28 Februar, 2023
60 Prozent der Unternehmen haben erkannt, dass sie sich der grünen Transformation stellen müssen, haben allerdings keine Strategie dafür / Wichtigste Treiber für Nachhaltigkeitsmaßnahmen sind gesetzliche Vorgaben und Energie- und Ressourceneffizienz / 76 Prozent fürchten den bürokratischen und organisatorischen Aufwand bei der Umsetzung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)
Düsseldorf, 28. Februar 2023
Eine Frage der Überzeugung oder reine Pflichterfüllung? Wenn es um das Thema Nachhaltigkeit geht, ist Pflichterfüllung auf jeden Fall gefragt. Denn mit der EU-Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung, die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), steigen die Reporting-Anforderungen enorm. Und diese setzen 62 Prozent der Mittelständler aus dem verarbeitenden Gewerbe erheblich unter Druck. 60 Prozent der Unternehmen haben zwar erkannt, dass sie sich der grünen Transformation in den kommenden Jahren noch mehr als in der Vergangenheit stellen müssen, aber sie gehen diese noch nicht ganzheitlich an und können die gesetzlichen Anforderungen deshalb noch nicht erfüllen.
Das sind zentrale Ergebnisse der Studie „ESG-Strategie und -Berichterstattung: Chance und Herausforderung für den deutschen Mittelstand“. Gemeinsam mit dem Institut für Management und Innovation (IMI) der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen hat die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC knapp 160 mittelständische Unternehmen aus dem verarbeitenden Gewerbe gefragt, wie sie mit dem Thema ESG (Environmental Social Governance) umgehen – von der strategischen Ausrichtung bis zur konkreten Umsetzung.
Die steigenden regulatorischen Anforderungen treffen die mittelständischen Unternehmen in einer Zeit, in der sie durch zahlreiche Krisen gefordert sind. Dadurch steigt die Gefahr, dass Nachhaltigkeit und Nachhaltigkeitsreporting von der Agenda der Geschäftsführung rutschen: Denn als größte Herausforderung in den nächsten Jahren sehen 70 Prozent der Befragten die drastisch gestiegenen Energiekosten im Zuge des Ukraine-Krieges. Mit geringem Abstand folgt mit 66 Prozent der Fachkräftemangel – noch vor den hohen Rohstoffpreisen/der Rohstoffknappheit (63 Prozent). Die Transformation zu einem nachhaltigen Unternehmen landet mit 60 Prozent erst auf dem fünften Platz.
„Offenbar unterschätzen die Unternehmen die Bedeutung einer nachhaltigen Transformation. Sie ist nämlich eine entscheidende Voraussetzung, die anderen genannten Herausforderungen zu meistern: Nachhaltige Unternehmen sind energieeffizient und begegnen so dem Problem der Energieknappheit. Sie gehen sparsam und nachhaltig mit Rohstoffen um und haben daher weniger Probleme bei der Beschaffung. Und sie sind attraktiver für junge Menschen, was der Suche nach Fachkräften zugutekommt.“
Derzeit lassen sich die Unternehmen beim Thema Nachhaltigkeit stärker von äußeren Faktoren als inneren Motiven leiten. Lediglich ein Drittel verfolgt eine nachhaltige Ausrichtung, weil sie dem eigenen Selbstverständnis entspricht. Zu den wichtigsten Treibern zählen neben den gesetzlichen Anforderungen die Energie- und Ressourceneffizienz (76 Prozent) und die Erwartungen des Marktes (69 Prozent).
Von einer konsequent nachhaltigen Unternehmensführung ist der deutsche Mittelstand demnach noch weit entfernt: Das zeigt sich unter anderem darin, dass nur ein Viertel der befragten Unternehmen die Fortschritte ihrer Nachhaltigkeitsinitiativen misst. Auch hat die Mehrheit mit 63 Prozent lediglich erste Analysen durchgeführt, welche regulatorischen Anforderungen künftig auf sie zukommen werden. Dabei sind diese immens: Mit der Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen, der CSRD, und der EU-Taxonomie Verordnung wachsen die Reporting-Pflichten enorm und sind künftig der finanziellen Berichterstattung weitgehend gleichgestellt, auch in der Prüfung durch externe Wirtschaftsprüfer.
Von den ambitionierten Transparenz- und Berichterstattungspflichten fühlen sich zwei Drittel (76 Prozent) der Unternehmen überfordert. Viele sorgen sich ebenso, dass sie Personal einsetzen müssen, das ihnen an anderer Stelle fehlt (62 Prozent).
