30 Juni, 2023
Kein Unternehmen wagt im zweiten Quartal 2023 den Schritt auf das Frankfurter Parkett / Kapitalerhöhungen bleiben auf niedrigem Niveau / Fremdkapitalemissionen erreichen neues Hoch / PwC-Experte Stephan Wyrobisch sieht Chance auf gutes Zeitfenster für Initial Public Offerings (IPOs) nach der Sommerpause / Börsengang von Thyssenkrupp Nucera als Gradmesser für mögliche Emissionen im zweiten Halbjahr
Frankfurt am Main, 30. Juni 2023
Der deutsche Emissionsmarkt kommt im laufenden Jahr bislang nicht in Schwung: Im zweiten Quartal verzeichnete die Frankfurter Börse keine einzige Erstnotiz. Auch die Kapitalerhöhungen verharren auf tiefem Niveau. Einziger Lichtblick ist die deutliche Erholung der Investmentgrade-Fremdkapitalemissionen. Der für Anfang Juli geplante Börsengang von Thyssenkrupp Nucera könnte den Start in ein aus Emissionssicht besseres zweites Halbjahr markieren.
Zu diesen Ergebnissen kommt die Analyse „Emissionsmarkt Deutschland“, für die das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen PwC vierteljährlich die Aktienneuemissionen an der Börse Frankfurt erfasst.
„Im ersten Halbjahr 2023 war die Situation am Aktienmarkt geprägt von Rezessionsängsten und der Unsicherheit, inwiefern es den Zentralbanken gelingt, die Inflation zu bekämpfen. In den vergangenen Wochen scheint sich die Lage an den Kapitalmärkten aber stetig zu verbessern – dank der zuletzt eher zurückhaltenden Zinspolitik und positiven makroökonomischen Daten.“
So ist der DAX seit Jahresbeginn um 12,5 Prozent gestiegen und erreichte im Juni sogar ein neues Allzeithoch. Gleichzeitig ist die Volatilität – ebenfalls ein Indikator für Unsicherheit am Kapitalmarkt – derzeit vergleichsweise gering, was grundsätzlich Transaktionen begünstigen sollte.
„Trotz der im ersten Halbjahr 2023 guten Indexperformance waren die Handelsvolumina eher gering und viele Investoren agierten sehr vorsichtig. Seit einigen Wochen beobachten wir, dass Fondsmanager wieder verstärkt in Aktien investieren.“
In Sachen Börsengänge war das zweite Quartal trotzdem eine Enttäuschung: Die Frankfurter Börse registrierte kein einziges Initial Public Offering (IPO). Bereits das erste Quartal verlief mau: Mit dem Internetdienstleister IONOS ging nur ein Unternehmen an die Börse und spielte dabei 389 Millionen Euro ein. Gemessen am Emissionsvolumen ist damit das erste Halbjahr 2023 der schwächste Jahresanfang seit dem durch Corona geprägten Jahr 2020.
Mit Beginn des dritten Quartals könnte es jedoch zu einem größeren IPO auf dem Frankfurter Parkett kommen: Mitte Juni hat Thyssenkrupp angekündigt, seine Wasserstofftochter Thyssenkrupp Nucera noch vor der Sommerpause an die Börse bringen zu wollen. Die Transaktion ist seit längerem in der Pipeline, wegen schwieriger Marktbedingungen aber verschoben worden.
Mit Blick auf die Kapitalerhöhungen verlief das zweite Quartal unspektakulär: Sechs Unternehmen besorgten sich zwischen April und Juni frisches Geld über eine Kapitalerhöhung (Q1 2023: acht). Das Emissionsvolumen lag bei 434 Millionen Euro und damit deutlich unter dem Wert des ersten Quartals (1,86 Milliarden Euro).
