei PwC Deutschland

Digitalisierung und Nachhaltigkeit gehen Hand in Hand

Das volle Potenzial in puncto Nachhaltigkeit bzw. ESG (Environmental Social Governance) schöpfen Krankenhäuser aber nur dann aus, wenn sie beim Bau oder der Sanierung und dem Gebäudebetrieb konsequent auf Digitalisierung setzen. Gerade im Krankenhausbau gewinnen digitale Technologien wie Building Information Modeling (BIM) oder der digitale Zwilling immer mehr an Bedeutung.

„Die Vorteile liegen auf der Hand: Das digitalisierte Planen und Bauen sorgt für schlankere Prozesse und eine optimierte Planung, reduziert Risiken – etwa in puncto Kosten- und Zeitplanung – und verbessert die Kommunikation zwischen allen Beteiligten. Die Branche erkennt zwar das Potenzial der Digitalisierung, setzt die Technologien bisher aber nur punktuell ein. Gerade jetzt ist die Zeit, Expertise in diesem Bereich aufzubauen. So können Krankenhäuser ihre Gebäude- und Aufenthaltsqualität steigern und zugleich ihre Kosten senken.“

Anna Prahl,Managerin im Bereich Construction Advisory Services (CAS) bei PwC Deutschland

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Barbara Bossmann

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