Dazu kommt, dass mehr als die Hälfte der befragten Mittelständler (54 Prozent) angesichts des enormen bürokratischen Aufwands eher ein Greenwashing erwartet: Das Risiko einer halbherzigen Umsetzung schätzen die Nachhaltigkeitsbeauftragten unter den Befragten besonders hoch ein – mit 63 Prozent liegen sie neun Prozent über dem Durchschnitt aller Befragten. „Das ist fatal, weil es darauf hindeutet, dass diese Mitarbeitenden den Eindruck haben, als Feigenblatt herhalten zu müssen. Als strategisches Thema muss Nachhaltigkeit aber immer auf höchster Ebene angesiedelt sein“, erklärt Uwe Rittmann.
„Mittelständische Unternehmen, die die grüne Transformation mit einer ganzheitlichen, kennzahlenbasierten Strategie angehen, verschaffen sich enorme Vorteile: eine Top-Position im Wettbewerb, gesellschaftliche Akzeptanz, eine starke Marke als Arbeitgeber und Glaubwürdigkeit gegenüber Kreditgebern.“
Und Nicolette Behncke, Partnerin im Bereich Sustainability Services bei PwC, ergänzt: „Mittelständische Unternehmen, die die grüne Transformation mit einer ganzheitlichen, kennzahlenbasierten Strategie angehen, verschaffen sich enorme Vorteile: eine Top-Position im Wettbewerb, gesellschaftliche Akzeptanz, eine starke Marke als Arbeitgeber und Glaubwürdigkeit gegenüber Kreditgebern.“
Eine besonders große Hürde für die Erfüllung der neuen Reportingpflichten ist die Qualität der Daten: 73 Prozent geben an, dass sie Schwierigkeiten bei der Erfassung, Qualität, Verarbeitung und Analyse ihrer Daten haben.
„Jetzt macht sich bemerkbar, dass ein Teil der mittelständischen Unternehmen beim Thema Digitalisierung seine Hausaufgaben nicht gemacht hat. Die digitale Transformation ist eine erhebliche Erleichterung, um eine stark datengetriebene Aufgabe wie die Umsetzung der CSRD zu bewältigen. Spätestens jetzt ist es an der Zeit, neue Prozesse und Technologien zu etablieren. Es wäre ein erheblicher strategischer Fehler, sich auf die bekannten Bordmittel wie Excel zu verlassen, um den neuen Anforderungen Rechnung zu tragen“.
Das allerdings machen die meisten befragten Unternehmen: Mehr als Drei Viertel (78 Prozent) nutzen excelbasierte Tools für die Verarbeitung von Nachhaltigkeitsdaten.
Die EU-Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen, die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), betrifft Unternehmen und Konzerne, die – unabhängig von ihrer Kapitalmarktorientierung – an zwei aufeinanderfolgenden Abschlussstichtagen zwei dieser drei Kriterien erfüllen: 20 Millionen Euro Bilanzsumme, einen Nettoumsatzerlös von mehr als 40 Millionen Euro, mehr als 250 Mitarbeiter:innen. Kleine und mittelgroße Unternehmen fallen unter die Richtlinie, sofern sie kapitalmarktorientiert sind. In Deutschland sind von der Regelung circa 15.000 Unternehmen betroffen. Mit der CSRD werden Aspekte der Nachhaltigkeit nicht-finanziellen Kriterien in der Berichterstattung weitgehend gleichgestellt. Für die meisten Unternehmen greift die CSRD ab 2025.
Für die Studie wurden knapp 170 mittelständische Unternehmen mit dem Schwerpunkt verarbeitendes Gewerbe erhoben. Knapp die Hälfte erzielte im abgelaufenen Geschäftsjahr einen Umsatz von unter 200 Millionen Euro, gut die Hälfte erwirtschaftete mehr als 200 Millionen Euro. Befragt wurden vor allem Vertreter:innen aus dem Unternehmensbereich Nachhaltigkeit (48 Prozent), der Geschäftsleitung (23 Prozent) und dem Finanzwesen/Controlling (13 Prozent). Die übrigen Studienteilnehmer:innen sind sonstigen Geschäftsbereichen zuzuordnen.
PwC betrachtet es als seine Aufgabe, gesellschaftliches Vertrauen aufzubauen und wichtige Probleme zu lösen. Mehr als 327.000 Mitarbeitende in 152 Ländern tragen hierzu mit hochwertigen, branchenspezifischen Dienstleistungen in den Bereichen Wirtschaftsprüfung, Steuer- und Unternehmensberatung bei.
Die Bezeichnung PwC bezieht sich auf das PwC-Netzwerk und/oder eine oder mehrere der rechtlich selbstständigen Netzwerkgesellschaften. Weitere Details unter www.pwc.com/structure.