Den Löwenanteil machte die Kapitalerhöhung der Gerresheimer AG aus: Der Hersteller von Arzneimittel- und Kosmetikverpackungen sammelte bereits im April auf diesem Weg 272 Millionen Euro ein, um seine Wachstumsstrategie weiter zu verfolgen. Die zweite nennenswerte Kapitalerhöhung im zweiten Quartal tätigte Shop Apotheke Europe NV: Das Handelsunternehmen holte sich 115 Millionen Euro an frischen Mitteln, um die Gründung eines Joint Ventures mit dem Schweizer Gesundheitsdienstleister Galencia zu finanzieren.
Einen Lichtblick bieten die Fremdkapitalemissionen: Sowohl das Emissionsvolumen als auch die Anzahl der Emissionen für Investment Grade Bonds haben sich im ersten Halbjahr 2023 gegenüber dem Vorjahr deutlich erholt. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum stieg das Emissionsvolumen zwischen Januar und Juni steil an – auf 41,9 Milliarden Euro (1. Halbjahr 2022: 27,6 Milliarden Euro).
Im High-Yield-Grade ist dagegen keine Erholung in Sicht: Dieser Markt ist mit Beginn der Zinserhöhungen stark eingebrochen. In der ersten Jahreshälfte 2023 lag das Volumen nur bei 4,1 Milliarden Euro; 2021 war es im gleichen Zeitraum mit 15,1 Milliarden Euro mehr als drei Mal so hoch.
„Anders als im Investment-Grade-Umfeld ist im High-Yield-Bereich aktuell keine deutliche Erholung in Sicht. Auch mittelfristig werden das volatile Marktumfeld sowie die hohen Basiszinsen und Spreads die Emittenten zurückhalten.“
Mit Blick auf mögliche Börsengänge im Jahresverlauf zeigt sich Stephan Wyrobisch vorsichtig optimistisch:
„Die Märkte scheinen sich gefestigt zu haben, das Gros an Zinsschritten liegt erstmal hinter uns und eine Rezession scheint in weiten Teilen der Welt zunächst abgewendet. Auf dieser Basis sind Investoren auch wieder bereit, sich bei Neuemissionen zu engagieren.“
Der PwC-Experte ist zuversichtlich, dass sich nach der Sommerpause ein Zeitfenster öffnet, in dem Börsengänge erfolgreich über die Bühne gehen können.
„Ein sich kurzfristig ergebendes günstiges Zeitfenster können natürlich nur solche Emittenten nutzen, die sich frühzeitig und unabhängig von der aktuellen Marktsituation auf diesen Schritt vorbereitet haben.“
Ein wichtiger Gradmesser für die Aufnahmefähigkeit der Märkte ist seiner Meinung nach der geplante Börsengang von Thyssenkrupp Nucera.
„Wenn diese Transaktion gelingt, sind wir zuversichtlich, dass weitere Börsengänge in der zweiten Jahreshälfte und Anfang 2024 folgen werden“, so das Fazit des Kapitalmarktexperten.
Im „Emissionsmarkt Deutschland“ analysiert PwC vierteljährlich sämtliche Aktienneuemissionen sowie Kapitalerhöhungen an der Börse Frankfurt. Darüber hinaus werden Neuemissionen von Unternehmensanleihen deutscher Emittenten erfasst. Die Angaben der Kapitalerhöhungen basieren auf Informationen von Refinitiv, Bloomberg und Capital IQ und beinhalten Transaktionen bis einschließlich 23. Juni 2023.
PwC betrachtet es als seine Aufgabe, gesellschaftliches Vertrauen aufzubauen und wichtige Probleme zu lösen. Mehr als 327.000 Mitarbeitende in 152 Ländern tragen hierzu mit hochwertigen, branchenspezifischen Dienstleistungen in den Bereichen Wirtschaftsprüfung, Steuer- und Unternehmensberatung bei.
Die Bezeichnung PwC bezieht sich auf das PwC-Netzwerk und/oder eine oder mehrere der rechtlich selbstständigen Netzwerkgesellschaften. Weitere Details unter www.pwc.com/structure.