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Rita Marie Roland
Partnerin Real Estate bei PwC Deutschland
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Während der digitale Handel im Zuge der Pandemie einen nie gesehenen Boom erlebt hat, haben sich die Herausforderungen des stationären Einzelhandels dramatisch verschärft. Eine Entwicklung, die auch traditionelle Einkaufszentren betrifft. Durchschnittlich jedes dritte Shoppingcenter in Deutschland wird als nicht zukunftsfähig eingestuft – das ist eine zentrale Erkenntnis unserer neuen Studie „Einzelhandel im Wandel – Sind Shoppingcenter noch zukunftsfähig?“. Die Ergebnisse zeigen: Es gibt nach wie vor eine Nachfrage für den Besuch von Einkaufszentren, aber viele Betreiber:innen haben mit ihren Konzepten den Wandel der Bedürfnisse ihrer Kundschaft nicht antizipiert. Die Repositionierung von Einkaufskonzepten oder die Umnutzung von Shoppingcentern können einen möglichen Ausweg aus der Krise darstellen.
„Die Mehrheit der Konsument:innen besuchen Shoppingcenter vorrangig zum Zeitvertreib. Das bedeutet, dass insbesondere Flächen mit Unterhaltungs- sowie Gastronomieangeboten nicht zu klein ausfallen sollten.“
Der stationäre Handel befindet sich im Wandel: Steigende Mieten und fallende Umsätze setzen den Einzelhändlern nicht erst seit Beginn der Corona-Pandemie zu. Bereits zuvor hat die wachsende Popularität von E-Commerce-Angeboten in vielen Innenstädten für rückläufige Besucherzahlen gesorgt. Ein Trend, den COVID-19 erheblich beschleunigt hat. Während Online-Händler ihre Angebote im Zuge der beschleunigten Digitalisierung immer weiter auf die neuen Kundenbedürfnisse zugeschnitten haben, ist das lokale Einkaufserlebnis mit der Pandemie weiter in den Hintergrund gerückt. Die erschwerten Bedingungen für den stationären Einzelhandel zeigen sich auch explizit an der Entwicklung hiesiger Shoppingcenter. Dort beträgt die Leerstandsquote inzwischen durchschnittlich elf Prozent. Die Folge: Investitionen in Neubauprojekte sucht man seit einigen Jahren vergeblich.
Entgegen den schwierigen Vorzeichen für Einkaufszentren zeigt unsere Befragung, dass Shoppingcenter im Einkaufsalltag vieler Menschen immer noch eine Rolle spielen. So gab mehr als ein Drittel (35 Prozent) der Teilnehmenden an, in den letzten drei Monaten mindestens einmal pro Woche ein Shoppingcenter besucht zu haben, rund doppelt so viele (71 Prozent) noch mindestens einmal im Monat. Die Studie zeigt auch auf, dass 61 Prozent der Befragten in ein Shoppingcenter gehen, ohne unbedingt etwas zu konsumieren. Sicherlich ist dies auch der aktuellen Situation geschuldet, die durch steigende Inflation und Verbraucherpreise sowie einer damit verbundenen Unsicherheit geprägt ist. Dieses Konsumentenverhalten beeinflusst aber auch die Profitabilität der Mieter und der Center erheblich.
Kund:innen besuchen in Einkaufszentren am häufigsten Lebensmittelgeschäfte, Drogerien sowie Bäckereien oder Feinkostläden. Eine große Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage ist derweil beim Thema Freizeit und Entertainment zu beobachten: Während sich 68 Prozent der Befragten entsprechende Angebote wünschen, bieten nur 16 Prozent der Betreiber entsprechende Möglichkeiten an. Ein ähnliches Bild zeigt sich beim Thema Gastronomie, bei der eine Nachfrage von 73 Prozent einem Angebot von 46 Prozent gegenübersteht.
Spätestens bei einem Leerstand bzw. einem Rückgang der Besucher-Zahlen von 15 bis 20 Prozent sollten laut Umfrage unter den Betreibern Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Der Umsatzrückgang der Mieter und eine erhöhte Mieterfluktuation sind ebenso erste Warnzeichen für den Misserfolg von Shoppingcentern. Shoppingcenter-Betreiber stehen gegenwärtig grundsätzlich vor großen Herausforderungen: Laut der Umfrage kommt es bei einer Neuvermietung derzeit zu einer Absenkung des Quadratmeterpreises um durchschnittlich 16 Prozent. Dies ist vor allem der anhaltenden Inflation sowie der Lieferkettenproblematik geschuldet, die Einzelhandelsmieter stark unter Druck setzen. Die Profitabilität eines Centers steht dann schnell auf der Kippe. Umso mehr gewinnen ein wirtschaftlich sinnvolles und zukunftsfähiges Center-Konzept und aktives Mietermanagement an Bedeutung. Insgesamt sind sich 63 Prozent der Befragten daher sicher, dass althergebrachte, auf den Einzelhandel ausgerichtete Einkaufszentren nicht mehr zukunftsfähig sind.
