Umbruch steht bevor: 62 Prozent der Familienunternehmen wollen ihren Beirat in den nächsten drei Jahren neu besetzen / Klassische Kompetenzen wie Finanzen und Strategie überwiegen – Zukunfts-Kompetenzen fehlen / Nur ein Viertel der Unternehmen verfügt über professionelle Prozesse zur Auswahl von Beiratsmitgliedern
Düsseldorf, 26. Juni 2024
Zu rückwärtsgewandt, zu wenig divers, zu alt, zu selten technologieaffin: Beiräte brauchen in den kommenden Jahren einen Modernisierungs- und Professionalisierungsschub, wenn sie ihrer Aufgabe als Berater und Impulsgeber von Familienunternehmen weiterhin gerecht werden möchten. Familienunternehmer haben das erkannt: 62 Prozent planen, ihren Beirat in den kommenden drei Jahren neu und zeitgemäßer zu besetzen. Denn außer Frage steht für Familienunternehmen, dass der Beirat als Beratungs- und Kontrollgremium sinnvoll ist. So verfügen 78 Prozent der Familienunternehmen über einen Beirat, Aufsichtsrat oder Verwaltungsrat; weitere elf Prozent planen, in den kommenden Jahren ein solches Gremium einzurichten. Zum Vergleich: 2002 hatten erst 39 Prozent der Familienunternehmen einen Beirat.
Das sind wesentliche Ergebnisse der Studie „Nur richtig wird er wichtig. Der Beirat in Familienunternehmen 2024“, die seit 2002 nun bereits zum fünften Mal veröffentlicht wird. Für die Studie haben die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC Deutschland und die INTES Akademie für Familienunternehmen über 550 Familienunternehmen befragt.
„Berater, Kontrolleur und Sparringspartner: All das kann und soll ein guter Beirat je nach Governance-Modell sein. Darauf sollen und wollen Familienunternehmen nicht verzichten. Die Frage ist also nicht das ,Ob’ – sondern das ,Wie‘. Hier sehe ich noch Nachholbedarf. Das Profil vieler Beiräte entspricht nicht mehr den Anforderungen der Aufgaben. Angesichts der digitalen und nachhaltigen Transformation und aktueller geopolitischer Risiken brauchen wir Beiräte, die vorausschauen und antizipieren.“
Vorausschauende Berater und Impulsgeber können Beiräte nur sein, wenn sie Kompetenzen in Zukunftsthemen wie Transformation und Nachhaltigkeit haben. Die Praxis zeigt aber, dass die meisten Gremien nach wie vor durch klassisches Know-how geprägt sind. In Zukunftsfeldern wie Digitalisierung und Künstliche Intelligenz verfügt hingegen lediglich knapp ein Drittel über Kompetenzen. Noch schlechter aufgestellt sind die Gremien in den Bereichen Innovation/Forschung und Entwicklung (F&E, 21 Prozent) und Nachhaltigkeit (17 Prozent). „Das ist alarmierend, zumal das Innovations- und F&E-Know-how gegenüber unserer Vergleichsbefragung 2020 um zwölf Prozentpunkte zurückgegangen ist. Wir brauchen dringend mehr transformationserfahrene Expert:innen im Beirat – und zwar dauerhaft. Es reicht nicht aus, hin und wieder ein Startup oder einen Experten für einen Impuls an Bord zu holen“, erklärt Britta Wormuth, Geschäftsführerin der INTES Akademie für Familienunternehmen.
Die eher traditionell geprägte Besetzung des Beirats spiegelt sich auch in den Themen wider, die auf der Beirats-Agenda stehen. Die meiste Zeit beschäftigen sich Beiräte mit Reportingthemen, strategische Fragestellungen nehmen nur 35 Prozent der Zeit ein. Dabei sollten genau diese die Sitzungen dominieren - gerade in einer Zeit der multiplen Krisen. „So wird der Beirat seiner Rolle als Impulsgeber nicht gerecht“, kommentiert Uwe Rittmann. „Dafür braucht es auch eine Verjüngung des Beirats, denn das Durchschnittsalter liegt aktuell bei 69 Jahren. Offensichtlich gilt in Familienunternehmen nach wie vor die Überzeugung, dass Alter und Erfahrung ausschlaggebend sind.“
Für die Neustrukturierung setzen Familienunternehmen schwerpunktmäßig auf neue Köpfe (72 Prozent), eine Verjüngung (70 Prozent) und neue Kompetenzen (69 Prozent), insbesondere in den Bereichen Künstliche Intelligenz und Digitalisierung. Das Thema Diversität spielt nur für jedes dritte Unternehmen eine Rolle.
„Nicht nur jüngere Menschen, sondern auch Frauen fehlen nach wie vor in vielen Beiräten. Sie bringen neue Perspektiven und setzen einen anderen Ton. Und es gibt sie, die qualifizierten Frauen. Man muss sie allerdings finden, dafür braucht es gute und professionelle Netzwerke“
Bei der Suche nach neuen Beiratsmitgliedern vertraut die Mehrheit mit 79 Prozent auf persönliche Kontakte; externe Dienstleister beziehen nur 40 Prozent der Studienteilnehmer:innen ein. „Qualifizierte Beiräte gewinnt man in der Regel nicht aus dem Bekannten- und Verwandtenkreis“, kommentiert Britta Wormuth. Bei der Auswahl der Beiratsmitglieder steht die fachliche Qualifikation nicht immer an erster Stelle. Während bei 89 Prozent der Befragten externe Mitglieder auf Basis von fachlicher Kompetenz ausgewählt werden, gilt dies bei Familienmitgliedern nur zu 50 Prozent. Auch einen strukturierten Auswahlprozess und ein klares Anforderungsprofil sucht man oft vergeblich. Dabei ist die Auswahl der „richtigen“ Beiräte für das jeweilige (Governance-)Modell ein wichtiger Schritt.
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