Um angeschlagene Shoppingcenter aus der Schieflage zu holen oder das Geschäft wiederzubeleben, bieten sich je nach Möglichkeitsrahmen und individuellen Vorzeichen zwei grundsätzliche Optionen an: die Repositionierung und die Umnutzung. Ersteres fußt auf einer umfangreichen Analyse des Angebots, das dann sukzessive auf die vorhandenen Kundenbedürfnisse umgestellt wird. Zweiteres dient dazu, freistehende Flächen für andere Nutzungsarten (wie beispielsweise Wohnen, Büro, Pflege oder Logistik) zu erschließen. Welche dieser Optionen für Betreiber in Frage kommt, hängt vor allem von der Wirtschaftlichkeit, den Flächen- und Standortgegebenheiten sowie vom Charakter des Shoppingcenters ab.
„Ob Repositionierung oder Umnutzung – vor allem wirtschaftlich – sinnvoll ist, muss gut durchdacht und berechnet werden. Es sollte stets ein transparenter und realistischer Businessplan als Grundlage dienen, um vor allem Investoren und Finanzierer von der Umsetzung zu überzeugen.“
Unabhängig davon, für welchen Weg sich Betreiber entscheiden, braucht es im gleichen Zuge immer auch eine starke Digitalisierungsstrategie. Diese sollte die Stärken des klassischen Geschäfts mit denen des Onlineshops verknüpfen - beispielsweise über „Click & Collect“-Modelle oder eigene Apps, die weiterführende Informationen zum Einkauf bieten. Zusammen mit dem richtigen Mietermix ergeben sich so auch in Zukunft tragbare Geschäftsmodelle.
Rechnen sich die hohen Kosten einer Umnutzung langfristig und wie wird die Finanzierung der Kosten sichergestellt? Da eine Umnutzung oft mit signifikanten Kosten verbunden ist, muss dieser Aspekt genau geprüft werden. Vor allem vor dem Hintergrund extrem gestiegener Baukosten, sind viele Maßnahmen (derzeit) nicht wirtschaftlich umsetzbar. Ein transparenter, integrierter und realistischer Businessplan ist hierbei essentiell und ist unabdinglich für die Einwerbung zusätzlich benötigter Finanzierungsquellen.
Eignet sich die neue Nutzungsart für den Standort? Eine detaillierte Markt- und Standortanalyse bilden hierfür die Entscheidungsgrundlage. Konsumenten- und Nutzerbefragungen sollten die Analysen zusätzlich flankieren.
Kann die vorhandene Einzelhandelsfläche überhaupt baulich einer anderen Nutzungsart zugeführt werden? In vielen Fällen wird die Möglichkeit der Umnutzungskonzepte bereits durch die Restriktionen der vorliegenden baulichen Umsetzbarkeit eingeschränkt: zu wenig Belichtung für Wohnungen, keine Zufahrtswege für Logistik oder auch zu hohe Anforderungen an ein Pflegeheim sind nur einige Beispiele. Die bauliche Umsetzbarkeit muss also zwingend (in einem realistischen Kostenrahmen) gegeben sein.
Sind alle benötigten Genehmigungen für eine Umnutzung in einem realistischen Zeitrahmen erhältlich? Es sollte so früh wie möglich sichergestellt werden, dass aus baurechtlicher Sicht dem Vorhaben nichts im Wege steht.
Welche Stakeholder sollten „ins Boot geholt“ werden? Um eine Umnutzungsmaßnahme zu realisieren, sollten frühzeitig alle relevanten Stakeholder informiert und deren Zustimmung eingeholt werden. Zuvorderst gilt es hierbei insbesondere die Kommunen in die Diskussion einzubeziehen und mit ihnen ein gemeinsames, zukunftsfähiges Konzept zu erarbeiten. Daneben sollten aber auch die Centermanager, Mieter, Nachbarn etc. transparent in den Prozess eingebunden werden.
„Althergebrachte Shoppingcenter-Konzepte geraten aus der Mode. Das bringt für die Betreiber:innen große Herausforderungen mit sich, bietet aber auch wertvolle Chancen für eine zeitgemäße Neuausrichtung.“
Rita Marie Roland, Partnerin Real Estate bei PwC DeutschlandSind Shoppingcenter zukunftsfähig?
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Der Studie liegt eine Online-Panelbefragung einer bevölkerungsrepräsentativen Zielgruppe von 1.000 Personen ab dem Alter von 18 Jahren zugrunde. Die Erhebung wurde im Sommer 2022 durchgeführt.
Der Anteil von Männern und Frauen in der Zielgruppe war nahezu gleich hoch. Die deutliche Mehrheit von 84 Prozent der Befragten war zum Zeitpunkt der Befragung über 30 Jahre alt; 54 Prozent von dieser Teilgruppe waren über 50 Jahre alt.
Mit 27 Prozent gab die Mehrheit der Befragten an, ein Nettohaushaltseinkommen von 2.000 bis 3.000 Euro zu verdienen, während 29 Prozent ein geringeres Einkommen und 37 Prozent ein höheres Einkommen angaben. Der größte Teil der Befragten kommt aus Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen.